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Geld anlegen ist das eine, »netto« das andere
Ihre finanzielle Lage empfinden die meisten Bundesbürger mit gemischten Gefühlen
Geld im neuen Jahr anzulegen, ist kein Kinderspiel. Die Grundlage dafür ist nämlich das Einkommen, im weitesten Sinne das »Netto«. Hier gibt es zunächst für Beschäftigte und Rentner eine grundsätzlich gute Nachricht zu verkünden: Die Steuerlast wird 2025 sinken. Jedenfalls im Großen und Ganzen. Deswegen muss aber nicht mehr Geld in Ihrem Portemonnaie übrig bleiben.
Der Grundfreibetrag – also der Betrag, bis zu dem keine Einkommensteuer anfällt – wird angehoben. Während er bislang bei 11.604 Euro lag, steigt er für Alleinstehende nun auf 12 084 Euro und im Jahr 2026 auf 12 336 Euro. Für Ehepartner gilt der doppelte Steuerfreibetrag. »Viele Steuerpflichtige profitieren dadurch von einer geringeren Steuerlast – es bleibt ein höheres Nettoeinkommen vom Bruttoeinkommen übrig«, erklärt ein Hamburger Steuerberater.
Ziel der scheidenden Bundesregierung war es, mit dieser Regelung das Existenzminimum zu sichern. In der Praxis lässt sich zwar trefflich darüber streiten, was genau das Existenzminimum eigentlich ist. Nur Miete und Ernährung? Oder auch Smartphone, Kinobesuch oder ein Geburtstagsgeschenk fürs geliebte Enkelkind? Wie jeweils diese Fragen von Politikern, Statistikern und Richtern beantwortet werden, entscheidet dies letztlich über die finanzielle Höhe des Steuerfreibetrages. Das »sächliche Existenzminimum« für Alleinstehende beziffert die Bundesregierung für das Jahr 2025 auf 11 940 Euro.
Auch in diesem existentiellen Punkt wird die Berliner Politik von der Justiz vor sich her getrieben. So hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe ein Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip entwickelt. Dieses Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsbürgern, die sich in der Bundesrepublik aufhalten, gleichermaßen zu.
Politisch vorangetrieben wurde die Erhöhung des steuerlichen Grundfreibetrages von der »kalten Progression«. Der Begriff bezeichnet eine Art schleichende Steuererhöhung, wenn eine Gehaltserhöhung komplett durch die Inflation aufgefressen wird, aber dennoch zu einer höheren Besteuerung führt, erklärt das Bundesfinanzministerium. Ergebnis: »Obwohl das Gehalt gestiegen ist, hat man real weniger Geld in der Tasche.« Auf solche inflationsbedingten Mehrbelastungen wolle man jedoch verzichten, so das Ministerium, indem für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner, Selbstständige sowie selbst haftende Unternehmerinnen und Unternehmer die Steuerlast an die Inflation angepasst werde.
Leider bedeutet dies nun für Millionen Beschäftigte und Rentner keineswegs, dass sie unterm Strich mehr »Netto« in der Tasche behalten. Schuld sind gestiegene Kosten im Gesundheitswesen. Rund 500 Milliarden Euro werden wir 2025 für Arztpraxen und Krankenhäuser, Medikamente und Reha ausgeben. Von 100 Euro, die in Deutschland erwirtschaftet werden, fließen daher mehr als 13 Euro in die Gesundheitswirtschaft. Damit ist Deutschland bei den Ausgaben Spitze, bei den gesundheitlichen Ergebnissen liegen wir im internationalen OECD-Vergleich bestenfalls im Mittelfeld. Über-, Unter- und Fehlversorgung kosten Gesundheit und viel Geld.
In der Folge kommt den Krankenkassen das malade System immer teurer zu stehen. Sie versichern 75 Millionen Menschen. Fast alle Kassen erhöhen in diesem Jahr ihren Zusatzbeitrag. Er schießt durchschnittlich um fast die Hälfte von 1,7 auf 2,5 Prozent in die Höhe, schätzte das Bundesamt für Sozial Sicherung (BAS) in Bonn – Rekordanstieg seit Einführung des Zusatzbeitrages 2015. Da die Kosten seit der Schätzung im Oktober wohl weiter gestiegen sind, könnten der durchschnittliche Zusatzbeitrag sogar noch höher ausfallen. In Einzelfällen steigt er auf über 4 Prozent.
Steigende Ausgaben sind der eine Grund für die Beitragserhöhungen, die geschrumpften Rücklagen ein weiterer. Mehr als die Hälfte der Kassen müssen laut des GKV-Spitzenverbandes ihre Rücklagen wieder auffüllen. Kassen sind gesetzlich gezwungen, 20 Prozent einer Monatsausgabe als Mindestreserve zu halten. Zum Jahresende sollen es im Schnitt nur noch rund 14 Prozent gewesen sein. Um die Reserven wieder aufzufüllen, haben Kassen zwei Jahre Zeit. Im Ergebnis erwarten Experten auch für das Jahr 2026 Beitragserhöhungen.
Ob die höheren Krankenkassenbeiträge durch die Steuererleichterungen ausgeglichen werden, hängt vom persönlichen Einzelfall ab. Für die meisten Menschen dürfte es ein Nullsummenspiel werden. Zu berücksichtigen sind jedoch auch die höheren Beiträge für die Pflegeversicherung. Viele Menschen treibt trotzdem die Sorge um, eines Tages ihren Kindern auf der Tasche zu liegen. Die Sorge ist übertrieben. Statistisch gesehen ist die Gefahr, längere Zeit in einem (kostspieligen) Pflegeheim verbringen zu müssen, gering. Und Kinder werden erst herangezogen, wenn ihr Bruttoeinkommen 100 000 Euro im Jahr übersteigt.
Dagegen könnte 2025 die weiterhin grassierende Inflation noch einen dicken Strich durch viele Haushalts- und Sparpläne machen. Anderseits stehen auch auf der Einnahmeseite (positive) Entwicklungen ins Haus. Die Tariflöhne steigen nach den bislang vorliegenden Abschlüssen um nominal 5,6 Prozent. »Eine kräftige Erholung bei den Reallöhnen«, stellt die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung fest. Für mehr »netto« sorgt dann auch das Ende der kalten Progression.
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