Werbung

Weltwirtschaft: Ein verhaltener Ausblick

Trumps Präsidentschaft könnte »Regionalisierung« der Globalisierung beflügeln

Containerterminal im Hafen von Lianyungang im Osten Chinas: Das Land ist stark exportorientiert, weshalb vom designierten US-Präsidenten Trump angedrohte Zollerhöhungen zum Problem für die Wirtschaft des Landes werden könnten.
Containerterminal im Hafen von Lianyungang im Osten Chinas: Das Land ist stark exportorientiert, weshalb vom designierten US-Präsidenten Trump angedrohte Zollerhöhungen zum Problem für die Wirtschaft des Landes werden könnten.

Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, vermutete einst der Liedermacher Reinhard Mey. Heute zeigen die Flugbewegungen der internationalen Airlines: Dem ist mitnichten so. So führt von Westeuropa nach Fernost aufgrund westlicher Sanktionen nur noch ein schmaler Korridor zwischen der Südgrenze Russlands und der Nordgrenze Irans. Hier drängeln sich die Flugzeuge auf engstem Luftraum. Das zeigte am Mittwoch das Satellitenbild des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt. Und Dutzende »gescheiterte« Staaten wie Irak oder Jemen werden aus Sicherheitsgründen gemieden. Den Fluggesellschaften bescherte diese De-Globalisierung weite Umwege und hohe Kosten.

Der eingeengte Flugverkehr steht symbolisch für den Wandel der Weltwirtschaft. Krisen, Kriege und politische Entscheidungen für nationale Alleingänge haben die Globalisierung ins Stocken gebracht. Mittlerweile gibt es weltweit rund 300 meist jüngere Handelsverträge zwischen nur zwei Staaten. Dagegen stehen lediglich rund 50 »plurilaterale«, meist ältere Verträge zwischen größeren Staatengruppen. Grenzenlosen Handel gab es zwar in der Wirklichkeit nie, aber in der Hochphase der Welthandelsorganisation WTO in Genf bis in die 2010er Jahre war der Verkehr von Waren und Kapital weitgehend liberalisiert.

Liberale wie auch linke Ökonomen sehen im Welthandel einen Grund für die wachsende globale Wirtschaftsleistung, den rasanten wirtschaftlichen Aufstieg einiger Entwicklungs- und Schwellenländer vor allem in Asien und für die Abnahme extremer Armut trotz steigender Bevölkerungszahlen. Gleichzeitig wuchsen allerdings die soziale Kluft in und zwischen den Ländern und die Umweltprobleme.

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Bis zur Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2007 hatte der globale Handel jahrzehntelang schnell zugenommen, bis er 60 Prozent der Wirtschaftsleistung (Welt-Bruttoinlandsprodukt) ausmachte. Seither stagniert der grenzüberschreitende Handel tendenziell. Damit ändern sich die Rahmenbedingungen für stark export- und finanzmarkgetriebene Volkswirtschaften wie die deutsche.

Derzeit schauen Finanzmarktakteure mit Sorge vor allem auf die nahende Amtseinführung von Donald Trump als US-Präsident. Denn der Republikaner droht nicht nur China, sondern auch der Europäischen Union und seinen Freihandelsnachbarn Kanada und Mexiko mit drastischen Zollerhöhungen.

Trumps Zollpolitik sowie die Immobilienkrise und eine schwache Binnennachfrage setzen auch China unter Druck. Die dortige Industrie investiert wie die deutsche und die westeuropäische verstärkt im Ausland. Indem man nahe an den Absatzmärkten produziert, will man Zollschranken und andere Restriktionen umgehen. Diese »Regionalisierung« verschiebt Handelsströme und schwächt Exportriesen wie China, Deutschland und die Niederlande.

Ob Trump seine Drohungen wahr macht, bleibt jedoch abzuwarten. Denn seine Abschottungspolitik dürfte Preise für Autos, Konsumgüter und Maschinen in die Höhe treiben. Eine wieder steigende US-Inflation würde aber Trumps Rückhalt unter seinen Wählern – und auf Dauer die Zahlungsfähigkeit des Staates gefährden. Nur eine niedrige Inflation mit niedrigen Leitzinsen verhindert, dass ihr Schuldenberg die USA in Zahlungsschwierigkeiten stürzt. Die US-Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt aktuell 128 Prozent, doppelt so viel wie in Deutschland.

Dennoch sehen auch linke Ökonomen keinen Grund zu übermäßigem Pessimismus. Die Weltwirtschaft wird in diesem Jahr um 3,2 Prozent wachsen, erwartet der Internationale Währungsfonds. Das ist weniger als in der Dekade 2006 bis 2015 (3,6 Prozent pro Jahr), bewegt sich aber auf Vor-Corona-Niveau. Gleiches gilt für den Welthandel. Anders als zu Hochzeiten der Globalisierung legt er allerdings nicht mehr schneller zu als das Welt-BIP.

Das ist angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung Risiko und Chance zugleich. Lahmt der Außenhandel, können (nachhaltiger) Konsum und gestärkte Binnennachfrage alternative Wege aufzeigen. Das alternde China, die Millionen Inder, die neue Jobs brauchen, und das unruhige Lateinamerika drängen auf Lösungen. Diese wird weder ein durch Trump und andere willkürlich begrenzter globaler Handel bieten noch der eine, freie Weltmarkt, den die WTO unbeirrt anpreist.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.