Polens EU-Präsidentschaft: Vom Regen in die Traufe

Die polnische Ratspräsidentschaft ist für die EU pflegeleichter als die ungarische, meint Uwe Sattler. Sie könnte aber gefährlicher sein.

Polen – Polens EU-Präsidentschaft: Vom Regen in die Traufe

Die halbjährliche Ratspräsidentschaft der Europäischen Union ist eine treffliche Gelegenheit für Staaten, Regierungen und Autokraten, der »Gemeinschaft« ihre Agenda aufzudrücken und sich selbst auf dem EU-Ticket zu profilieren. Ungarns Staatschef Viktor Orbán hat dies in den vergangenen sechs Monaten nahezu zur Perfektion getrieben – und unter anderem mit seinem Besuch beim geächteten russischen Präsidenten und in Peking zumindest halbherzigen Protest seiner Amtskolleg*innen hervorgerufen. Praktisch komplett geschwiegen haben letztere freilich zur brachialen Verletzung demokratischer Grundrechte in Ungarn. Vermutlich weil Ratspräsident Orbán ohnehin am längeren Hebel saß und mit seinen osteuropäischen Unterstützern in dem Gremium wirksame Strafmaßnahmen gegen die Verletzung von EU-Werten verhindert hätte.

Die polnische Ratspräsidentschaft ab Januar wird zwar für die EU pflegeleichter. War Donald Tusk doch jahrelang Spitzenbeamter in Brüssel und nach seiner Wahl 2023 zum Premier mit reichlich europäischen Vorschusslorbeeren behangen worden. Die Agenda des Vorzeigeeuropäers allerdings verheißt nicht weniger Schlechtes für Europa als die Ära Orbán, nur in anderer Richtung. Denn Tusk will den Kampf gegen den Erzfeind an der Moskwa vergemeinschaften. Warschau hat »umfassende Sicherheit« zum zentralen Thema seiner Ratspräsidentschaft erklärt – und meint damit nicht diplomatische Initiativen zur Beilegung des Aggressionskriegs in seinem Nachbarland Ukraine, sondern vor allem Drohgebärden gegenüber Moskau und Aufrüstung. Bereits in diesem Jahr gibt Polen über vier Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung aus, 2025 sollen es fast fünf Prozent sein. Den ab Januar regierenden US-Präsident Trump wird es freuen, hatte dieser doch von den Europäern deutlich mehr Rüstungsausgaben gefordert als die in der Nato vereinbarten zwei Prozent.

Ohnehin wird der Wechsel im Weißen Haus auch die polnische Ratspräsidentschaft prägen. Warschau unterhält traditionell gute Beziehungen zu Washington, was die militärische Komponente ausdrücklich einschließt. Tusk hat den Brückenschlag über den Atlantik trotz der Anfeindungen Trumps gegenüber Europa zu einer seiner Prioritäten erklärt. Für die dringend notwendige Abnabelung der EU von Washington bedeutet das ebenso wenig Gutes wie für ein Ende des Sterbens in der Ukraine.

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