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Weg frei zu Liebknecht und Luxemburg
Baugrube vor der Gedenkstätte der Sozialisten wird temporär verfüllt
Die vor der Gedenkstätte der Sozialisten im Berliner Ortsteil Friedrichsfelde klaffende Baugrube ist nicht mehr so groß und tief wie in den vergangenen Wochen. Ein Bagger zum Verteilen des Schotters und ein Rüttler zum Verdichten stehen bereit. Ein Lkw-Fahrer hakt seinen Laster am Mittwochmorgen rückwärts und kippt die nächste Fuhre ab. Wie es die Veranstalter der Liebknecht-Luxemburg-Ehrung und der LL-Demonstration im Dezember mit der Polizei bei einem Vor-Ort-Termin besprochen haben, wird für diesen Sonntag vorübergehend der Zugang zum Friedhof über den Haupteingang ermöglicht.
Solange die Umgestaltung des Eingangsbereichs läuft, müssen Besucher sonst einen Fußweg zum Seiteneingang nehmen. Doch der wäre viel zu schmal, wenn am Sonntag die Demonstration mit Tausenden Teilnehmern hier ankommt und auch schon früh am Morgen viele Menschen zu den Gräbern von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg strömen. Das Gedenken an die am 15. Januar 1919 von rechten Freikorpssoldaten ermordeten Sozialisten findet traditionell am zweiten Sonntag im Jahr statt und fällt diesmal auf den 12. Januar.
Ab 9 Uhr am Friedhof Friedrichsfelde
»Alles ist gut«, kann Björn Thielebein melden. Der kommissarische Geschäftsführer der Berliner Linken hat das stille Gedenken dieses Jahr angemeldet und erhält täglich Berichte über den Fortgang der Arbeiten am Eingang des Friedhofs. Um 9 Uhr beginne am Sonntag das stille Gedenken und werde offiziell beendet, wenn das Gros der Demonstranten durch sei, erklärt Thielebein. Je nachdem, ob sich das Eintreffen verzögert, wird das voraussichtlich gegen 13 Uhr sein. Wer erst danach noch rote Nelken bringen will, kann das selbstverständlich tun. Der Friedhof bleibt geöffnet. Auch am Mittwoch schon lagen wie eigentlich immer Blumen auf den Grabplatten von Liebknecht und Luxemburg.
Ein weiteres Problem ist eine Baustelle auf der Gudrunstraße, die vom Bahnhof Lichtenberg zum Friedhof Friedrichsfelde führt. Auf mehreren Hundert Metern arbeitet die Baufirma Strabag hier an den Gleisen der Straßenbahn. Schienensegmente liegen am Mittwoch aufgereiht und es riecht nach frischem Asphalt. Bagger und Bauarbeiter sind emsig am Werk, werden aber bis Sonntag keinesfalls fertig. Das war auch weder geplant noch versprochen. Die Bürgersteige und ein Drittel der Fahrbahn sind allerdings frei. Das wird am Sonntag eine Engstelle für die Demonstration – oder wie Ellen Brombacher vom Bündnis LL-Demo sagt: »Ein Nadelöhr.« Es sei wichtig, dass alle das vorher wissen und dann nicht von hinten nachdrängen, sagt sie. Die Berliner Verkehrsbetriebe haben dem »nd« Ende vergangenen Jahres versichert: »Unsere Fachabteilung ist über den Termin der Demo informiert und wird die notwendigen Arbeiten entsprechend organisieren.«
Wie üblich früh um 10 Uhr trifft sich am Sonntag die Spitze der Linken in Friedrichsfelde, um Kränze und rote Nelken niederzulegen. Die neue Bundesvorsitzende Ines Schwerdtner wird bei diesem Termin dabei sein. Sie tritt aber bereits eine halbe Stunde früher in Aktion. Denn der Bezirksverband Lichtenberg geht immer schon um 9.30 Uhr voran auf den Friedhof, der sich auf Lichtenberger Territorium befindet. Dieses Mal werden sie ein Friedensbanner dabei haben, sagt Schwerdtner dem »nd« am Mittwoch bei einem Besuch in der Redaktion. Die 36-Jährige tritt bei der Bundestagswahl am 23. Februar im Wahlkreis Lichtenberg an. Den hatte zuletzt ab 2002 bei sechs Bundestagswahlen in Folge Schwerdtners Genossin Gesine Lötzsch gewonnen. Die Abgeordnete, die mittlerweile 63 Jahre alt ist und von 2010 bis 2012 auch Bundesvorsitzende ihrer Partei war, kandidiert nun nicht erneut.
