Oranienburg: Eine Bürgermeisterin für alle

Stefanie Rose (Linke) kandidiert bei der Wahl im September in ihrer Heimatstadt Oranienburg

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Dezernentin Stefanie Rose informiert über die Entschärfung von Bomben im Stadtgebiet.
Dezernentin Stefanie Rose informiert über die Entschärfung von Bomben im Stadtgebiet.

Oranienburg wurde 1216 erstmals urkundlich erwähnt, hieß damals allerdings noch Bötzow. Die Bezeichnung Oranienburg wurde 1653 ins Stadtsiegel aufgenommen und erinnert an Louise-Henriette von Oranien-Nassau, die Frau des brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. In ihrer langen Geschichte hatte die Stadt erst eine Bürgermeisterin: das war von 1974 bis 1989 Hildegard Busse (SED), die 2015 verstarb und nach der 2020 eine Straße im Wohngebiet Adlerluch benannt wurde.

Nun gibt es die theoretische Möglichkeit, dass mit Stefanie Rose (Linke) wieder eine Frau und wieder eine Sozialistin an die Spitze der Stadtverwaltung tritt. »Ich möchte Verantwortung für meine Geburts- und Heimatstadt übernehmen«, sagte die 41-Jährige. Für deren Vertrauen dankte sie ihren Genossen, von denen sie am Montag einstimmig als Kandidatin nominiert wurde. Die Linke ist damit die erste Partei, die nun schon jemanden für die Oranienburger Bürgermeisterwahl im September aufgestellt hat.

Praktisch dürfte es für Stefanie Rose schwer werden, zur Bürgermeisterin aufzurücken. Denn bei der Landtagswahl am 22. September erzielte ihre Partei im Stadtgebiet von Oranienburg mit lediglich noch 2,9 Prozent kein überdurchschnittliches Ergebnis, sondern blieb im Gegenteil sogar leicht unter dem Landesdurchschnitt. Das war dann auch ein Hindernis bei vorerst gescheiterten Bemühungen, Stefanie Rose zu einer überparteilichen Kandidatin zu machen, die genauso von der SPD, den Grünen und den Freien Wählern unterstützt wird, vielleicht sogar von der FDP.

Gut geklappt hatte eine solche Strategie im März 2024 in Zeuthen, wo der junge Rechtsanwalt Philipp Martens (Linke) für ein überparteiliches Bündnis »Gemeinsam für Zeuthen« antrat und neuer Bürgermeister der südöstlich von Berlin gelegenen Gemeinde wurde.

»Wir sprechen viel darüber, was uns trennt«, bedauert Stefanie Rose. »Wir sollten uns auf unsere Gemeinsamkeiten konzentrieren.« Auch Oranienburg könnte eine Verständigung auf einen überparteilichen Kandidaten durchaus vertragen. Denn es muss befürchtet werden, dass die AfD sonst mit wem auch immer gewinnt. Bei der Bürgermeisterwahl 2017 war der damalige AfD-Bewerber Jan Radke mit 2966 Stimmen chancenlos und in der ersten Runde ausgeschieden. Doch bei der Landtagswahl vor weniger als vier Monaten erzielte die AfD in Oranienburg stolze 29,2 Prozent und wurde so auch hier mit gerade einmal 1,9 Prozentpunkten Abstand auf die SPD zweitstärkste Kraft. Bei Bürgermeisterwahlen spielt allerdings das Ansehen der Person eine viel größere Rolle.

Schon seit sieben Jahren ist Stefanie Rose in der Stadtverwaltung tätig und dort als Dezernentin für die Bürgerdienste zuständig. Vorher war sie Wahlkreismitarbeiterin der Landtagsabgeordneten Gerrit Große (Linke). Mit Rose mache man bei der Wahl ein Angebot, »das mit Fachwissen und Kompetenz für Stadtpolitik und Verwaltung glänzt«, streicht Candy Boldt-Händel heraus. Er ist Vorsitzender der Linken sowohl in der Stadt Oranienburg als auch im Kreis Oberhavel.

