Versperrte Türen für die AfD-Delegierten

Bündnis Widersetzen kündigt Blockaden von Parteitag in Riesa an

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 5 Min.
Wie in Essen im Juli 2024 soll es auch in Riesa massive Proteste gegen den AfD-Bundesparteitag geben
Wie in Essen im Juli 2024 soll es auch in Riesa massive Proteste gegen den AfD-Bundesparteitag geben

Die AfD scheint Riesa als gutes Pflaster zu empfinden. Bereits zum dritten Mal nach 2019 und 2022 veranstaltet die Partei in der sächsischen Stadt, in der sie bei der Landtagswahl im September glatte 40 Prozent der Zweitstimmen erhielt, einen Bundesparteitag. An diesem Wochenende sollen dort das Wahlprogramm für die Bundestagswahl beschlossen und Bundeschefin Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin ausgerufen werden. Das Bündnis Widersetzen allerdings will ihr die geplante Krönungsmesse verderben. Es strebt an, die Zugänge zum Tagungsort in der WT Energiesysteme Arena zu versperren. »Geplant ist, dass man an die Halle nicht herankommt, sodass idealerweise der Parteitag nicht stattfinden kann«, sagt Sprecherin Maria Schmidt.

Das Bündnis begründet die Blockadepläne mit dem Charakter der Partei, in der »Teile einen Umsturz planen«, wie Schmidt formuliert. Die Riesaer Aktivistin Mascha Meier, die sich mit rund 30 weiteren Menschen in der kürzlich gegründeten Initiative »Riesa für alle« engagiert, wirft der in Sachsen als gesichert rechtsextrem eingestuften Partei vor, sie schaffe »Feindbilder, die uns als Gesellschaft auseinander treiben«. Dagegen anzukämpfen, sei auch in einer Stadt wie Riesa wichtig. Die Arena, betont Meier, sei Austragungsort für internationale Sport- und Tanzmeisterschaften: »Wir wollen weltoffen sein, was in direktem Gegensatz zu den Zielen der AfD steht.«

Da die vom Bündnis geplanten Blockaden nur Erfolgsaussichten haben, wenn sich sehr viele Menschen daran beteiligen, wird bundesweit zum Protest mobilisiert. In etlichen Großstädten fordern derzeit große Werbetafeln »Alle nach Riesa!« – sehr zum Ärger der rechtsextremen Szene. Der Account »Kein Bock auf Nazis« teilte im Kurznachrichtendienst X empörte Posts von Nazigruppierungen, die »staatsgeförderte linke Organisationen« hinter der »linksradikalen Plakatkampagne« vermuten.

Das Bündnis Widersetzen geht davon aus, dass der Einladung zahlreich Folge geleistet wird. Man erwarte mehrere hundert Busse aus rund 70 Städten, sagt Julia Liebig, die die Anreise aus dem Süden des Bundesgebietes koordiniert. Dabei werden unterschiedlichste Gruppen erwartet: aus Parteien, Gewerkschaften und der Klimabewegung, aber auch Initiativen wie die Omas gegen rechts. Man sei »nie zu alt, um für seine Überzeugungen einzustehen«, sagt deren Leipziger Aktivistin Evchen Müller. Insgesamt rechnen die Organisatoren mit einer Teilnehmerzahl im fünfstelligen Bereich. Die Polizei erwarte 10 000 Protestteilnehmer, sagt Schmidt: »Wir hoffen, dass wir deren Prognose noch knacken können.« Gegen den AfD-Europaparteitag in Riesa 2019 hatten 1000 Menschen protestiert, beim Parteitag 2022 waren es 200.

Konkret geplant sind nach Angaben des Bündnisses Aktionen des »massenhaften zivilen Ungehorsams«. Man wolle »die Eingänge der Halle verstellen und nicht freiwillig Platz machen«, sagte Schmidt, ohne konkreter zu werden. Die Rede ist von »vielen verschiedenen kreativen Protestformen«. Dabei heißt es früh aufzustehen: Die Blockaden am Aktionstag, für den in Riesa Temperaturen um den Gefrierpunkt oder knapp darunter in Aussicht gestellt sind, sollen bereits früh halb sieben beginnen. Später gibt es verschiedene Demonstrationen und ab um neun eine große Kundgebung samt Konzert, bei dem Bands wie ZSK, Pöbel MC und Team Scheiße auftreten. In Mobilisierungsvideos ist von einem »Fest des Widerstands« die Rede. Wie lange die Aktionen insgesamt andauern, ist offen. »Das hängt davon ab, was der Tag bringt«, sagt Meier, die ein »sehr dynamisches Geschehen« erwartet.

»Die Polizei erwartet 10 000 Protestteilnehmer. Wir hoffen, dass wir deren Prognose noch knacken können.«

Maria Schmidt Sprecherin Widersetzen

Wie genau sich dieses gestaltet, hängt maßgeblich auch davon ab, wie die Polizei agiert. Diese plant einen Großeinsatz: Für die Absicherung des Parteitags betreibe man »einen hohen Aufwand«, zitiert die »Sächsische Zeitung« den Dresdner Polizeipräsidenten Lutz Rodig, der auf das grundgesetzlich garantierte Parteienprivileg verweist. Zugleich verspricht er den »Schutz des Versammlungsrechts« für die Gegendemonstranten. Man gehe grundsätzlich von friedlichen Protesten aus.

Darauf hofft auch Widersetzen. Zwar könne man »nicht für jeden Einzelnen die Hand ins Feuer legen«, sagt Sprecherin Maria Schmidt. Grundkonsens des Bündnisses sei aber, dass »von uns keine Eskalation ausgeht«. Was man nicht ausschließen könne, sei »Polizeigewalt«. Zu dieser kam es nach Einschätzung des Bündnisses bei dessen Protesten gegen den AfD-Parteitag im vergangenen Juli in Essen. Dort habe es »an einzelnen Aktionsorten massive Übergriffe durch einzelne Polizeikräfte« gegeben, hieß es damals. Die Rede war von Tritten ins Gesicht, dem Einsatz von Reizgas und Knochenbrüchen. Zur genauen Zahl der Verletzten könne man auch ein halbes Jahr später keine Angaben machen, sagte Schmidt: »Vieles wurde ja aus Angst vor Repressalien nicht angezeigt.«

Keine Erkenntnisse gibt es bisher über eine rechtsextreme Mobilisierung gegen den Protest. »Auszuschließen ist das nicht«, sagte die Riesaer Aktivistin Mascha Meier auf »nd«-Nachfrage und erinnert an den CSD in Bautzen in diesem Jahr: »Wir sind hier schließlich in Sachsen.« Allerdings seien die Protestteilnehmer vorbereitet, nicht zuletzt durch Aktionstrainings in den vergangenen Tagen: »Wir vertrauen darauf, dass alle sicher bleiben.«

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