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Israel lässt Deutsche nicht aus Gaza ausreisen

Generalbundesanwalt ermittelt trotz Völkerrechtsverbrechen nicht zu getöteten Staatsangehörigen

Auf israelischer Seite der Grenze ist die Zerstörung des Gazastreifens ein Schauspiel, für die Eingesperrten aber eine Hölle.
Auf israelischer Seite der Grenze ist die Zerstörung des Gazastreifens ein Schauspiel, für die Eingesperrten aber eine Hölle.

Seit dem Angriff palästinensischer Gruppen auf Israel am 7. Oktober 2023 und Israels anschließendem Krieg hat die Bundesregierung die Ausreise von 452 Deutschen aus dem Gazastreifen »erfolgreich unterstützt«. Derzeit halten sich dort aber noch 48 ihrer Staatsangehörigen auf, berichtet die Bundesregierung in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linke-Gruppe im Bundestag. Mindestens vier Männern haben israelische Behörden demnach die Ausreise verweigert. Einer ungenannten Zahl an Deutschen sei es trotz Vorliegens einer Erlaubnis wegen der Schließung der Grenzen seit Anfang Mai 2024 außerdem »faktisch nicht möglich« gewesen, den Gazastreifen zu verlassen. Mittlerweile ist ihre Freigabe auch abgelaufen.

Unter anderem habe die Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne), der Nahostbeauftragte der Bundesregierung Tobias Tunkel sowie die »Leitungsebenen« von Auswärtigem Amt und Bundeskanzleramt auf Ausreise »für die im Gazastreifen aufhältigen deutschen Staatsangehörigen« gedrungen. Die Bemühungen würden fortgesetzt.

In der Anfrage hatte sich die Linke-Gruppe auch nach verletzten Deutschen erkundigt. Die Bundesregierung führe dazu keine Statistik, so die Antwort. »Aufgrund der weitestgehenden Abwesenheit staatlicher Strukturen im Gazastreifen« sei es auch nicht möglich, Informationen einzuholen. Bekannt sei dem Auswärtigen Amt aber, dass »eine einstellige Zahl deutscher Staatsangehöriger durch die Kämpfe im Gazastreifen getötet wurde«. Gesicherte Erkenntnisse, etwa in der Form von Sterbeurkunden oder amtlichen Mitteilungen, liegen ihr nicht vor.

Medienberichten zufolge hat Israels Verteidigungsministerium nach dem 7. Oktober 2023 erlaubt, bis zu 20 Zivilist*innen als Kollateralschaden für getötete niedrigrangige Hamas-Mitglieder zu tolerieren – bei Kommandeuren soll dieser Wert sogar bei bis zu 200 liegen. Auch deutsch-palästinensische Staatsangehörige wurden Opfer derartiger Vergeltungsaktionen. Unter ihnen war am 25. Oktober 2023 die Familie von Youssef Abujadallah im Geflüchtetenlager Nuseirat. Kurz vor dem Antritt einer Stelle auf einer Dortmunder Intensivstation wollte der Arzt mit seiner Frau und den vier Kindern seine Eltern und Geschwister besuchen, konnte jedoch nicht wieder ausreisen.

Gezielte Angriffe auf die Zivilbevölkerung sind nach internationalen Konventionen ein Kriegsverbrechen. Trotzdem hat der Generalbundesanwalt (GBA) in keinem Fall Ermittlungen aufgenommen. »Es besteht kein Anfangsverdacht für eine der Verfolgungszuständigkeit des GBA unterfallende Straftat«, erklärt das Auswärtige Amt. Deutsche Ermittlungen zu Völkerstraftaten erfolgen selektiv, kritisiert dazu das in Berlin ansässige European Center for Constitutional and Human Rights. Partnerländer wie die USA, die Türkei oder Israel würden nicht behelligt.

Ähnlich äußert sich die Linke-Politikerin Clara Bünger: »Mit ihrer Ignoranz in Bezug auf israelische Kriegsverbrechen fügt die Bundesregierung dem Völkerrecht insgesamt einen großen Schaden zu«. Dass nur gegen Tatverdächtige aus »verfeindeten Staaten« wie Russland oder Syrien unter Assad ermittelt werde, von »befreundeten Staaten« begangene Taten aber übersehen würden, widerspreche dem Prinzip der Gleichheit vor dem Recht, kritisiert Bünger gegenüber »nd«.

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