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Für Vielfalt auf dem Essenstisch
Mit Aufforstung und Agrarökologie wird in Zentralamerika dem Klimawandel getrotzt
Wo viele Bäume wachsen, da gibt es Schatten, frische Luft, Wasser und fruchtbare Böden. Die Wurzeln der Bäume schützen vor Erosion und sorgen dafür, dass mehr Regenwasser versickern kann, anstatt sofort an der Oberfläche abzufließen. Das erhöht den Grundwasserspiegel und die Bodenqualität bleibt erhalten. Man sollte meinen, dies wären triftige Gründe, die Wälder zu schützen. Doch in El Salvador breiten sich Zuckerrohr-Plantagen rasant aus, und immer größere Flächen werden abgeholzt. Das verschlimmert die ohnehin extremen Folgen des Klimawandels, mit denen die Menschen dort bereits heute zu kämpfen haben: Zuletzt im Juni 2024 hinterließen Starkniederschläge ein erschütterndes Ausmaß an Zerstörung. Nach einer viel zu langen Trockenzeit, die den Boden austrocknete, folgten sintflutartige Regenfälle, die das Land überschwemmten und zu zahlreichen Erdrutschen führten. Die Regierung erklärte den Notstand.
Der globale Klima-Risiko-Index zeigt, dass Zentralamerika schon heute eine der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Weltregionen ist. Steigende Temperaturen, wiederkehrende Dürren, Überschwemmungen – die INKOTA-Partnerorganisation UNES in El Salvador spricht von einer gravierenden Umweltkrise. Die salvadorianische Regierung hat trotz der Dringlichkeit bis heute keine nachhaltigen Maßnahmen zum Schutz der natürlichen Ressourcen wie Wälder und Wasser entwickelt. Im Gegenteil: Noch immer werden sogar in Quellgebieten Bäume gefällt, und bestehende Waldflächen schrumpfen zunehmend. In der Folge werden Wasserquellen schwächer, manche versiegen sogar vollständig. Große Agrarunternehmen verschlimmern die Situation. Mithilfe immer tieferer Brunnen bewässern sie ihre Plantagen, zum Beispiel für den Anbau von Zuckerrohr. Darunter leiden vor allem Kleinbauernfamilien. Sie sind auf ihre Ernten angewiesen, doch der Zugang zu Wasser wird immer schlechter.
Kleinbauernfamilien wappnen sich gegen den Klimawandel
Umso wichtiger, dass die Kleinbauernfamilien selbst aktiv werden, um in der Klimakrise zu überleben. UNES unterstützt sie dabei mit Wassertanks, Materialien für die Tröpfchenbewässerung der Beete und Schulungen zu agrarökologischem Anbau. Die Erfolge können sich sehen lassen. So haben in den Gemeinden Guisnai, Los Lirios und San Benito 30 Frauen eine Gruppe gegründet, die sich darum kümmert, das knappe Wasser möglichst gut zu nutzen.
Die nd.Soliaktion, die wir gemeinsam mit SODI, INKOTA und Weltfriedensdienst durchführen, ermöglicht Menschen, eine lebenswerte Zukunft selbst zu gestalten. In diesem Jahr widmet sich die Solidaritätskampagne Projekten in Südafrika, Simbabwe sowie in El Salvador und Guatemala (Berichte zu allen Projekten hier). Mit Beträgen von 43 bis 240 Euro unterstützen Sie kleinbäuerliche Familien und Gemeinschaften vor Ort, Methoden zur Anpassung an den Klimawandel zu erlernen und mit traditionellem Wissen zu verbinden, um so ein nachhaltiges Auskommen zu schaffen sowie Armut entgegenzuwirken.
Mit umweltfreundlichem Anbau und unterschiedlichen Pflanzensorten setzen die kleinbäuerlichen Familien auf agrarökologische Produktionskreisläufe. Durch Verzicht auf Kunstdünger und Pestizide schonen sie die Böden, fördern die Artenvielfalt und reduzieren die Kohlenstoffdioxid-Emissionen. Die Bodenfruchtbarkeit bleibt so erhalten. Da verschieden Sorten angebaut werden, sinkt außerdem das Risiko, die gesamte Ernte zu verlieren, wenn das Wetter schwankt. Ein weiteres Ziel dabei ist es, die Ernährung zu verbessern. Auf kleinen Flächen bauen sie möglichst vielfältige Produkte an: Getreide, Hülsenfrüchte, verschiedene Gemüse- und Obstsorten sowie Kräuter. Das Essen wird dadurch vielseitiger, ausgewogener und gesünder.
