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- Protest gegen Flüssigerdgas-Lobby
LNG-Gipfel in Berlin: »Auf geht’s, ab geht’s – Summit crashen«
Am Dienstag kam es beim World LNG Summit zu mehreren Blockadeversuchen
Dienstagmorgen, sieben Uhr. Vor dem Gebäude der Lobbyorganisation »Zukunft Gas« in Berlin Mitte haben sich etwa 200 Personen versammelt. Ihr Ziel: den World LNG Summit zu stören, der von Montag bis Donnerstag wenig weiter im Hotel »Adlon Kempinski« stattfindet. Dabei handelt es sich um ein Treffen der weltweiten Lobby für Flüssigerdgas (LNG). Insgesamt 750 Teilnehmende aus 50 Ländern und 500 Unternehmen seien dort angemeldet, heißt es auf der Webseite. Tickets gibt es ab 4200 Euro.
Eine »fossile Party« also, die gestört werden muss, findet unter anderem ein Zusammenschluss aus Ende Gelände und Letzte Generation. Dem Anlass entsprechend tragen viele Demonstrierende bunte Partyhüte. Und auch die Stimmung ist blendend, als sich die Menge in Bewegung setzt. »Auf gehts, ab gehts – Summit crashen«, schallt es in die Dunkelheit.
Spaßverderber in Weiß und Orange
Bereits auf dem Weg zum Hotel kommt es zu Zusammenstößen zwischen Polizei und Aktivist*innen. Doch Trommelmusik verbreitet weiter gute Laune, und auch die Sprechchöre klingen nach Zuversicht: »Advent, Advent, die Gaslobby brennt«, als sei man sich sicher, dem Gas-Gipfel etwas entgegensetzen zu können.
Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist LNG zu einem zentralen Thema für die Klimabewegung in Deutschland geworden. Anstatt die Unabhängigkeit von russischem Gas als Anlass für eine umfassende Energiewende zu nehmen, habe die Bundesregierung mit ihren Investitionen in LNG-Terminals für Überkapazitäten gesorgt, so der Vorwurf. Das zeige das Beispiel Rügen, meint Constantin Zerger von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). »Seit der offiziellen Inbetriebnahme liegt die Auslastung bei unter zehn Prozent«, so der Energieexperte. »Während sich in Berlin Partystimmung verbreitet, herrscht in Mecklenburg-Vorpommern schon Katerstimmung.«
Doch am Dienstag droht auch in Berlin die Stimmung zu kippen: In Sichtweite des »Adlon« angekommen, versuchen die Demonstrierenden, der Polizei zu entkommen. Doch ohne Erfolg. Der Protestzug kommt zum Stehen. Dann also Redebeiträge. Ein Mitglied der Gruppe Scientist Rebellion klärt über die Klimaschädlichkeit von vermeintlich sauberem LNG auf.
Bei Flüssigerdgas handele es sich um »einen der größten Klimakiller, die wir haben«, sagt auch Zerger. Noch dazu sei Deutschland »im LNG Ausbau Europameister«. Nur folgerichtig also, dass der LNG-Gipfel dieses Jahr erstmals in Deutschland stattfinde.
Polizei kesselt Demo ein
Über die Lautsprecher ertönt ein Redebeitrag eines Aktivisten aus dem US-Bundesstaat Louisiana. Der Großteil des Flüssigerdgases, dass an den neu gebauten Terminals ankommt, stammt aus den USA. In Louisiana befinden sich bereits mehrere Export-Terminals und weitere seien geplant. Dabei sei die Gewinnung von Gas nicht nur schlecht für Umwelt und Klima, sondern auch gesundheitsschädigend. »Genug ist genug«, sagt der Aktivist.
