Wuchermiete im Asylheim

Flüchtlinge mit Arbeitsplatz klagen gegen hohe Gebühren für ihre Unterbringung

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Mehdi Ayardeh (direkt vor dem Eingang) am Donnerstag mit Unterstützern vor dem Verwaltungsgericht
Mehdi Ayardeh (direkt vor dem Eingang) am Donnerstag mit Unterstützern vor dem Verwaltungsgericht

Dilagha S. ist 1996 in Afghanistan geboren. 2015 flüchtete er nach Deutschland und wurde in einem Asylheim in Bärenklau untergebracht. 2016 fand S. einen Job in einer Reinigungsfirma und verdiente damit 1600 Euro brutto im Monat. Daraufhin wollte der Landkreis Oberhavel ab 2018 eine monatliche Gebühr von 288,43 Euro für die Unterkunft in Bärenklau von ihm. Dabei lebt S. dort mit drei anderen Flüchtlingen auf nur 19,4 Quadratmetern. Sie schlafen in Doppelstockbetten.

Für seine Rechtsanwältin Anja Lederer ist das eine »Wuchermiete«. Dem Mietspiegel für die Stadt Hennigsdorf zufolge wären 154 Euro angemessen gewesen. Die Klage gegen die geforderte Summe wird am Donnerstag vor dem Verwaltungsgericht Potsdam verhandelt. Eine Entscheidung will Richter Reiner Roeling später treffen. Es sieht aber nicht danach aus, dass die Sache zugunsten von S. ausgeht.

»Es gibt keine Vergleichbarkeit mit der normalen Mietsituation. Das gibt es einfach nicht«, bedauert Roeling. Er erläutert, die Landkreise würden insgesamt keinen Gewinn mit der Unterbringung der Asylbewerber machen, sondern draufzahlen. Es gebe Kosten, beispielsweise für den Wachschutz, die bei einer Mietwohnung nicht anfallen.

Verständnis für die Lage der Betroffenen zeigt er durchaus. »Das weiß ich alles«, sagt Roeling immer wieder. Er führt die Verhandlung locker und lässt sich sogar auf ein Zwiegespräch mit Simone Tetzlaff vom Flüchtlingsrat Brandenburg ein, die auf den Zuschauerplätzen sitzt. Jeder andere Richter würde sich Einwürfe verbitten, er weist nur kurz darauf hin, dass es eigentlich nicht zulässig sei.

Mit dem Fall von S. wird auch der von Mehdi Ayardeh verhandelt, der 1981 im Iran zur Welt kam und 2015 in das Asylheim von Bärenklau kam. Ayardeh arbeitete seit 2016 für verschiedene Elektrofirmen und kümmerte sich dabei unter anderem um den Schutz von Solaranlagen vor Blitzeinschlag. 1663 Euro im Monat verdiente er anfangs damit. 2022 fand er endlich eine Wohnung in Hennigsdorf und konnte aus dem Asylheim ausziehen. Mittlerweile ist er auch eingebürgert.

Doch seine Klage gegen die als Gebühren bezeichnete Miete für seinen Platz im Asylheim ist noch offen. Auch er sollte 288,42 Euro monatlich berappen. Ayardeh findet es völlig in Ordnung, etwas zu bezahlen, wo er doch Arbeit hatte. So sehen das auch andere Flüchtlinge. Aber 288 Euro seien einfach zu viel gewesen. In seiner Branche werden heute mindestens 15 Euro Stundenlohn bezahlt, oft sogar 17 oder 20 Euro – da wäre das kein Problem mehr für ihn, schildert Ayardeh am Donnerstag vor Gericht. Doch damals habe er lediglich 10 Euro die Stunde verdient, und da sei das Geld knapp gewesen.

Davon abgesehen berichtet Ayardeh, dass er sich ein 15 Quadratmeter großes Zimmer mit einem ihm völlig fremden Syrer teilte, der nicht arbeitete und lange wach blieb. Ayardeh hingegen musste ausgeruht zur Arbeit erscheinen und deshalb früh schlafen gehen. Besuch war nur von 8 bis 22 Uhr erlaubt, eigene Möbel durfte er sich nicht ins Zimmer stellen. Für seine Rechtsanwältin Lederer besteht da ein Missverhältnis zwischen der verlangten Gebühr und der erbrachten Leistung.

Lederer erinnert an einen Fall, in dem ein privater Vermieter, der 50 Prozent mehr als die ortsübliche Vergleichsmiete genommen habe, zu fast drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden sei – obwohl er nachweisen konnte, damit keinen Gewinn gemacht zu haben, weil er selbst für die Immobilie viel zu viel Geld bezahlte. Aber der Staat solle bei Asylheimen problemlos damit durchkommen?

»Es ist so, auch wenn Ihnen das nicht gefällt«, antwortet der Richter. Nach seiner Übersicht haben sich Oberverwaltungsgericht und Bundesverwaltungsgericht bereits mit der Gebührensatzung des Landkreises befasst und sie nicht beanstandet. »Da ich nicht schlauer bin als ein Oberverwaltungsgericht und ein Bundesverwaltungsgericht, müssten Sie mich jetzt überzeugen, warum ich es anders sehen sollte.«

Es ist am Donnerstag offensichtlich, dass Anwältin Lederer dies nicht gelingt, so sehr sie sich auch bemüht, den Richter darauf hinzuweisen, dass er noch einmal genauer hinschauen sollte. Lederer macht sich da selbst keine Illusionen. Es gibt auch noch andere Klagen von Flüchtlingen, über die nun vielleicht ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.

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