Antifa verteidigt Bunker

Naziaufmarsch in Aachen mehrfach blockiert

Mit Sitz- und Materialblockaden wurde der Naziaufmarsch in Aachen mehrfach gestoppt.
Mit Sitz- und Materialblockaden wurde der Naziaufmarsch in Aachen mehrfach gestoppt.

Samstagnachmittag vor dem Bahnhof im Aachener Stadtteil Rothe Erde. Der Bahnhofsvorplatz ist von der Polizei mit Gittern abgezäunt. Im eingezäunten Bereich steht der selbsternannte »Rechtspopulist« Ferhat Sentürk zu diesem Zeitpunkt mit etwa 50 Gefolgsleuten. Am Ende wird Sentürk etwa 150 Menschen mobilisieren können. Deutlich weniger als die von ihm bei der Polizei angemeldeten 800 Teilnehmer*innen.

Sentürk wirkt, als genieße er die Aufmerksamkeit von Polizei, Medien und Gegendemonstrant*innen. Der Deutschtürke hat eine Demonstration gegen das Autonome Zentrum in Aachen angemeldet, wo eine »Tuntenshow« stattfinden soll. Er war früher in der AfD aktiv, verließ die Partei aber im vergangenen Jahr im Streit. Nun hat sich Sentürk mit Neonazis verbunden, viele davon sehr jung. Sie gehören Gruppen mit Namen wie »DST-Der Stoßstrupp« oder »Jung & Stark« an. Diese traten erstmals vergangenen Sommer in Erscheinung, als sie CSDs in zahlreichen Städten störten und Teilnehmer*innen angriffen. Im Dezember marschierten Sentürk und sein neonazistisches Gefolge schon einmal in Berlin.

Nun also Aachen, Sentürks Heimatstadt. Das in einem Luftschutzbunker in der Nähe des Hauptbahnhofs beheimatete Autonome Zentrum ist Sentürks Ziel. Die Antifajugend Aachen erklärt sein Interesse für linke Strukturen mit erfolgreichen Störaktionen, die Sentürks AfD-Karriere einen Dämpfer verpasst und letztlich zum Bruch mit der AfD geführt hätten. Sentürk möchte nun seine eigene Partei gründen. Die »Bürgerliche Allianz Deutschland« (BAD), ein entsprechendes Transparent ist in Aachen schon dabei. Seinen Wunsch, bürgerlich aufzutreten, unterstreicht er durch einen klassischen schwarzen Herrenmantel. Beim Rest der Teilnehmenden dominieren Bomberjacken, bis ins Gesicht gezogene Schlauchschals und einige Gesichtstätowierungen. Parolen wie »Ob Ost, ob West – Nieder mit der roten Pest!« rufen alle gemeinsam.

Der rechte Aufmarsch kommt vom Bahnhof Rothe Erde keine 200 Meter weit. Hunderte Gegendemonstrant*innen begleiten ihn von Beginn an von den Bürgersteigen, dann setzen sich etwa 50 auf die Straße. Der Aufmarsch stoppt, die Polizei wirkt etwas konfus und Antifaschist*innen nutzen die Gelegenheit und bilden noch eine weitere, um einiges größere Blockade. Eine Demonstration, die mit einem großen Transparent mit der Aufschrift »No Pasaran« und Bengalischen Feuern in den Händen in Richtung des Naziaufmarsches läuft, wird von Polizeieinheiten brutal aufgehalten. Mit Schlagstöcken, Tritten und Faustschlägen stoppen die Beamt*innen den antifaschistischen Protest.

Für den Naziaufmarsch geht zu diesem Zeitpunkt nichts mehr. Drei Blockaden auf dem Weg und drumherum hunderte Menschen, die die Rechten verspotten und beleidigen. Das bleibt knapp anderthalb Stunden so. Dann führt die Polizei die Rechten an der ersten Blockade vorbei in eine Seitenstraße. Wer noch im Weg ist, wird von Beamt*innen zur Seite gestoßen.

Bei den Rechten fällt jede Hemmung. Ein vermummter Neonazi führte sie nun mit einem Megafon in der Hand an. »Hier marschiert der nationale Widerstand!« und »Abschieben, Abschieben!« wird skandiert. Dass ein Großteil vermummt ist, scheint die Polizei nicht zu kümmern. Den Aufmarsch möglichst schnell zur Abschlusskundgebung am Hauptbahnhof zu bringen, ist offenbar ihr Hauptziel.

Ein Ziel, das weiterhin viele Menschen nicht teilen, sodass Polizei und Rechte sich noch weiteren Blockaden gegenübersehen – und gezwungen sind, immer wieder in Seitenstraßen auszuweichen, um den Aufmarsch an sein Ziel zu bringen. Das gelingt, wenn auch mit deutlicher Verspätung und hartem Einschreiten gegen jeden weiteren Versuch von Antifaschist*innen, den Neonaziaufmarsch zu stören. Die Polizei selbst schreibt in ihrer Abschlussmeldung, dass »600 gewalttätige Straftäter« den Aufmarsch gestört hätten. Insgesamt protestierten nach Polizeiangaben 7700 Menschen gegen den Aufmarsch. Bei 208 Teilnehmer*innen einer Sitzblockade führte die Polizei Identitätsfeststellungen durch. Im Autonomen Zentrum konnte ungestört die »Tuntenshow« des Queerreferats der Aachener Hochschulen stattfinden.

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