Demo-Treff 10 Uhr Frankfurter Tor
Ines Schwerdtner geht am Sonntag nicht zum ersten Mal zum Gedenken an Karl und Rosa, aber zum ersten Mal als Parteivorsitzende. Früher sei sie manchmal in der Demonstration mitgelaufen, dies aber schon mehrere Jahre nicht mehr, sagt sie. Der Treffpunkt für die LL-Demonstration ist am 12. Januar um 10 Uhr der U-Bahnhof Frankfurter Tor. Im Aufruf wird Rosa Luxemburg mit den Worten zitiert: »Entweder Triumph des Imperialismus und Untergang jeglicher Kultur wie im alten Rom, Entvölkerung, Verödung, Degeneration, ein großer Friedhof. Oder Sieg des Sozialismus.« Dazu heißt es: »Unter dem Damoklesschwert des drohenden atomaren Infernos haben ihre Worte nichts an Aktualität verloren.« Der Aufruf schließt mit den Worten: »Wir, Linke unterschiedlicher Strömungen, werden am 12. Januar 2025 in Erinnerung an Rosa und Karl friedlich unsere Standpunkte und Forderungen bekunden.« Ellen Brombacher vom LL-Bündnis kann nur hoffen, dass es diesmal wirklich friedlich bleibt.
Vor einem Jahr mussten die Demonstranten Polizeigewalt erleben. Beamte hatten zunächst einen Palästinenser herausgefischt, der via Lautsprecherwagen die Losung »From the river to the sea, Palestine will be free« durchgegeben haben sollte. Das heißt übersetzt: »Vom Fluss bis zum Meer, Palästina wird frei sein.« Die Polizei wertete diese alte Parole als Volksverhetzung. Es wird argumentiert, bei einem Staat Palästina, der sich vom Jordan bis zum Mittelmeer erstreckt, wäre kein Platz mehr für Israel. Wie sich später zeigte, soll der Palästinenser in Wirklichkeit nur eine abgewandelte Losung verwendet haben. Seine Entfernung aus der Demonstration führte aber dazu, dass dann viele Teilnehmer tatsächlich im Chor riefen: »From the river to the sea, Palestine will be free.« Als die Demonstration endlich weiterziehen wollte, fühlten sich Polizisten fälschlicherweise eingekesselt und reagierten mit roher Gewalt. Sie zerrten an Transparenten, schubsten und schlugen Demonstranten und warfen mindestens drei Menschen zu Boden, darunter eine Frau. Ein 74-Jähriger wurde von einem Polizisten lebensgefährlich verletzt. »Das Nächste, an das ich mich erinnern kann, ist, wie ich auf der Intensivstation aufgewacht bin«, erzählte das Opfer einen Monat später dem »nd«.
Um 15 Uhr am Rosa-Luxemburg-Steg
An Liebknecht und Luxemburg erinnern will am kommenden Sonntag auch die Berliner Geschichtswerkstatt. Sie lädt für 15 bis 15.30 Uhr ein zum Gedenken am Rosa-Luxemburg-Steg, einer Fußgängerbrücke über den Landwehrkanal auf der Höhe der Lichtensteinallee. Ein Grußwort soll dort der SPD-Bundestagsabgeordnete und einstige Regierende Bürgermeister Michael Müller halten. Außerdem will Trille Schünke-Bettinger von der Geschichtswerkstatt über Mathilde Jacob, die Freundin und Sekretärin Luxemburgs, sprechen. Die Geschichtswerkstatt hatte bereits 1986 gefordert, eine Brücke über den Landwehrkanal nach Rosa Luxemburg zu benennen. Denn die Mörder hatten 1919 ihre Leiche in diesen Kanal geworfen. Im September 2012 war es endlich soweit und die Schilder wurden angebracht. »Wir werden auch 2025 an unseren langen Kampf für die Brückenbenennung erinnern und natürlich an Rosa Luxemburg«, heißt es in der Einladung.
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