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Finanzbranche gibt Millionen für Lobbyismus in Politik aus
Auswertung des Lobbyregisters zeigt, wer im Bundestag am stärksten Politik beeinflusst
Berlin. Banken, Versicherungen und Fondsindustrie geben Millionenbeträge aus, um mit Hunderten Lobbyisten Einfluss auf Gesetze im Bundestag zu nehmen. Nach einer Auswertung der Bürgerbewegung Finanzwende ist keine andere Branche unter den 100 finanzstärksten Lobbyakteuren so stark vertreten wie die Finanzbranche. Das gehe aus dem öffentlich einsehbaren Lobbyregister des Bundestags hervor, teilte der Verein am Freitag mit.
Demnach sind zehn der 100 Top-Lobbyakteure Banken, Versicherungsunternehmen und Investmentgesellschaften. Zusammen kämen sie auf jährliche Lobbyausgaben von fast 40 Millionen Euro und 442 namentlich im Register genannte Lobbyistinnen und Lobbyisten. Die in Deutschland traditionell starke Autolobby sei dagegen nur mit sechs Einträgen und einem Lobbybudget von knapp 18 Millionen Euro unter den Top 100 vertreten, die Chemielobby mit fünf Einträgen und rund 21 Millionen Euro Ausgaben für Kontaktpflege und Einflussnahme auf die Politik.
Neue Regeln fürs Lobbyregister
Das Lobbyregister wird seit 2022 auf der Internetseite des Deutschen Bundestags geführt. Es soll sichtbar machen, wer Einfluss auf politische Entscheidungen und die Gesetzgebung nimmt. Professionelle Interessenvertreter müssen sich dort eintragen. Sie müssen Angaben unter anderem über ihre Auftraggeber und Themenfelder sowie zum personellen und finanziellen Aufwand für ihre Tätigkeit bei Bundestag und Bundesregierung machen. Sie sind verpflichtet, einen Verhaltenskodex zu beachten.
Seit März 2024 müssen sie auch angeben, auf welches konkrete Gesetzgebungsvorhaben sie Einfluss nehmen wollen. Außerdem sollen sie Kernpunkte ihrer Forderungen im Register hochladen. Sie müssen nun auch angeben, wenn sie nicht die Interessen ihres eigentlichen Auftraggebers vertreten, sondern die einer dritten Seite. Und wenn Mandats- und Amtsträger ins Lager der Lobbyisten wechseln, müssen sie aktuelle und frühere Ämter und Mandate offenlegen.
Finanzwende lobt Transparenzgewinn
Aktuell sind fast 6000 Unternehmen, Verbände, Organisationen, Netzwerke, Einzelpersonen und andere im Register angemeldet. Die Zahl der benannten Beschäftigten, die die Interessenvertretung unmittelbar ausüben, liegt bei mehr als 27 000. Die Verschärfung der Anzeigepflichten habe zu einem »massiven Transparenzgewinn« geführt, erklärte Finanzwende. »Durch das verbesserte Lobbyregister wird endlich mehr von dem sichtbar, was früher im Verborgenen stattfand. Wir sehen die Bandbreite der Einflussnahme durch die Finanzlobby und leider auch, wie erfolgreich sie ist«, sagte Geschäftsführer Daniel Mittler. Als Beispiel nannte er »den Ausverkauf von Arztpraxen an Finanzinvestoren«.
»Die Kombination aus den neu enthaltenen Informationen rund um Seitenwechsler*innen, geflossene Gelder und bearbeitete Themen hilft uns dabei, Regierende und Parlamente zur Verantwortung zu ziehen. Das verschärfte Lobbyregister markiert somit einen wichtigen Schritt in Sachen Lobbytransparenz.«
Daniel Mittler Geschäftsführer von Finanzwende
Auch bestimmte Seitenwechsel von der Politik in die Finanzlobby seien jetzt sichtbarer, so Mittler. Lobbyisten müssen nun angeben, ob sie in den letzten fünf Jahren im Bundestag, in der Regierung oder der Bundesverwaltung tätig waren. Bekannte Ex-Politiker oder Mitarbeiter von Abgeordneten sind mit ihrem Insiderwissen über die Abläufe in Ministerien und Bundestag für die Finanzlobby Gold wert.