Wie aber steht es mit den Aussichten von Stefanie Rose? Die wären momentan als Parteilose vermutlich besser. Aber deshalb austreten wollte die 41-Jährige nicht. Sie steht zu ihrer Überzeugung. »Eine lebenswerte Stadt für alle«, das ist ihr Ziel. »Mit klarem Blick steuern, wo es möglich ist, und verlässlich unterstützen, wo es nötig ist«, das hat sie vor. »Oranienburg braucht dringend bezahlbaren Wohnraum, ausreichend Kita- und Schulplätze müssen zur Verfügung stehen. Wir können und wollen nicht mehr nur auf Kante nähen, sondern auch entlasten und so mehr Qualität ermöglichen.« Bei einer finanziell schwieriger gewordenen Lage will Rose die Pflichtaufgaben der Stadt nicht gegen die freiwilligen Leistungen ausspielen.

Seit 1993 heißt der Bürgermeister von Oranienburg Laesicke. Erst war es bis Januar 2018 der Sozialdemokrat Hans-Joachim Laesicke. Der übergab die Amtsgeschäfte dann an seinen parteilosen Sohn Alexander Laesicke. Die SPD-Kandidatin Jennifer Collin hatte es zuvor mit 4711 Stimmen nicht einmal in die Stichwahl geschafft. Damals mit nur 2131 Stimmen ebenfalls in der ersten Runde der Bürgermeisterwahl ausgeschieden war Enrico Rossius (Linke). Er hat inzwischen geheiratet und den Namen seiner Frau angenommen, ist der Linken treu geblieben und sitzt jetzt als Enrico Geißler im Kreistag. Für die Grünen war 2017 Heiner Klemp angetreten und hatte 2224 Stimmen erzielt. 2019 zog Klemp in den Landtag ein, in dem die Grünen nun aber genauso wie die Linken nicht mehr vertreten sind.

Bürgermeister Alexander Laesicke hat derweil nicht vor, sein Büro im Oranienburger Schloss zu räumen. Er möchte weitermachen. Hauptamtliche Bürgermeister werden in Brandenburg für jeweils acht Jahre gewählt. Laesickes acht Jahre laufen im Januar 2026 ab. Es wäre sinnvoll gewesen, die Bürgermeisterwahl mit dem Termin der ursprünglich für den 28. September 2025 vorgesehenen Bundestagswahl zusammenzulegen. Bereits als Alexander Laesicke am 24. September 2017 bei der damaligen Bürgermeisterwahl mit 5438 Stimmen das damals zweitbeste Ergebnis einfuhr, hatte am selben Tag eine Bundestagswahl stattgefunden. CDU-Bürgermeisterkandidatin Kerstin Kausche lag seierzeit mit ihren 5917 Stimmen an der Spitze. Doch bei der Stichwahl drei Wochen später konnte Laesicke an ihr vorbeiziehen.

Die Bundestagswahl ist auf den 23. Februar vorgezogen, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP) Anfang November entlassen hatte. Für die Bürgermeisterwahl in Oranienburg ist noch Zeit. 1990 zählte die Stadt mit S-Bahnanschluss nach Berlin knapp 29 000 Einwohner. Jetzt knackt sie in Kürze die Marke von 50 000 und wächst voraussichtlich weiter. Im Land Brandenburg haben nur die vier kreisfreien Städte mehr Einwohner – und wenn es in Frankfurt (Oder) nicht nach langen und schweren Zeiten seit wenigen Jahren wieder aufwärts gegangen wäre, so wäre Oranienburg in der Bevölkerungsstatistik vielleicht bald auf Platz vier vorgerückt.

Allein um die KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen zu besichtigen, kommen Jahr für Jahr bis zu 700 000 Besucher aus aller Welt nach Oranienburg. Unmittelbar neben der Gedenkstätte im ehemaligen SS-Truppenlager ist die Hochschule der Polizei des Landes Brandenburg untergebracht. Die Rüstungsindustrie von Oranienburg war im Zweiten Weltkrieg Ziel von Bombenangriffen. Deshalb schlummern im Erdreich noch zahlreiche Blindgänger. Entschärfungen und die damit verbundenen Sperrkreise gehören beinahe zum Alltag.

»Oranienburg braucht dringend bezahlbaren Wohnraum, ausreichend Kita- und Schulplätze müssen zur Verfügung stehen.«

Stefanie Rose Linke-Bürgermeisterkandidatin
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