- Politik
- Tod von Mouhamed Dramé
Die fünf Angeklagten im Dortmunder Polizeiprozess
Bis zum Freispruch hat auch die Staatsanwaltschaft ihre Anklage stetig abgesenkt
Der 55-jährige Einsatzleiter Thorsten H. war ursprünglich angeklagt, weil er Untergebene zur Begehung gefährlicher Körperverletzung verleitet haben soll. Unter anderem hatte H. dem späteren Schützen gesagt, mit seiner Maschinenpistole sei dieser der »last man standing«. Ziel sei es gewesen, Dramé »kampfunfähig« zu machen. Sein verhängnisvoller Befehl lautete deshalb »Vorrücken, einpfeffern, das volle Programm, die ganze Flasche!«. Er verteidigte sein Vorgehen vor Gericht mit der Begründung, die Lage sei »dynamisch« gewesen – allerdings sagt eine Dienstanweisung der Polizei in NRW, dass Taser in solchen Lagen nicht gezogen werden sollen. Vor Gericht erklärte H. außerdem, Bodycams seien in der Anfangssituation nicht erlaubt gewesen sei, da Dramé suizidgefährdet war – ebenfalls eine Dienstanweisung. Als schließlich das Pfefferspray eingesetzt wurde, habe niemand mehr die Zeit gehabt, die Kameras einzuschalten. Über seine gelöschten Chats zu mutmaßlichen Absprachen unter Zeug*innen auf seinem Handy sagte H., das sei nicht ungewöhnlich, er mache dies regelmäßig. In ihrem Schlussplädoyer hatte die Staatsanwaltschaft vergangene Woche eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten, ausgesetzt auf zwei Jahre Bewährung, sowie eine Geldstrafe von 5000 Euro zugunsten einer sozialen Einrichtung in Dortmund gefordert.
Jeanine Denise B., 34 Jahre alt, hatte Pfefferspray gegen Dramé eingesetzt und wurde dafür anfangs wegen schwerer Körperverletzung angeklagt. Sie habe aufgrund von Anweisungen gehandelt und betonte, dass ihre Sicht durch ein Gebüsch behindert war. Ihr Pfefferspray leitete laut der Staatsanwaltschaft die Eskalation der Gewalt ein. Für B. hatte sie trotzdem Freispruch beantragte und angeführt, dass die Beamtin aufgrund eines »Erlaubnistatbestandirrtums« glaubhaft von einer Notwehrsituation ausging.
Der ebenfalls 34-jährige Markus B., der den Taser einsetzte, stand zu Beginn des Prozesses wegen gefährlicher Körperverletzung vor Gericht. Er erklärte, die Entscheidung zum Taser-Einsatz eigenmächtig getroffen zu haben, da er Dramés Verhalten als Gefahr für sich und seine Kolleg*innen deutete. Gleichzeitig führte er jedoch rassistisch aufgeladene Argumente an, indem er »Muskelpartien« am Oberkörper des Geflüchteten als Indiz für »aggressives Verhalten« bezeichnete – obwohl Mouhamed zu diesem Zeitpunkt still in einer Ecke saß. Später räumte Markus B. ein, dass genügend Zeit bestanden hätte, die Situation anders zu lösen. Auch für ihn hatte die Staatsanwaltschaft Freispruch beantragt, da er ebenfalls einem »Erlaubnistatbestandirrtum« erlegen sei.
Pia Katharina B., 29 Jahre, setzte ebenfalls einen Taser ein und war zunächst wegen schwerer Körperverletzung im Amt angeklagt. Im Gerichtssaal betonte sie: »Mouhamed war kein Angreifer für uns«. Allerdings sagte sie auch, dass sie von einer Notwehrlage ausging und Dramé das Messer gegen sie hätte einsetzen können. Die Staatsanwaltschaft fordert in ihrem Schlussplädoyer auch für B. einen Freispruch, da sie irrtümlich von einer Notwehrlage ausging.
Der 31-jährige Fabian S., sogenannter Sicherungsschütze, sollte zu Beginn des Prozesses noch wegen Totschlag verurteilt werden. Er schilderte vor Gericht, dass andere Maßnahmen wie Pfefferspray und Taser nicht ausreichend gewesen seien, weshalb er mit seiner Maschinenpistole eingriff und fünf Schüsse aus einer MP5 auf Dramé abgab. »Jetzt muss ich ran« habe er gedacht, als Dramé mit einem Messer in der Hand aus seiner Nische aufstand und auf die Beamt*innen zulief. Für Fabian S. beantragt die Staatsanwaltschaft aber schließlich Freispruch wegen der irrtümlichen Annahme einer Notwehrsituation.
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