Die Demo-Teilnehmenden streifen sich Maleranzüge über, das Markenzeichen von Ende Gelände. Doch auch der letzte Versuch, die Absperrung der Polizei zu überwinden, bleibt erfolglos. Während Aktivist*innen mit Beamten um eine aufblasbare Gas-Pipeline ringen, wird die Versammlung auf den Gehweg gedrängt. Die Polizei bezichtigt die Teilnehmenden mehrerer Straftaten und bereitet Maßnahmen zur Identitätsfeststellung vor. Nach den Zusammenstößen ist es die Stimmung der Aktivist*innen, die wie gecrasht wirkt. Hinter den Atemschutzmasken ratlose Blicke – und deutlich leisere Sprechchöre. Ein*e Aktivist*in lehnt sich erschöpft mit dem Kopf an die Schultern einer Person in Maleranzug. Beide tragen Partyhüte.
Doch es ist bei weitem nicht der einzige Protest gegen das Lobbytreffen im Nobelhotel an diesem Tag. Einige Aktivist*innen der Letzten Generation haben es bis an das »Adlon« geschafft und einen Seiteneingang mit grüner Farbe beschmiert. Die Farbe »dokumentiert das Greenwashing, dass durch diesen Eingang geschieht«, erklärt Rolf Meyer, Pressesprecher der Gruppe.
Mit dem Auto zur Party
Am selben Morgen fährt auch ein Kleinlaster direkt vor einen Hintereingang des Hotels. Wenige Zentimeter vor einem Poller kommt er zum Stehen. Mehrere Menschen klettern auf das Dach der Ladefläche und kleben sich fest; eine Person befestigt sich an einem Autoreifen. Dutzende Aktivist*innen dringen bis an denselben Eingang vor und streifen sich orange Warnwesten über, mit denen sie sich als Unterstützer*innen der Letzten Generation kennzeichnen. Manche von ihnen kleben sich auf den Gehweg. Pressesprecher Meyer beklagt, das »extrem hektische und schmerzvolle« Vorgehen der Polizei beim Lösen der festgeklebten Aktivist*innen. »Nach unseren aktuellen Kenntnissen haben Menschen Kapselrisse, Hautverletzungen & Gelenkverletzungen davongetragen«, schreibt die Letzte Generation auf Instagram. »Von solchen gravierenden Verletzungen haben wir nichts mitbekommen«, kommentiert ein Sprecher der Berliner Polizei die Vorwürfe. Personen seien aber wegen Unterkühlung und Kreislaufproblemen in ärztliche Behandlung gekommen.
»Gas-Gipfel in Luxus-Hotel lahmgelegt« titelt die Letzte Generation später in einer Pressemitteilung. Doch beeinträchtigte der Protest tatsächlich die Veranstaltung? Sabine Held, Pressesprecherin des »Adlon«, teilte dem »nd« mit, »dass Gäste, Teilnehmende des Kongresses und unsere Mitarbeitenden unverändert Zugang zum Haus hatten und haben«. Auf die Frage nach Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs etwa durch Verkehrsstörungen geht sie nicht ein.
Unterdessen versuchte noch ein weiterer »Finger« – so nennt Ende Gelände Untereinheiten bei einer Aktion – sich dem Hotel anzunähern. Doch auch er wurde kurz vor dem Ziel gestoppt – unter Einsatz von Pfefferspray, wie Sprecherin Jule Fink mitteilte.
»Es ist wichtig, die Verbundenheit sichtbar zu machen.«
Rolf Meyer Letzte Generation
Und so ergibt sich an diesem Dienstagmorgen das Bild eines LNG-Gipfels, der von allen Seiten von Klimaaktivist*innen umstellt ist – und geschützt von einem Großaufgebot der Polizei. Es ist auch das Ergebnis einer ungewohnt engen Zusammenarbeit ansonsten eher distanzierter Teile der Klimabewegung. Jule Fink spricht dabei von einer »koordinierten Aktion« und einem »Schulterschluss gegen LNG«, bei dem die unterschiedlichen Protesttraditionen der jeweiligen Gruppen gewahrt wurden. Und auch die Letzte Generation ist mit der Kollaboration zufrieden. Meyer sagt: »Es ist wichtig, die Verbundenheit sichtbar zu machen.«
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