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Prenzlauer Berg: »Hoolywood« macht zu
Nach 30 Jahren in Prenzlauer Berg schließt der Laden für linksradikale Kultur
»Den Döner nebenan gibt’s schon immer. Aber plötzlich über Nacht soll das der beste Döner aller Zeiten sein, und alle stehen eine halbe Stunde an und fotografieren sich davor«, erzählt Sven Friedrich. Friedrich ist der Besitzer des »Hoolywood«, nahe dem Bahnhof Eberswalder Straße in der Schönhauser Allee 44 im Herzen Prenzlauer Bergs. Sein Bekleidungsgeschäft hat er dort 30 Jahre lang betrieben. »Antirassistisch-erlebnisorientiert« kauft(e) hier ein, wer auf Demo, im Alltag oder im gentrifizierten Prenzlauer Berg zeigen will: Ich bin gegen das herrschende kapitalistische System.
»Gegenwear« steht auf dem Schild unter dem Hoolywood-Logo – also Kleidung, die dagegen ist. Friedrich mag Wortspiele aus englischen und deutschen Begriffen, darum heißt sein Online-Shop auch »Internetzladen.« Was Friedrich außerdem mag, ist Fußball, »Marxismus-Hooliganismus« und britische Bekleidungsmarken wie Lonsdale oder Fred Perry, deren Klamotten es noch bis zum 31. Dezember zu vergünstigten Preisen im »Hoolywood« zu ergattern gibt. Danach nur noch online.
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Friedrich stammt aus der DDR, hat Punk-Konzerte in der Zionskirche erlebt und kennt ein Prenzlauer Berg mit besetzten Wohnhäusern. Nach der Wende hatte er Lust, ein Bekleidungsgeschäft mit Marken mit »Bezug zur Arbeiterklasse« zu betreiben, wie er sagt. Auch aus ökologischen Gründen habe er Wert darauf gelegt, dass die Sachen zeitlos sind und man nicht ständig etwas Neues kaufen muss. In den ersten Jahren habe Friedrich sich viel gegen rechts abgrenzen müssen. »Das war ’ne krasse Zeit. Da wurden Interviews mit mir so zusammengeschnitten, dass man nicht wusste, wo der Laden steht«, erzählt er über die Berichterstattung der 90er und frühen 2000er.
Inzwischen habe Friedrich schon die vierte Generation Linksradikaler im Laden erlebt. »Dann denk ich, der P-Berg ist doch nicht ganz verloren«, sagt er. Als die kurzfristige Kündigung vom Vermieter vor wenigen Monaten bei ihm ankam, hatte er keine Lust, sie anzufechten. Zum einen, weil die Staffelmietpreise immer weiter stiegen. Zum anderen, weil ihm der Spaß in der »Fressmeile«, wie er die Schönhauser Allee nennt, verloren gehe. Die bürokratischen Anforderungen steigen, sagt Friedrich, genauso wie die Energie- und Mietpreise. Seit der Corona-Pandemie habe er den Laden ohne Hilfe von Freund*innen nicht aufrechterhalten können – statt Festangestellter konnte er nur noch Minijobber*innen beschäftigen.
»Ich wollte Marken mit Bezug zur Arbeiterklasse verkaufen, die zeitlos sind.«
Sven Friedrich Hoolywood-Betreiber
Während der Corona-Pandemie starb Daniel, der zehn Jahre lang im »Hoolywood« gearbeitet hatte. »An dem Abend war die ganze Straße voll mit Kerzen«, sagt Friedrich. Da sei ihm noch mal bewusst geworden, wie identitätsstiftend das »Hoolywood« und seine Leute für den Kiez seien.
Zu den Highlights im »Hoolywood« gehörte der sommerliche »Hool-Pool«, ein kleines Schwimmbecken vor dem Geschäft. »Wo konnte man mitten auf der Schönhauser Flaniermeile noch baden gehen?«, fragt er und lächelt. Friedrich erinnert sich auch gern an verschiedenste Veranstaltungen im Laden – zum Beispiel die Buchvorstellung von DDR-Fußballspieler Reinhard Lauck, der beim BFC Dynamo spielte.
Gern würde Friedrich das »Hoolywood« in der Nähe des Ernst-Thälmann-Parks wiedereröffnen. Den Park am S-Bahnhof Greifswalder Straße könne man gut finden, sagt er. »Die Person ist ja recht umstritten, immer wieder gibt’s Versuche, das Denkmal abzureißen.« Das Thälmann-Denkmal findet sich auch auf verschiedensten Shirts, die es im »Hoolywood« zu kaufen gibt. Zum allerletzten Mal zum Anprobieren dann Silvester – »wir legen mit Platten auf«, erzählt Sven Friedrich über die letzte Party im »Hoolywood«.
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