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Das Feuerwetter und der Mensch
Die Ursachen zunehmender Waldbrände rücken in den Hintergrund
Wer sich fragt, warum Klimaschutz selbst in Wahlkampfzeiten kaum noch eine Rolle spielt, bekam dieser Tage einen Grund vorgeführt. Postete doch Klimaaktivistin Luisa Neubauer auf einer bekannten Plattform, die Brände in Los Angeles seien das »ehrliche Titelfoto« für einen Wahlkampf, der bisher meine, die größte Krise des Jahrhunderts ausladen zu können. Das kommentierte auf derselben Plattform der Schweizer Wetter-Moderator Jörg Kachelmann mit den Worten, ein Waldbrand in Kalifornien eigne sich »am wenigsten als Symbol für die Klimakrise«. Grund für die Brände sei meistens Brandstiftung. Die Bild-Zeitung griff dies gerne auf und titelte: »Kachelmann zerlegt Neubauer wegen Feuer-Behauptung«. Eine Sichtweise, die auch anderswo mehr oder weniger übernommen wurde. Hängen bleibt von dem Disput letztlich das Narrativ, dass Klimaaktivist*innen gerade zu Wahlzeiten nur auf Alarmismus machten. Klimakrise? Alles halb so schlimm!
Besonders ärgerlich dabei: Für die Medienleute wäre schon oft Gelegenheit gewesen, sich mit den Ursachen der häufigen schweren Busch- und Waldbrände in Kalifornien auseinanderzusetzen. Um Los Angeles waren solche bereits im September 2024 außer Kontrolle geraten. Gebäude und Autos verbrannten, Tausende verloren ihre Häuser. Bereits bei diesen »Monsterfeuern« war eine längere Trockenheit auf eine zuvor reichlich gewachsene Vegetation getroffen – gerade im Herbst fachen in der Region starke Winde einmal entstandene Feuer an.
Traditionell dauert die Feuersaison in Südkalifornien von Mai bis Oktober. Neuere Studien weisen aber darauf hin, dass die durch den Klimawandel steigenden Temperaturen und die zugleich abnehmenden Niederschläge die Periode verlängern. In bestimmten Gebieten werden sie bereits zum ganzjährigen Ereignis.
Auch in Deutschland leiden die Wälder unter klimawandelbedingt erhöhten Temperaturen im Sommer und geringer werdenden Niederschlägen im Frühjahr, Sommer und Herbst. Brände entstehen auch hier bevorzugt bei hohen Lufttemperaturen nach langen Trockenphasen. Ist die Vegetation ausgedörrt, kommt es in Verbindung mit starken Winden eher zu den gefürchteten Flächenbränden.
Etwa tausend Waldbrände gibt es im Schnitt jedes Jahr in Deutschland. Sie treten, abhängig von Klima, Hydrologie und Waldart, regional unterschiedlich auf. Besonders brandgefährdet sind der Nordosten und der östliche Nordwesten sowie das Oberrheinische Tiefland. Bei etwas mehr als der Hälfte aller Waldbrände in Deutschland konnte im Jahr 2023 laut Umweltbundesamt (UBA) keine Ursache ermittelt werden. Einen Anteil von 40 Prozent an allen Bränden hatten Fahrlässigkeit und Brandstiftung.
Bei Fahrlässigkeit spielen unvorsichtiges Verhalten von Waldbesuchern oder Campern eine Rolle sowie wirtschaftliche Aktivitäten im Agrar- und Forstbereich. Natürliche Ursachen wie Blitzschlag hatten in dem Jahr laut UBA nur 2,5 Prozent der Waldbrände verursacht. Insgesamt ist klar: Wälder können sich auch entzünden, ohne dass jemand bewusst zündelt.
Dass bei jedem zweiten Waldbrand der Auslöser nicht ermittelt werden konnte, lässt aber auch Raum für Spekulationen. Der wird von Klimatrollen aller Art auch weidlich genutzt. Aber es greift eben zu kurz, die Schuld vor allem bei Brandstiftern zu suchen und den Klimawandel auszublenden.
Die Waldbrandgefahr erhöht sich auch allein dadurch, dass immer mehr Menschen Häuser im Übergangsbereich von Stadträndern und siedlungsnahen Waldgebieten errichten und Kommunen entsprechende Baugebiete ausweisen. Zudem trocknet auch der Mensch die Landschaft aus: Feuchtgebiete wurden und werden entwässert und damit der Wasserhaushalt verändert. Auch brennen die in Deutschland oft noch anzutreffenden Forstmonokulturen aus Nadelbäumen viel schneller als ein naturnaher Laubwald.
Der Mensch vor allem ist es, der die Brandgefahr erhöht, indem er die Lebensgrundlagen der Wälder einengt und die Erderwärmung anheizt. Welch entscheidende Rolle der Klimawandel spielt, zeigt sich besonders weitab von menschlichen Siedlungen. So stellt eine im vergangenen Oktober veröffentlichte Studie fest, dass Brände gerade in den borealen Nadelwäldern, die sich von Alaska über Kanada und Skandinavien bis nach Sibirien erstrecken, sowie in Wäldern der gemäßigten Breiten seit 2012 zusammen mehr CO2 freisetzen als Brände in Tropenwäldern. Das globale Waldbrandgeschehen hat sich demnach im letzten Jahrzehnt nach Norden verlagert. Zurückzuführen sei dies auf den Klimawandel, schreiben die Autor*innen. Dieser schaffe in den Waldgebieten außerhalb der Tropen feuerbegünstigende Witterungsbedingungen mit anhaltend hohen Temperaturen, starken Winden und geringer Luftfeuchtigkeit. Also genau das sogenannte Feuerwetter, das jetzt auch in Los Angeles die Brände immer wieder anfachte.
Für Arthur Gessler von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich zeigt die Entwicklung, dass die Wälder als CO2-Senke immer verwundbarer werden und Aufforstungen das zunehmende Feuerrisiko einzupreisen haben. Der Waldökologe plädiert als Gegenmittel für mehr Klimaschutz, also vor allem CO2-Reduktion, aber auch für ein angepasstes Feuermanagement. Dazu gehören die Wiederherstellung von Feuchtgebieten wie Mooren, die Verwendung kontrollierter Feuer oder die gezielte Beweidung.
Insgesamt wird jedoch beim Umgang mit Landschaftsbränden in Deutschland zu sehr nach technischen Lösungen gesucht. Stattdessen sollte es das Ziel sein, Wälder und Landschaften feuerresilient zu gestalten sowie ländliche Räume weltweit zu stärken. Das schrieb der Chef des Global Fire Monitoring Center in Freiburg, Johann Georg Goldammer, schon vor gut vier Jahren. Die Erkenntnisse des Forstwissenschaftlers erhalten indes weit geringere mediale Aufmerksamkeit als unbelegte Behauptungen von Wetter-Moderator Kachelmann.
Die Waldbrandgefahr erhöht sich dadurch, dass immer mehr Menschen Häuser im Übergangsbereich von Stadträndern und siedlungsnahen Waldgebieten errichten.
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