Grüne Woche: Auch »Wir haben es satt!« kämpft mit MKS

Am Samstag demonstriert das Bündnis für eine gerechte Agrarpolitik – allerdings ohne Traktoren, Maul- und Klauenseuche sei dank

Die »Wir haben es satt!« Demo 2024. Zur selben Zeit waren die Bauernproteste in vollem Gange.
Die »Wir haben es satt!« Demo 2024. Zur selben Zeit waren die Bauernproteste in vollem Gange.

Inzwischen kann man getrost von einer Tradition sprechen: Seit 2011 veranstaltet ein breites Bündnis aus Landwirtschaft und Zivilgesellschaft unter dem Label »Wir haben es satt!« anlässlich der Grünen Woche eine Demonstration in Berlin. Am Samstag ist es wieder soweit.

Was die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit angeht, geriet die Demo im vergangenen Jahr unter die Räder der großen – und zum Teil von rechts vereinnahmten – Bauernproteste. Und auch 2025 begann mit einem Schock für die Organisator*innen. Eine Woche vor dem geplanten Protest wurden Fälle von Maul- und Klauenseuche in Brandenburg öffentlich, das erste Mal in Deutschland seit 1988. Landwirt*innen im ganzen Bundesgebiet droht immenser wirtschaftlicher Schaden. Für »Wir haben es satt!« heißt das: Erneut wird es schwierig, eigene Themen zu setzen.

Als freiwillige Vorsichtsmaßnahme wird der Demonstrationszug dieses Jahr ohne die geplante Treckerbegleitung von Bäuer*innen stattfinden. So soll eine mögliche Übertragung des Erregers durch die Landwirtschaftsmaschinen vermieden werden. Normalerweise sei der gemeinsame Auftritt von Treckern und Fußgängern ein »solidarisches Zeichen für den Zusammenhalt von Landwirtschaft und Zivilgesellschaft«, sagt Claudia Gerster, Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Bäuerin aus Sachsen-Anhalt. Der Verzicht darauf sei auch ein Symbol der Solidarität mit den betroffenen Tierhalter*innen.

Doch nun zum Inhalt: Dieses Jahr soll der Gegenprotest unter der Leitfrage »Wer profitiert hier eigentlich?« stehen. Mit 33 Prozent sind die Lebensmittelpreise seit 2021 wesentlich stärker als die Gesamtinflation gestiegen. Bei den Bäuer*innen kommt davon jedoch wenig an, beklagt das Bündnis: »Allein in Deutschland mussten mehr als 350 000 Höfe in den letzten 30 Jahren schließen. Während Handel, Fleisch- und Milchindustrie weiterhin Gewinne machen.«

Welche Forderungen stellt »Wir haben es satt!« an die zukünftige Bundesregierung? Reinhild Benning, Landwirtin und Agrarexpertin der Deutschen Umwelthilfe (DUH), spricht von einem »Recht auf kostendeckende Preise« für Bäuer*innen. Sie verweist auf die Milchwirtschaft: Dort bestimmen nicht die Produzenten, wie viel sie für ihre Milch bekommen, sondern die Molkereien; festgelegt wird der Preis oft erst im Nachhinein.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium hat sich dieses Problems bereits angenommen und eine nationale Umsetzung von Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) der EU geplant. Ziel ist eine Vertragspflicht, also ein festgelegter Preis – und zwar vor der Abgabe der Milch an die Molkerei. Allerdings seien Genossenschaften unter bestimmten Bedingungen von dieser Vertragspflicht ausgenommen, kritisiert Benning. Und diese verarbeiten in Deutschland immerhin den größten Teil der Milch. Hinzu kommt: Eine Vertragspflicht erleichtert zwar das Planen, führt aber nicht automatisch zu höheren – und damit kostendeckenden – Milchpreisen.

Lilli Haulle ist angestellte Landwirtin und Mitglied der »junge AbL«. Sie sagt, der Einstieg in die Landwirtschaft müsse erleichtert werden. »Ohne Erbe und Förderung ist es quasi unmöglich«. Es brauche mehr Förderungen und Beratungsangebote für Junglandwirte. »Ohne junge Menschen wird das Höfesterben nur noch dramatischer«, so Haulle. »Wir bringen Lebendigkeit und wirtschaftliche Zukunft in die ländlichen Räume.« Das wirke ganz nebenbei dem Rechtsextremismus entgegen.

Neben einer neuen Ausrichtung der Agrarpolitik – weg von Konzerninteressen und hin zu mehr Gemeinwohl – fordert das Bündnis auch einen neuen Stil in der Politik. »Wir brauchen eine Regierung in Zukunft, die Zuverlässigkeit an den Tag legt und das Hick und Hack beendet, das es bisher gab«, so Benning.

Das viele Hin und Her, die immer neuen Auflagen, die schlechte Planbarkeit: Neben den Kürzungen der Dieselsubventionen waren auch das Gründe dafür, dass sich im vergangenen Winter so viele Landwirte an den Bauernprotesten beteiligt hatten. Entgegen anderslautenden Medienberichten ist vonseiten des brandenburgischen Bauernverbands dieses Jahr nicht mit Protesten zu rechnen. »Wir hatten keine Proteste im Vorfeld der Grünen Woche geplant«, heißt es gegenüber dem »nd«.

Wie das Bündnis »Wir haben es satt!« bleibt auch die Heinrich-Böll-Stiftung ihrer Tradition treu: Seit Montag veranstaltet sie eine »Alternative Grüne Woche« und widmet sich dabei unter anderem den Themen Wasser sowie der sozial gerechten Erzeugung von Lebensmitteln. Auch diesen Punkt auf dem Begleitprogramm zur Landwirtschaftsmesse der Stiftung gibt es seit über zehn Jahren.

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