Kunstfreiheit: Monika will nicht aufs Shirt

Ein Görlitzer Modelabel will sorbische Künstler bekannt machen. Doch ein einstiges Modell wehrt sich gegen die Vermarktung ihres Konterfeis

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Der Inhaber des Laba-Labels, Gerhard Zschau, mit dem Corpus Delicti.
Der Inhaber des Laba-Labels, Gerhard Zschau, mit dem Corpus Delicti.

Die »Reisegruppe Kun§tfreiheit« muss am 20. Dezember früh aufstehen. Am Freitag um 5.43 Uhr steigen Freunde und Unterstützer von Gerhard Zschau in Görlitz in den Zug, um nach Berlin zu fahren. Zschau betreibt in der ostsächsischen Stadt das Modelabel Laba, das regionales Handwerk mit einem ökologischen und nachhaltigen Anspruch verbindet. In die Hauptstadt reist er vier Tage vor Heiligabend aber nicht, um dort seine Pullover, Schals und Mützen als Weihnachtsgeschenke anzubieten. Vielmehr muss er bereits zum dritten Mal vor Gericht erscheinen, weil eine Frau sich dagegen wehrt, dass ihr Jugendporträt auf einem der von Zschau verlegten T-Shirts zu sehen ist. Den ersten Prozess in Görlitz hat er verloren, den zweiten in Dresden gewonnen. Weil die Porträtierte das nicht hinnehmen wollte, geht es nun nach Berlin.

Das umstrittene Kleidungsstück gehört zu einer Reihe namens »Alte Meister*in«, mit der Zschau Künstler aus der Lausitz bekannter machen und zudem Gutes bewirken möchte: Ein Teil des Verkaufserlöses geht an Projekte wie Mission Lifeline und die Oberlausitzer Tafel. Die ersten drei Motive stammten von Paul Sinkwitz, Rudolf Warnecke und Johannes Wüsten. Sie zeigen die sorbische Sagenfigur Pumphut, den im Riesengebirge beheimateten mystischen Rübezahl und das Bautzener »Hexenhäusl«.

»Der Fall hat persönlich und unternehmerisch bedrohliche Züge angenommen.«

Gerhard Zschau Label Laba

Als Vierte in der Reihe wählte er Hanka Krawcec aus. Von der 1901 geborenen sorbischen Künstlerin, die unter anderem das Logo der Domowina entwarf, sind viele Landschaften und Porträts überliefert, darunter das einer jungen Frau namens »Monika«, das in den 60er Jahren erst als Zeichnung und dann als ausdrucksstarker Linolschnitt entstand und Zschau auf den ersten Blick überzeugte. Er forschte nach Rechteinhabern, die es aber nicht gab. Krawcec starb 1990 kinderlos, andere Verwandte sind nicht bekannt. Eine Auflage von zunächst 100 Stück wurde gedruckt und kurz vor der Premiere der »Alten Meisterin« sicherheitshalber noch ein Artikel in der sorbischen Zeitung »Serbske Nowiny« veröffentlicht. Daraufhin kam Post von einem Anwalt: Die Frau, die einst als »Monika« porträtiert wurde, untersagte den Verkauf der T-Shirts.

Die Konstellation, in der die Persönlichkeitsrechte der Porträtierten und die Kunstfreiheit gegeneinander stehen, ist brisant auch über den konkreten Fall hinaus. Dieser wirft die Frage auf, ob etwa auch Museen, die Kunstwerke auf Tassen oder Tüten drucken, künftig neben den Künstlern auch deren einstige Modelle um Zustimmung bitten müssen. »Monika« stößt sich nicht grundsätzlich an der Publikation des Linolschnitts, der zuvor mehrfach etwa in Katalogen gedruckt wurde. Sie unterstellt Zschau aber rein kommerzielle Absichten und widerspricht dem unter Verweis auf das Kunst-Urheberrechtsgesetz, wo es heißt: »Bildnisse dürfen nur mit Einwilligung des Abgebildeten verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden.«

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Die Materie ist offenkundig juristisch diffizil. In einer ersten Entscheidung gab das Landgericht Görlitz der Klägerin recht. Dieses Urteil wurde vom Oberlandesgericht Dresden im April 2023 gekippt. Es entschied, dass zwar die Persönlichkeitsrechte der Porträtierten betroffen seien. Diese werde aber durch das Bild nicht »herabgewürdigt« und müsse Jahrzehnte nach dessen Entstehen nicht fürchten, jenseits des engsten Bekanntenkreises ungewollt erkannt zu werden. Zudem wurde Zschau zugutegehalten, dass er auch die sorbische Kunst fördern will und Teile des Erlöses spendet. Zu seinen Gunsten streite daher auch die verfassungsrechtlich gewährleistete Kunstfreiheit, so das Gericht.

Doch die Angelegenheit war damit nicht abgeschlossen. Beide Urteile ergingen im Eilverfahren. Die Klägerin entschloss sich, den Fall nun auch im Hauptsacheverfahren auszufechten. Verhandelt wird am Landgericht Berlin vor einer Kammer, die auf Fälle des Kunst-Urheberrechtsgesetzes spezialisiert ist. Für Zschau und das Laba-Label hat der Rechtsstreit mittlerweile »persönlich und unternehmerisch bedrohliche Züge« angenommen. Bei einer Niederlage in Berlin muss er auch die Kosten der vorangegangenen Verfahren tragen. Zwar hofft er auf Spenden. Wegen des finanziellen Risikos entschied er sich aber, eine »Haushaltssperre« zu verhängen, keine neue Kollektion zu entwerfen und keine Motive nachdrucken zu lassen. Das gilt auch für das »Alte Meisterin«-T-Shirt mit dem Porträt von Monika. Von der zweiten, erneut 100 Stück umfassenden Auflage sind aber noch einige Exemplare auf Lager.

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