- Politik
- Kriegsverbrechen in Gaza
Israel warnt Soldaten vor Auslandsreisen
Mehrere Staaten erlassen wegen Beteiligung an Kriegsverbrechen Haftbefehle
Die israelische Armee hat ihre Soldat*innen vor Freizeitreisen ins Ausland gewarnt, da ihnen in einigen Staaten Verhaftungen wegen Beteiligung an Kriegsverbrechen in Gaza drohen könnten. Die Maßnahme folgt auf den Fall eines Reservisten, der aus diesem Grund aus Brasilien geflohen war.
Einen ähnlichen Fall gibt es in Chile, wo laut Medienberichten 620 Anwält*innen die Verhaftung eines aus dem Militärdienst entlassenen und in Südamerika reisenden Israeli fordern. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord im Gaza-Krieg vorgeworfen. Als Soldat soll der Mann Wohngebiete, Kulturgüter und lebenswichtige Einrichtungen in Gaza gezielt zerstört sowie ethnische Säuberungen und Zwangsvertreibungen durchgeführt haben. Auch in Sri Lanka rief eine palästinensische Organisation im Dezember zur Verhaftung eines israelischen Soldaten auf, der daraufhin umgehend mithilfe israelischer Behörden außer Landes gebracht wurde.
Mit den in Rede stehenden Verbrechen brüsten sich die Militärs regelmäßig auf ihren privaten Accounts in sozialen Medien. Anwalts- und Menschenrechtsorganisationen werten diese Postings aus. Zu ihnen gehört die belgische Hind Rajab Foundation (HRF), die auch den Haftbefehl gegen den Soldaten in Brasilien initiiert hat. Laut israelischen Medien soll die Stiftung dazu umfangreiches Beweismaterial, darunter Videos, Geodaten und Material aus offenen Quellen im Internet präsentiert haben, die eine Beteiligung des Mannes an Zerstörungen in Gaza belegen sollen. Dass seine Flucht aus Brasilien offenbar mit Unterstützung israelischer Behörden erfolgte, wird von der HRF als Behinderung der brasilianischen Justiz scharf kritisiert.
Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtet, dass auch Menschenrechtsorganisationen in Israel Beweismaterial im Internet sammeln. Weil die Luft für die betroffenen Soldat*innen deshalb dünner wird, bereitet die Regierung laut der israelischen Zeitung »Haaretz« Maßnahmen vor, um im Falle weiterer Verhaftungen im Ausland schneller reagieren zu können. Dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit Anwaltskanzleien in den betroffenen Ländern.
Eine Arbeitsgruppe aus Angehörigen der Militärjustiz, des Außenministeriums, des Nationalen Sicherheitsrats und des Inlandsgeheimdienstes Shin Bet soll jetzt das Risiko in verschiedenen Staaten analysieren. Dem Haaretz-Bericht zufolge sind besonders Reservist*innen betroffen, da reguläre Soldat*innen nicht ohne vorherige Genehmigung ins Ausland reisen dürfen. Offiziere seien besonders von einer Verhaftung gefährdet, schreibt dazu die israelische Zeitung »Ynet« in einer Art Betroffenen-Ratgeber, da sie mit Entscheidungen wie Zielauswahl verknüpft seien. Aktive oder frühere Militärangehörige sollten demnach Länder mit »universeller Gerichtsbarkeit« wie Großbritannien oder Frankreich meiden und keine kompromittierenden Inhalte mehr im Internet posten.
Israel steht wegen Verbrechen im Gaza-Krieg zunehmend unter Druck. Der Internationale Strafgerichtshof (ICC) hat deshalb im November Haftbefehle gegen Premierminister Benjamin Netanjahu und Ex-Verteidigungsminister Yoav Gallant erlassen. Am Internationalen Gerichtshof läuft ein Verfahren wegen des Vorwurfs des Völkermords. Das nach Angriffen palästinensischer Gruppen vom 7. Oktober 2023 als »Selbstverteidigung« bezeichnete verheerende Vorgehen Israels forderte laut den Vereinten Nationen bislang über 45 800 Todesopfer, darunter beträchtlich viele Zivilist*innen.
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