»Unsere Ernährung hat sich sehr verbessert, da wir jetzt viele verschiedene Sorten ernten! Und mit den Gemüsegärten reicht es für alle. Früher haben wir Frauen immer den Kindern zuerst zu essen gegeben, als Nächstes war der Ehemann an der Reihe. Oft blieb dann für uns Frauen nicht mehr viel zum Essen übrig. Heute achten wir darauf, dass wir alle satt werden«, berichtet María Isabel García, eine der Kleinbäuerinnen der Frauengruppe. »Zudem wissen wir, dass die Pflanze, die wir selbst gesät und hochgezogen haben, gesund und frei von giftigen Chemikalien ist. Ich hätte davor nie gedacht, dass ich in der Lage bin, einen Gemüsegarten mit so vielen verschiedenen Pflanzen anzulegen. Aktuell wachsen bei mir um die 18 Anbaukulturen! Das Schönste an meinem Gemüsegarten ist, dass ich jetzt fast alles, was ich zum Kochen brauche, zu Hause habe und kaum noch einkaufen gehen muss. Es macht mich stolz, selbst etwas verkaufen zu können und ein eigenes Einkommen zu haben!«
Darüber hinaus forsten die Frauen auf: Sie ziehen Bäume in Baumschulen groß, pflanzen die Setzlinge und integrieren die Bäume in ihre Ackerflächen. Damit leisten sie einen wichtigen Beitrag zum Umwelt- und Waldschutz. Hänge können durch Bäume stabilisiert werden, da die Wurzeln Schutz vor Erosion und Erdrutschen bieten. Das wird immer wichtiger, weil Dürren durch die Erderhitzung immer häufiger auftreten.
Obstbäume bereichern mit ihren Früchten die Ernährung
Viele der gepflanzten Bäume sind Obstbäume. Das ist wichtig in einer Region, in der viele Kinder mangelernährt sind. Denn die Früchte der Bäume tragen zu einer vitaminreichen Ernährung bei. Die Kinder freuen sich über die Mangos und Orangen. Das Essen wird vielseitiger.
Gladys Larín ist eine der Bäuerinnen in dem Projekt. Sie hat rund 180 Bäume an einem Hang gepflanzt. Das war sehr mühsam. Während der ersten Trockenzeit schleppte sie jeden Morgen mehrere Stunden Wasser, um Baum für Baum zu versorgen. Mit einer dicken Mulchschicht um die Bäume herum hielt sie den Boden zusätzlich feucht. Doch die Mühe hat sich gelohnt: Jetzt hat sie ein Agroforstsystem aufgebaut. Fast alle Bäume sind mittlerweile gut angewachsen.
»Die Aufforstung kommt der ganzen Gemeinde zugute. Die Bäume sorgen für sauberere Luft, die Bäche werden vorm Austrocknen geschützt. Das hilft uns allen und motiviert mich weiterzumachen! Ich freue mich riesig darauf, wenn die Bäume das erste Mal Früchte tragen. In unserer Gemeinde sind wir heute viel besser organisiert. Wir haben uns durch das Projekt vernetzt und festgestellt, dass andere Familien mit genau denselben Problemen zu kämpfen haben. Gemeinsam mit vereinten Kräften lässt es sich viel besser für eine bessere Zukunft kämpfen.«
Wenn Frauen in El Salvador Obst und Gemüse agrarökologisch anbauen, sich dabei vernetzen, Saatgut teilen und Pflanzen tauschen, können sie sich gegenseitig stärken und ein eigenes Einkommen erwirtschaften. Das hilft gegen Hunger und Armut und stärkt im Überleben mit Wetterextremen. Außerdem werden die Frauen sich ihrer Rechte bewusster und können gemeinsam patriarchale Denkweisen und Strukturen aufbrechen.
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