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Toxische Männlichkeit: Die gute alte Arschlöchigkeit
Männer wie Olaf Scholz sind auch deshalb an der Macht, weil sich Frauen von ihnen zu viel gefallen lassen.
Was hat Paula Piechotta doch für einen Ärger bekommen für ihren Satz, jeder in der SPD wisse, dass Olaf Scholz ein Arschloch sei. Die Behauptung, er sei ein unterdurchschnittlich guter Regierungschef, der überproportional viel in Europa kaputt gemacht habe, blieb hingegen unwidersprochen. Der zweite Teil der Aussage steht auch in jedem Feuilleton und den ersten sieht nur einer anders: Scholz. Interessant ist, dass sich Piechotta bei ihrem Arschloch-Votum auf Gespräche mit Kolleginnen und Kollegen aus der SPD bezog. Und deren Votum dürfte sich weniger damit begründen, dass der Herr Bundeskanzler minderheitenfeindliche Witze erzählen oder seinem Gesundheitsminister eine Prise Salz ins Essen streuen würde.
Eher dürfte es um die gute alte Arschlöchigkeit gehen. Zuweilen scheinen Männer nur diese Charaktereigenschaft beherrschen zu müssen, um zu Macht zu gelangen. Jene toxische Mixtur aus Erpressung, Günstlingswirtschaft und einer gehörigen Portion Rücksichtslosigkeit, die man Menschen im Privatleben nicht durchgehen lässt, die aber im politischen Berlin als Ausweis von Professionalität gelten. Wer die Bilder vor Augen hat, wie Scholz Saskia Esken gleich zweimal wie ein lästiges Kleinkind stehen lässt, ahnt, dass er das zuvor schon öfter getan hat. Dass auch Rolf Mützenich, der danebenstand, nicht eingeschritten ist, als seine Parteifreundin gedemütigt wurde, sagt ebenfalls einiges übers sozialdemokratische Machtzentrum aus.
Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.
In den wundgeschossenen Trümmern der SPD-Konkursverwalter herrschen fast ausschließlich höchst durchschnittliche Männer. Wie viel Macht Esken – formal immerhin eine der beiden Vorsitzenden – hat, ist nun vor aller Augen klar geworden. Um Manuela Schwesig ist es still geworden. Svenja Schulze, die eine respektable Umweltministerin war (und genau deshalb scheitern musste) wurde auf ein weniger beachtetes Ministerium abgeschoben. Hingegen ist Nancy Faeser zugegebenermaßen kein Argument für die These, dass Frauen generell bessere Politik machen. Gut möglich, dass Scholz ihr genau deshalb ein wichtiges Ministerium gegeben hat.
Mit starken Frauen hat er schließlich ganz erkennbar ein Problem. Überhaupt lässt sich die nur noch mit Fremd-Schamesröte zu beobachtende Selbstverzwergung der SPD nicht zuletzt daran erkennen, welche Rolle Frauen in ihr spielen: keine erwähnenswerte. Und das in einer Partei, die im Gegensatz zur Union schon früh – seit 1988 – eine Quote hatte.
Die Herrschaft der grauen Herren begründet sich allerdings nicht nur durch deren Winkelzüge. Arschlöcher können nur so lange Arschlöcher bleiben, wie sich Frauen das auch gefallen lassen. Nach dem demütigenden Affront hätte sich Esken nicht dazu bereit erklären müssen, für ein peinliches Foto mit Scholz zu posieren, in dem der so tut (»Peinlich von mir – zum Glück konnten wir beide drüber lachen …«), als sei nichts passiert. Genauso wenig wie eine Basis hinnehmen muss, dass ein Funktionär, der ihrer Partei in zwei Monaten das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte bescheren wird, die Vorsitzende demütigt, die sie selbst gewählt hat. Zur Erinnerung: 2019 wählte die SPD-Basis das Duo Esken/Norbert Walter-Borjans zu ihren Vorsitzenden, auf Platz zwei landeten Klara Geywitz – und Scholz.
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