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Olaf Scholz im Bundestag: Geplanter Vertrauensverlust

Die Bundestagsdebatte über die Vertrauensfrage des Kanzlers war schon offener Wahlkampf

Scholz wählt den Notausgang – und hofft auf eine Rückkehr ins Kanzleramt.
Scholz wählt den Notausgang – und hofft auf eine Rückkehr ins Kanzleramt.

Ein bisschen verkehrte Welt war es schon, was sich am Montag im Bundestag abspielte. Der Bundeskanzler stellt die Vertrauensfrage, um sie zu verlieren. Er wünscht sich faktisch das Misstrauen, um in die Offensive zu kommen. Damit nichts schiefgeht, enthalten sich die ihn noch stützenden Grünen der Stimme. Er bitte die Bürger um Vertrauen und Unterstützung, sagte Olaf Scholz mit Blick auf den Wahlkampf; der Weg dahin führt für ihn über fehlendes Vertrauen im Parlament.

Das Verfahren nennt sich unechte Vertrauensfrage: Bei der geht es im Gegensatz zur echten Vertrauensfrage, wie sie die Erfinder des Grundgesetzes vorsahen, nicht darum, per Abstimmung die eigene Mehrheit abzusichern, sondern eben genau im Gegenteil um das vorzeitige Ende der Wahlperiode. Deshalb hatte Scholz am 11. Dezember die Vertrauensfrage beantragt. Laut Artikel 68 des Grundgesetzes kann der Bundespräsident den Bundestag binnen 21 Tagen auflösen, wenn ein Antrag des Bundeskanzlers, ihm das Vertrauen auszusprechen, keine Mehrheit im Bundestag findet. Innerhalb der dann folgenden 60 Tage muss der Bundestag neu gewählt werden. So ist es bereits verabredet; als Wahltermin ist der 23. Februar vorgesehen.

Vorausgegangen war ein Dauerzerwürfnis in der Ampel-Koalition, die laut dem Grünen-Politiker Robert Habeck »in vielerlei Hinsicht zu Recht einen schlechten Ruf« hatte. In der nun endgültig beerdigten Regierung hatte sich vor allem die FDP als Verhinderer vom Dienst profiliert; die sich zuspitzenden Differenzen gipfelten in Plänen der Liberalen-Spitze, einen Koalitionsbruch zu inszenieren. Dem im FDP-Drehbuch vorgesehenen Showdown kam Kanzler Scholz zuvor, indem er am 6. November seinen Finanzminister Christian Lindner entließ.

Scholz erklärte noch einmal, warum er die FDP aus der Regierung geworfen hat. Er habe die »wochenlange Sabotage« der Liberalen nicht länger dulden können. Im Kern sei es um die Frage gegangen, wie in mehr wirtschaftliches Wachstum investiert werden soll. Er wolle die Schuldenbremse »klug modernisieren« – allerdings auch, um weitere Rüstungsausgaben absichern zu können. Einschränkungen der Schuldenbremse werden jedoch vor allem von der FDP, aber auch von der CDU strikt abgelehnt.

Lindner deutete an, wie er sich die Beschaffung der Milliarden für Investitionen in die Wirtschaft vorstellt. Er verlangt unter anderem eine sogenannte Reform des Bürgergelds – also einen »geringeren Regelsatz und eine Pauschalierung der Kosten der Unterkunft«. Dadurch könne man so viel Geld abzweigen, dass der Grundfreibetrag für alle Steuerzahler deutlich angehoben werden könnte. Auch CDU-Chef Friedrich Merz will das Bürgergeld »vom Kopf auf die Füße stellen« und um etliche Milliarden Euro schrumpfen.

Linke-Gruppenchef Sören Pellmann warf der Ampel vor, weder Kinderarmut nachhaltig gemildert noch Wohnungsnot bekämpft sowie in sozialer Hinsicht überhaupt versagt zu haben. Der völkerrechtswidrige Angriff Russlands sei zum Anlass »für die heftigste Aufrüstungsspirale« genommen worden, die die Bundesrepublik je erlebt habe. Dafür seien Hunderte von Milliarden Euro aus dem Hut gezaubert worden, »die für ein soziales Sondervermögen nie dagewesen wären«. Sahra Wagenknecht vom BSW sagte in Richtung des Kanzlers: »Drei Jahre Abstieg unseres Landes, und Sie bitten um vier Jahre Verlängerung.«

Zuletzt hatte Gerhard Schröder 2005 vom Instrument der unechten Vertrauensfrage Gebrauch gemacht. Das Manöver hätte fast geklappt, aber eben nur fast. Denn letztlich lag die Union knapp vorn, und die Ära Angela Merkel begann. Daraus automatisch zu folgern, dass heute für die SPD alles verloren sei, zumal sie in den Umfragen weit zurückliegt, wäre allerdings verfrüht. Man erinnere sich an die Ausgangslage vor der Bundestagswahl im September 2021: Noch zwei Monate vor jener Abstimmung rangierte die SPD in allen Umfragen bei etwa 15 Prozent, die Union bei ungefähr 30 Prozent. Am Ende einer rasanten Aufholjagd kamen die Sozialdemokraten mit 25,7 Prozent knapp vor der Union ins Ziel.

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