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Sachsen vor Kürzungen in allen Bereichen
Der Minderheitsregierung fehlen vier Milliarden Euro. Opposition lehnt Sozialkürzungen ab
Der Jugendring Oberlausitz ist insolvent. 33 Jahre bestand der freie Träger, der in Niesky ein Jugendzentrum betreibt, nun ist Schluss. Eine der Ursachen ist, dass Sachsen infolge von Landtagswahl und langwieriger Regierungsbildung keinen beschlossenen Haushalt für 2025 hat. Das Land befindet sich in der »vorläufigen Haushaltsführung«, Fördermittel werden nicht oder nur in stark reduziertem Umfang ausgezahlt. Auch wegen der großen Unsicherheit erklärte der Jugendring, man sehe keine andere Möglichkeit, als die Arbeit einzustellen.
Nachrichten wie diese zeigen einerseits, wie groß der Druck ist, endlich einen Finanzplan vorzulegen. »Der Freistaat braucht dringend einen Haushalt«, sagt der Abgeordnete Rico Gebhardt (Die Linke). Andererseits zeichnet sich ab, dass die Lage etwa für Träger, die auf Geld vom Land angewiesen sind, auch mit einem Etat kaum besser wird. Das Land, das einst wegen niedriger Verschuldung und hoher Investitionsquote als finanzpolitischer Musterknabe Ostdeutschlands galt, steht vor harten Einschnitten. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kündigte nach einer Etatklausur der Minderheitsregierung von CDU und SPD an, es werde im Freistaat »Kürzungen in allen Bereichen« geben.
Auslöser dafür sind enorme Finanzlöcher in den Jahren 2025 und 2026. Im laufenden Jahr fehlen 2,3 Milliarden Euro, was knapp einem Zehntel des Etatvolumens von 2024 entspricht. Im Jahr darauf sind es zwei Milliarden. »So etwas kannten wir bisher nicht«, sagte Kretschmer. Er verwies zur Begründung auf sinkende Steuereinnahmen und eine »unkontrollierte Aufgabenvermehrung durch Bundesgesetze«. CDU-Finanzminister Christian Piwarz erklärte, Gestaltungsspielräume in Ministerien etwa bei Fördermitteln »stehen zum jetzigen Zeitpunkt nicht zur Verfügung«. Es brauche »eine umfassende Konsolidierungsstrategie – kurz- und mittelfristig.«
»So etwas kannten wir bisher nicht.«
Michael Kretschmer Ministerpräsident
Wo genau die Fachminister den Rotstift ansetzen, soll bis zur nächsten Haushaltsklausur im Februar geklärt werden. Einen Etatentwurf kündigte Kretschmer für Ende März an. Um die vorläufige Haushaltsführung auf eine »möglichst kurze Zeit« zu begrenzen, solle der Doppelhaushalt »rechtzeitig vor der Sommerpause« beschlossen werden, ergänzte Piwarz. Allerdings dürfte es zuvor ein hartes Ringen mit der Opposition im Landtag geben. CDU und SPD stellen zusammen nur 51 der 120 Abgeordneten und benötigen mindestens zehn zusätzliche Stimmen für eine Mehrheit.
Linke-Politiker Gebhardt geht von »anstrengenden Verhandlungen« aus. Er nannte es »vernünftig«, dass die Regierung angesichts der schwierigen Lage die Überweisungen in einen Pensionsfonds für Beamte senkt, rügte aber zugleich, dass sie trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage die Schuldenbremse nicht antaste. Er betonte, mit seiner Fraktion werde es »keine Sozialkürzungen geben«. Auch BSW-Fraktionschefin Sabine Zimmermann erklärte, man werde keine Abstriche im Sozial- und Gesundheitsbereich sowie bei der Infrastruktur mittragen. Sie erinnerte CDU und SPD an Wahlversprechen wie ein Kita-Moratorium und warf ihnen vor, die Wähler »belogen« zu haben: »Dass vier Milliarden fehlen, stellt man nicht über Nacht fest.« Franziska Schubert, Fraktionschefin der Grünen, warnte vor einer Wiederholung der sächsischen Rotstiftpolitik ab 2009 und erklärte, man werde »kein Mehrheitsbeschaffer sein« für Kürzungen bei Kinder-, Jugend- und Sozialarbeit. »Der Zusammenhang zwischen flächendeckender Jugend- und Sozialarbeit und demokratischer Kultur ist belegt«, sagte sie. »Überall da, wo sich der Staat herauszieht, ziehen Rechte ein.« Etwa dort, wo nun die Angebote des Jugendrings Oberlausitz fehlen.
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