Wahlprogramme: Zwischen »Zaubertrank« und »Museum«

Grüne, CDU/CSU und SPD stellen Wahlprogramme vor

Der echte Habeck kann nicht an jedem Küchentisch sein.
Der echte Habeck kann nicht an jedem Küchentisch sein.

Von ihrer Küchentisch-Kampagne sind die Grünen offenbar sehr überzeugt. Zu Beginn der Vorstellung ihres Wahlprogrammentwurfs – beschlossen wird das Programm erst bei einem Parteitag im Januar – wird ein Zusammenschnitt der bisherigen Küchentischgespräche gezeigt. Auffällig: Grünen-Spitzenpolitiker*innen wie Annalena Baerbock und das neue Vorstandsduo Franziska Brandner und Felix Banaszak sind zwar in Bildern zu sehen, zu Wort kommen aber nur Menschen, die sich mit Robert Habeck getroffen haben und ihn loben. Der Wirtschaftsminister ist es dann auch, der auf der Bühne vorn steht und mit den Erfahrungen vom Küchentisch einleitet. Der »Alltag« der Menschen sei wichtig, sich selbst wolle man »als normale Menschen des Landes« sehen.

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»Deutschland ist kein Museum«

Von dem, was die Menschen berichteten, sei auch das Programm beeinflusst, erklärt Habeck. Deswegen entspreche manches auf den ersten Blick auch nicht dem grünen »Kern«, so der Wirtschaftsminister. Dann zählt er solche Themen auf, von der Führerscheinförderung für Auszubildende bis zur Bekämpfung der »Clan-Kriminalität«. Die Botschaft, die der Kanzlerkandidat der Grünen damit setzt, ist eindeutig: Wir sind offen, nicht ideologisch. Auto fahren und innere Sicherheit, die Grünen sind da ganz undogmatisch. Das Hauptthema des Wahlkampfs der Grünen ist freilich die Modernisierung. Das Land müsse sich verändern, »Deutschland ist kein Museum«, erklärte Habeck. Zentrales Werkzeug für die Modernisierung soll ein Investitionsfonds »gegen bröckelnde Brücken« und für bessere Schulen sein. Finanzieren will die Partei das durch eine Reform der Schuldenbremse, das Schließen von Steuerschlupflöchern und Steuern für »Superreiche«, die den Ausbau im Bildungsbereich mitfinanzieren sollen. CDU/CSU warf Habeck vor, die Ideen aus ihrem Wahlprogramm seien nicht gegenfinanziert.

»Schulden sind kein Zaubertrank«

Bei CDU und CSU, die kurz nach den Grünen ihr Programm mit dem Titel »Politikwechsel für Deutschland« vorstellten, war CSU-Chef Markus Söder für Gegenangriffe auf die Grünen zuständig. Deren Ideen führten zur Deindustrialisierung, seien ein »Morgenthau-Plan für Deutschland«. CDU und CSU hätten ein Programm für ein »neues Wirtschaftswunder« erarbeitet. Auch sei man »pro Kernenergie« und gegen das »Heizgesetz«. In Richtung SPD sagte Söder: »Schulden sind kein Zaubertrank.«

Für den ernsthaften Teil der Programmvorstellung war Friedrich Merz zuständig. Er versprach, dass eine von der Union geführte Bundesregierung »zuverlässig, berechenbar und planbar« arbeiten werde. CDU/CSU würden die Wirtschaft wieder zum Laufen bringen. Für Rentner*innen will Merz die Freibeträge verdoppeln, um das Arbeiten attraktiver zu machen. Das Bürgergeld will der CDU-Chef durch eine Grundsicherung ersetzen, »für diejenigen, die Hilfe wirklich brauchen«. Das Programm der Union führe dazu, dass »die normal verdienende Mitte mehr in der Tasche hat«, so der Sauerländer.

Kritik an den Steuerplänen der Union übt der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken im Bundestag, Christian Görke. Er erklärte, dass 28 Prozent der von der Union versprochenen Steuererleichterungen jenem einen Prozent der Steuerzahler zugutekommen, die die allerhöchsten Einkommen beziehen. Insgesamt 52 Prozent der Steuererleichterungen nutzen den reichsten zehn Prozent. Die untere Hälfte der Einkommensbezieher profitiert dagegen nur zu knapp zwölf Prozent von den Unions-Vorschlägen. Görke verweist auch die von der Union angekündigten Entlastungssummen ins Reich der Utopie. Wenn CDU-Chef Merz die Bürger jedes Jahr um fast 100 Milliarden Euro entlasten wolle, seien das in einer Legislaturperiode knapp 400 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen, also etwa der Bundesetat eines ganzen Jahres. Finanzieren wolle die Union das mit drastischen Kürzungen beim Bürgergeld, aber das werde nicht ausreichen. Hinzukommen müsste Görke zufolge ein jährliches Wirtschaftswachstum von rund zehn Prozent. Derzeit jedoch stagniert die deutsche Wirtschaft. Auch andere Politiker und Experten meinem, dass die Unionsvorschläge nicht seriös gegenfinanziert sind.

Auch die SPD stellte am Dienstag ihr Wahlprogramm vor. Ein zentrales Versprechen: Entlastungen für Arbeitnehmer*innen. Man wolle »Alltagsthemen« angehen, erklärte Saskia Esken und versprach etwa eine Ausweitung des Elterngelds um vier Monate und kostenlose Mittagessen in Schule und Kita. Olaf Scholz versprach eine Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro. Für den Bundeskanzler ist eine stabile Rente »die zentrale Frage, um die es für viele Menschen bei der Bundestagswahl geht«. Die im kommenden Sommer auslaufende Rentengarantie müsse verlängert werden, die Konzepte aller anderen Parteien liefen auf Rentenkürzungen hinaus. Der Noch-Kanzler versprach außerdem eine »moderate Reform der Schuldenbremse« und wiederholte sein »Nein« zu Tauruslieferungen mit den Worten: »Wir stehen für Besonnenheit.«

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