»Man muss über eine Ausweitung der Bundesbeteiligung sprechen«

Steuer- und Finanzexpertin Katja Rietzler über mangelnde Finanzierung der Kommunen und warum es falsch ist, bei den Beschäftigten zu sparen

Für dringend benötigte Investitionen in die Infrastruktur wie Straßen fehlt den Kommunen oft das Geld. Es wäre aber falsch bei den Beschäftigten zu sparen.
Für dringend benötigte Investitionen in die Infrastruktur wie Straßen fehlt den Kommunen oft das Geld. Es wäre aber falsch bei den Beschäftigten zu sparen.

Mit Blick auf die Tarifrunde des öffentlichen Dienstes verweisen die Arbeitgeber auf klamme Kassen der Kommunen. Wie ist es darum bestellt?

Zunächst ist die kommunale Finanzlage bundesweit sehr heterogen. Aber in der Gesamtheit kann man schon sagen, dass die Kommunen unter Druck geraten sind.

Ist mit Mehreinnahmen zu rechnen?

Eine Prognose für 2025 haben wir nicht. Zumindest war mit Blick auf die kommunalen Steuereinnahmen die Entwicklung zuletzt schwach. Bei der Gewerbesteuer ist hinsichtlich der aktuellen Konjunktur auch nicht mit einer rosigen Zukunft zu rechnen. Wir nehmen zwar immer noch eine nominale Zunahme der Steuereinnahmen insgesamt wahr. Das ist erwartbar gewesen, weil die Preise und die Löhne steigen. Aber die Zunahme ist deutlich schwächer als bei den Ausgaben.

Wofür geben die Kommunen Geld aus?

In den aktuellen Daten der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen sieht man, dass die Ausgaben 2023 um 9,3 Prozent angestiegen sind und 2024 erneut um 6,3 Prozent. Da spielen etwa gestiegene Preise und Arbeitnehmerentgelte mit rein. Besonders stark haben aber die Sozialausgaben zugenommen. Die stiegen im Jahr 2023 um 11,8 Prozent und im vergangenen Jahr um 11,2 Prozent. Sie liegen damit deutlich oberhalb der Zunahme der Ausgaben insgesamt. Was sich jetzt zu bestätigen scheint, ist, dass sich das stark auf die Investitionstätigkeit auswirkt. Die blieb 2024 nominal mehr oder weniger konstant, das heißt aber, dass es real einen Rückgang gibt. Das könnte auf ein Phänomen hindeuten, das wir schon öfter gesehen haben: Den Kommunen steht das Wasser bis zum Hals, die Sozialausgaben setzen sie unter Druck und darunter leiden die Investitionen, die aber dringend benötigt werden. Etwa, wenn wir von Schulgebäuden oder Straßen sprechen.

Interview

Dr. Katja Rietzler ist Referatsleiterin für Steuer- und Finanzpolitik am gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung. Sie forscht unter anderem zur Finanzlage und zu Investitionsbedarfen der Kommunen in Deutschland. Das Interview führte Felix Sassmannshausen.

Wie plausibel ist es, dass die Arbeitgeber bei den Personalkosten sparen wollen?

Die Arbeitnehmerentgelte steigen seit einiger Zeit langsamer als anderen Ausgabenposten. Das hat dazu geführt, dass der Anteil der Personalkosten an den Gesamtausgaben in der Tendenz zuletzt leicht gesunken ist. Und Kommunen sind als Arbeitgeber auch Teil eines größeren Arbeitsmarkts. Als solche stehen sie im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern um qualifizierte Fachkräfte. Wenn es um eine grundsätzliche Unterfinanzierung geht, kann die Lösung nicht sein, dass die Beschäftigten das Problem beheben. Das ist auch nicht im Interesse der Kommunen, weil man ja ein attraktiver Arbeitgeber sein möchte.

Woran liegt es, dass die kommunalen Finanzen so desolat sind?

Es ist seit Jahren so, dass die Kommunen immer neue Aufgaben bewältigen müssen. Das wurde durch Zuweisungen von den übergeordneten Ebenen zwar ganz erheblich abgefedert. Aber vieles davon ist Stückwerk. Ich finde es schon erstaunlich, dass wir im vergangenen Jahr von den gesamten Einnahmen, die die Kommunen zur Verfügung hatten, eine Netto-Übertragung von anderen Ebenen von 40 Prozent hatten [Geld, das die Kommunen von übergeordneten Regierungsebenen erhalten, d. Red.]. Das ist ein sehr hoher Anteil und man sollte überlegen, wie manches auf Dauer anders verteilt werden kann, damit die Kommunen eine bessere Grundausstattung haben. Dabei wäre es wichtig, zu schauen, nach welchen Kriterien die Mittel vergeben werden.

Welche Lösungsansätze gibt es dafür?

Ich denke, dass man den Steueranteil in gewissem Umfang erhöhen kann, weil schon auffällt, dass die Kommunen massiv von den übergeordneten Ebenen unterstützt werden. Und ich bin der Ansicht, dass man über eine Ausweitung der Bundesbeteiligung an Sozialausgaben sprechen sollte, weil die Belastungen räumlich so ungleich verteilt sind. Gerade dieser Punkt ist virulent und muss angegangen werden.

Wie meinen Sie das?

Wir reden viel über Sozialausgaben und die verteilen sich im Raum sehr unterschiedlich. Kommunen in Oberbayern mit niedrigerer Arbeitslosenquote und weniger Langzeitarbeitslosen sind da weniger belastet als Kommunen im nördlichen Ruhrgebiet. Man muss solche über die Fläche ungleich verteilten Bedarfe in den Blick nehmen. Teilweise werden Bundesmittel durch Änderungen des Umsatzsteueranteils der Gemeinden übertragen, wobei sich der Verteilungsschlüssel unter den Kommunen an der Wirtschaftskraft orientiert. Die Verteilung geht dann zulasten finanzschwacher, ohnehin stark durch Sozialausgaben belasteter Kommunen. Da könnte man über andere Verteilungsmechanismen nachdenken – zum Beispiel je Einwohner.

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