- Politik
- Kabinett Bayrou
Frankreich: Noch mal von vorn an der Seine
Frankreichs neue Regierung unter François Bayrou hat nicht mehr Zukunft als die seines Vorgängers
Obwohl sich unvorhergesehene Probleme ergaben, hat François Bayrou seine Zusage pünktlich eingehalten, und am Abend des 23. Dezember verkündete der Generalsekretär des Élysée die vom Premier vorgeschlagene und vom Präsidenten gebilligte Ministerliste.
Von den 35 Mitgliedern seines Kabinetts gehörten 19 bereits zur vorangegangenen Regierung unter Michel Barnier. Zwei waren sogar einmal selbst Regierungschef gewesen – Manuel Valls von März 2014 bis Dezember 2016 unter dem Sozialisten François Hollande und Elisabeth Borne von Mai 2022 bis Januar 2024 unter dem aktuellen Präsidenten Emmanuel Macron.
Bayrou hatte sich vorgenommen, je ein Drittel seiner Minister aus dem Lager um den Präsidenten, aus der rechtsbürgerlichen Oppositionspartei der Republikaner und von den Linken zu holen. Beim Regierungslager gab es die wenigsten Probleme, aber schon bei den Republikanern winkten zwei der wichtigsten Kandidaten ab.
Der Ratspräsident der Region Auvergne-Rhône-Alpes, Laurent Wauquiez, gab dem Premier einen Korb, weil er das Wirtschafts- und Finanzministerium wollte und nicht bekam, und der Ratspräsident der Region Haut de France, Xavier Bertrand, weil er die Regierung als dem rechtsextremen Rassemblement National (RN) ausgeliefert ansieht, das er als seinen Erzfeind betrachtet.
Tatsächlich ist die Regierung Bayrou genauso von Marine Le Pen abhängig wie zuvor das Kabinett Barnier. Wie seinerzeit hat die RN-Fraktionsvorsitzende auch jetzt wieder angekündigt, ihre Partei werde die Regierung dulden, solange sie Maßnahmen zugunsten der Kaufkraft der Masse der Franzosen sowie gegen illegale Einwanderung und für mehr innere Sicherheit beschließt. Somit ist bereits absehbar, dass auch das Kabinett Bayrou von einem Tag auf den anderen gestürzt wird, wenn es dem RN beliebt.
»An der Macht ist die reaktionäre Rechte, die sich wiederum am Gängelband der extremen Rechten befindet.«
Olivier Faure Vorsitzender der Sozialisten
Das rechtsextreme Bündnis hat zusammen mit der kämpferisch-linken Bewegung La France insoumise (LFI) die nötige Mehrheit dafür. LFI-Gründer Jean-Luc Mélenchon macht keinen Hehl daraus, dass LFI und darüber hinaus die linke Parteienallianz Neue Volksfront den Sturz jeder Regierung unterstützen wird, die nicht von einem der Ihren geleitet wird. Darauf erhebt die Linke seit ihrem rein zahlenmäßigen Sieg bei den Parlamentswahlen vom vergangenen Juli Anspruch.
Dem entzieht sich Präsident Macron, doch dessen Argument, dass sie nie die zum Regieren nötige Mehrheit im Parlament finden würden, lassen die Linken nicht gelten. Bestärkt werden sie durch die gegenwärtige vergebliche Suche des Präsidenten und seiner rechten Partner nach einer regierungsfähigen Koalition.
Macrons Versuche, vom Präsidentschaftswahlkampf 2017 an die Teilung der politischen Landschaft in rechts und links über Bord zu werfen und sich auf ein breites Bündnis zu stützen, hatten nur anfangs Erfolg und haben sich auf die Dauer nicht bewährt. Übrigens soll ihm die Idee für das »Nicht-rechts-nicht-links«-Konzept seinerzeit François Bayrou nahegebracht haben.
Dieser hatte jetzt bei der Suche nach linken Partnern kaum Erfolg. Nur Manuel Valls, der ehemalige Innenminister und Premier, und der Bürgermeister von Dijon, François Rebsamen, ließen sich anwerben. Doch beide sind bereits vor Jahren aus der Sozialistischen Partei ausgetreten und als repräsentative und einflussreiche Linkspolitiker können sie längst nicht mehr gelten.
Die LFI-Fraktionsvorsitzende Mathilde Panot urteilt: »Diese Regierung besteht fast nur aus Leuten, die von den Wählern abgestraft wurden und die ihren Anteil daran haben, dass das Schiff Frankreich am Sinken ist.« Der PS-Parteivorsitzende Olivier Faure meint kühl: »Das ist keine handlungsfähige Regierung, sondern eine Provokation. An der Macht ist die reaktionäre Rechte, die sich wiederum am Gängelband der extremen Rechten befindet.«
Über den neuen Minister und Ex-Sozialisten Manuel Valls sagt er: »Er stand schon weit rechts, als er dem Parteibuch nach noch Sozialist war. Ihn als Vertreter der Linken in einer Koalitionsregierung zu bezeichnen, ist ein Hohn. Valls hat keine Überzeugungen, sondern nur persönliche Ambitionen.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.