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Der linke Herr Hitler?

Lorenz Gösta Beutin über den Geschichtsrevisionismus der Neuen Rechten

  • Lorenz Gösta Beutin
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Kampfschricht »Mein Kampf« wurde nach Auffassung einiger »Historiker« von einem Linksradikalen verfasst.
Die Kampfschricht »Mein Kampf« wurde nach Auffassung einiger »Historiker« von einem Linksradikalen verfasst.

»Wieviel links braucht man eigentlich noch in seinem Namen?« Das fragte jüngst eine Buchbesprechung zum neu aufgelegten Buch »Hitler. Selbstverständnis eines Revolutionärs« des Historikers, PR-Unternehmers und FDP-Mitglieds Rainer Zitelmann in der »Jüdischen Rundschau«. Der von der Zeitschrift »Aus Politik und Zeitgeschichte« der Bundeszentrale für politische Bildung als »Vordenker der intellektuellen Rechten« eingeordnete Autor meint in seinem Werk den ultimativen Beweis erbracht zu haben, dass die NSDAP nicht etwa ins rechtsextreme Lager gehöre, sondern dass Hitler und somit die Nazis eigentlich Linke gewesen seien.

Dieser unwissenschaftliche Geschichtsrevisionismus ist bekannt. Es ist kaum verwunderlich, dass das Aufwärmen längst widerlegter Verdrehungen in der »Jüdischen Rundschau« erscheint. Das Monatsblatt ist eine marktradikal-rechtskonservative Gegengründung zur liberal-demokratischen »Jüdischen Allgemeinen« und steht der Neuen Rechten mehr als nah. Doch die gefährliche Leier, Hitler, Vernichtungskrieg und Holocaust seien ein Ergebnis marxistischer Theorie und Praxis, wird heute zunehmend inflationärer in die Kommentarspalten bei X, Facebook und Co. gespült.

Lorenz Gösta Beutin
Lorenz Gösta Beutin, Vize-Vorsitzender der Partei DIE LINKE, spr...

Lorenz Gösta Beutin ist Historiker und Mitglied im Parteivorstand der Linken.

Neu ist das nicht. Erinnert sei an die Debatte Anfang der 1990er Jahre, als Rainer Zitelmann, Uwe Backes, Eckhard Jesse und Ernst Nolte die Erinnerungspolitik der Bundesrepublik auf rechts zu drehen versuchten. Was die »Jüdische Rundschau« hier aufwärmt, ist der kalte, abgestandene Kaffee Zitelmanns, der Ende der 1980er Jahre in seiner Dissertation Hitler zum Sozialrevolutionär erklärte. Weil er historisch bodenlos ist, schien dieser Geschichtsrevisionismus von rechts in der Geschichtswissenschaft nach dieser »neuen« Historikerdebatte in den 1990ern eigentlich ein für alle Mal erledigt. Reste dieses pseudowissenschaftlichen Entlastungsversuches von historischen Verbrechen wurden in der sogenannten Neuen Rechten konserviert und in ihren Denkfabriken aufs Neue angerührt. Mit dem Erstarken der AfD und ihres Umfelds erlebt diese Geschichtsklitterung wieder neuen Auftrieb.

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Zitelmann bewegt sich auf der Erscheinungsebene. In seinen Thesen macht er Hitler zum »Revolutionär« und die NSDAP zu einer sozialrevolutionären Partei. Tatsächlich haben die Nazis frech Begriffe und Symboliken der Arbeiterbewegung gekapert und als Camouflage für den Stimmenfang missbraucht. Und in seinen Reden und Schriften entfaltet Hitler durchaus soziale Ideen. Doch diese sind antiegalitär, auf den deutschen »Volkskörper« gerichtet, aus dem alles »Volksfremde« entfernt wurde. Zitelmann und Apologeten ignorieren die grausame Realität des faschistischen NS-Staates: Rassismus, Nationalismus, Militarismus, Gewalt, Antisemitismus.

Die NSDAP stützte sich entsprechend auf die alten Eliten aus Kapital, Adel, Junkertum, Militär. »Gleichschaltung«, Raub und Mord – erst nach innen, dann nach außen – sowie Hitlers Vernichtungskrieg waren alles andere als antikapitalistisch, geschweige denn egalitär oder solidarisch. Der erneute Versuch einer Gleichsetzung von links und rechts durch Neokonservative ist der Versuch, Linke für Auschwitz verantwortlich zu machen. Und in letzter Konsequenz eine Rechtsfertigung, um die Deutschen aus ihrer historischen Verantwortung für Shoa und Weltkrieg zu entlassen.

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