Kritik an »Dauerberieselung«
Spitzenreiter bei den Lobbyausgaben ist der Auswertung zufolge weiterhin der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). »Niemand gibt über alle Branchen hinweg mehr Geld für die Beeinflussung von Bundestag und Bundesregierung aus als die Dachorganisation der Versicherer«, heißt es bei Finanzwende. Der Verband vertritt die Interessen von Versicherungsunternehmen und investiert dafür jährlich rund 15 Millionen Euro. 93 namentlich genannte Lobbyisten zogen für den GDV die Strippen und beteiligten sich von März bis November an der Erarbeitung von 86 Gesetzen und Verordnungen. Im Ranking folgten dem GDV Bundesverbände von Privatbanken, Volksbanken und Sparkassen sowie die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersvorsorge.
»Wer über so viele Ressourcen verfügt wie die Finanzlobby, kann Dutzende politische Prozesse gleichzeitig begleiten. Im Lobbyregister ist die Dauerberieselung von Abgeordneten zu sehen«, erklärte Mittler. »Es ist völlig klar, dass zivilgesellschaftliche Organisationen einen vergleichbaren Aufwand nicht betreiben können.« Auch die Bürgerbewegung Finanzwende, die die Lobbyarbeit der Branche auswertete, ist im Register als Lobbyist eingetragen. Angegeben sind ein Budget von 130 000 bis 140 000 Euro und zwölf Interessenvertreter. Finanzwende schrieb demnach Stellungnahmen bei drei politischen Vorhaben, unter anderem zur Kapitalmarktunion.
Einschränkung durch Transparenz
Finanzwende hat mit dem aktuellen Bericht zum dritten Mal in Folge eine Auswertung des Lobbyregisters veröffentlicht. Der Verein forderte, die Macht der Finanzlobby durch mehr Transparenz zu beschränken. Erforderlich sei neben Offenlegungspflichten zu Lobbytreffen ein »umfänglicher legislativer Fußabdruck«. Denn der sogenannte exekutive Fußabdruck, der die Bundesregierung seit Juni 2024 verpflichtet, in der Begründung zu Gesetzen deutlich zu machen, wenn Interessensvertreter wesentlichen Einfluss darauf nahmen, zeige bisher kaum Wirkung. »Viele Gesetzesentwürfe erwähnen den Fußabdruck nicht einmal.«
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Aus Sicht von Finanzwende sind die neu verfügbaren Informationen im Register dennoch ein »wichtiger Schritt in Sachen Lobbytransparenz«. Mittler betonte, sie würden dabei helfen, »Regierende und Parlamente zur Verantwortung zu ziehen«.
Die Ko-Vorsitzende der Linken, Ines Schwerdtner, forderte mit Blick auf die Veröffentlichung weitreichende Konsequenzen. »Es genügt nicht, den Einfluss der Finanzwirtschaft auf die Gesetzgebung transparent zu machen – wir müssen den Einfluss der Finanzlobby auf die Politik beenden.« Wer mit Politikern reden wolle, dürfe nicht mit »Geld, Leihbeamten und Anschlussverwendungen kommen«. Wenn allein die Versicherungswirtschaft 15 Millionen Euro für die Beeinflussung von Politikern ausgebe, sei »klar, dass dabei keine bürgerfreundlichen Gesetze herauskommen«, so Schwerdtner. »Dann wundert es nicht, wenn Renten an die Börse verschoben werden und private Krankenkassen weiter auf Kosten der gesetzlichen Gewinne machen dürfen.« nd/Agenturen
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