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Berlin: Spranger stellt Weichen für Böllerverbot
Innensenatorin will Orte für weitere Böllerverbotszonen identifizieren
Trotz Uneinigkeit im Senat über die Konsequenzen aus der vergangenen Silvesternacht will Innensenatorin Iris Spranger (SPD) Vorbereitungen für ihr Konzept eines weitgehenden Böllerverbots vorantreiben. »Wir streben eine Ausweitung von Pyrotechnikverboten sowohl auf Basis bestehender Rechtsgrundlagen als auch von künftigen an«, sagte sie am Donnerstag vor dem Plenum des Abgeordnetenhauses. Demnach sollen bereits in den kommenden Wochen Gespräche mit Polizei und Feuerwehr zu Feuerwerksverbots- und erlaubniszonen stattfinden.
Ausgangspunkt für diese Gespräche soll laut Spranger eine »Regionalanalyse für ganz Berlin« sein. Dabei sollen silvestertypische Straftaten, Angriffe auf Einsatzkräfte und Brände nach ihren regionalen Schwerpunkten analysiert werden. »So bilden wir eine Grundlage für örtliche Maßnahmen«, sagte Spranger. Neben weiteren Feuerwerksverbotszonen sollen damit auch Ansatzpunkte für Präventionsmaßnahmen identifiziert werden. »Wir wollen nicht nur die Symptome bekämpfen, sondern Ursachen angehen«, so Spranger. Sie wiederholte zudem ihre Forderung, den Bundesländern im bundesweiten Sprengstoffrecht mehr Spielraum für Böllerverbote zu gewähren.
Inwieweit dieser Vorstoß mit dem Koalitionspartner CDU abgestimmt ist, ließ Spranger offen. Im Senat schwelt seit dem Jahreswechsel ein Streit um ein mögliches Böllerverbot. Während Spranger und andere SPD-Vertreter mit der Idee liebäugeln, Feuerwerk künftig nur noch in bestimmten Erlaubniszonen zu gestatten und es im restlichen Stadtgebiet zu verbieten, zeigen sich der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und andere CDU-Spitzenpolitiker skeptisch.
Auch Burkhard Dregger, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, äußerte Bedenken gegenüber einem Böllerverbot. »Hauptursächlich für die erlittenen Verletzungen waren bereits verbotene Böller«, sagte er. »Dagegen hilft ein allgemeines Verbot nicht.« Er äußerte Zweifel, ob ein flächendeckendes Pyrotechnikverbot durch die Polizei überwacht werden könnte. Stattdessen solle bestehendes Recht konsequenter angewendet werden: Nach dem Willen des CDU-Politikers sollen Grenzkontrollen die Einfuhr illegaler Böller verhindern. Zudem solle der Unterbindungsgewahrsam konsequenter angewandt werden. Wer in der Silvesternacht vor 0 Uhr festgenommen werde, müsse auch bis Neujahr in Gewahrsam bleiben, so Dregger.
Unterstützung für Spranger kommt dagegen aus der Opposition. »Ich möchte Frau Spranger bestärken – das habe ich noch nie gemacht«, sagte Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, in Richtung der Innensenatorin, die sich ein Schmunzeln ob des seltenen Lobs nicht verkneifen konnte. »Es sind nicht nur die illegalen Böller«, so Franco. »Das Hauptproblem ist, dass an jeder Ecke legal Sprengstoff erhältlich ist.« Im Schutz des legalen Feuerwerks könnten auch illegale Feuerwerkskörper gezündet werden.
»Ob Absicht oder Unfall, am Ende schadet das Geböller der ganzen Stadt.«
Vasili Franco (Grüne)
Innenpolitischer Sprecher
»Ob Absicht oder Unfall, am Ende schadet das Geböller der ganzen Stadt«, sagte Franco. Dies betreffe nicht nur Menschen, sondern auch Tiere. »Hund, Katze und Meerschwein drehen durch.« Tierbesitzer müssten daher vor Silvester aufs Land flüchten. In anderen Städten gebe es zentrale Feuerwerke oder spektakuläre Drohnenshows. »Dort ist ein friedliches Silvester selbstverständlich«, sagte er.
Für seine Rede erhielt Franco auch aus Teilen der SPD-Fraktion Applaus. Als anschließend ein Grünen-Antrag für ein sofortiges Böllerverbot abgestimmt wurden, stimmten die Sozialdemokraten allerdings gemeinsam mit der CDU geschlossen gegen den Vorschlag. SPD-Innenpolitiker Martin Matz hatte zuvor argumentiert, dass Berlin die Gesetzgebungskompetenz fehle, um im Alleingang Pyrotechnik zu verbieten. »Eine Länderöffnungsklausel im Bundessprengstoffgesetz ist realistischerweise das Ziel, auf das wir zugehen müssen«, sagte er.
Wie bereits seit vielen Jahren war es in der Silvesternacht vor zwei Wochen zu zahlreichen Straftaten gekommen. Die Polizei nahm 1608 Verfahren auf, darunter 263 wegen Körperverletzung und 76 wegen Brandstiftung. Insgesamt wurden 712 Tatverdächtige ermittelt. Zahlreiche Menschen wurden verletzt, ein siebenjähriger Junge liegt nach der Explosion einer Kugelbombe in Tegel weiterhin schwer verletzt im Krankenhaus.
Vor allem die AfD hatte im Nachgang des Jahreswechsels Migranten für die Gewalttaten verantwortlich gemacht. »Das ist totaler Unfug«, sagte SPD-Parlamentarier Matz. »Es sind junge Männer, die weit überwiegend in Berlin geboren sind.« Neben Repression müsse auch auf Prävention und Intervention im Vorfeld gesetzt werden. Bisherige Präventionsmaßnahmen hätten sich in einer deutlich niedrigeren Zahl von verletzten Einsatzkräften niedergeschlagen.
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