Australia Day oder Tag der Invasion?

Kontroverse um Australiens Nationalfeiertag zeigt zunehmend rassistische Züge

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 4 Min.
Bei Australiens Indigenen ist der Umgang mit dem Australia Day umstritten.
Bei Australiens Indigenen ist der Umgang mit dem Australia Day umstritten.

Wurde in den vergangenen Jahren ernsthaft darüber diskutiert, den australischen Nationalfeiertag, den Australia Day, zu verschieben, so hat sich die Debatte in diesen Tagen deutlich gewandelt. Sie ist nach rechts gerutscht, in ein Milieu, das Rassismus wieder salonfähig machen möchte, angefeuert von den Medien eines Rupert Murdoch, ermutigt durch einen neuen US-Präsidenten und gestärkt dadurch, dass ein Referendum, das den Indigenen 2023 eine »Stimme« im Parlament in Canberra geben wollte, spektakulär gescheitert ist.

Sucht man dieser Tage auf der Plattform X Beiträge unter dem Stichwort »Australia Day«, erscheint eine lange Litanei an Posts, die dafür stimmen, das Datum des Nationalfeiertages (26. Januar) beizubehalten, viele davon mit einem rassistischen Unterton, der in Richtung »White Supremacy« geht. Ein X-Nutzer wirbt täglich für das umstrittene Datum: »Bis zum 26. werde ich jeden Tag über unsere unglaubliche Kultur und unser Land twittern«, schreibt er in einem dieser Posts.

Familienfeiern und Proteste

Grundsätzlich ist der australische Nationalfeiertag ein Tag der Familie. Es werden Barbecues organisiert und Picknicke veranstaltet. Am Abend gibt es an vielen Orten ein Feuerwerk. Viele malen sich australische Flaggen ins Gesicht oder schwenken kleine Fähnchen. Gefeiert werden soll, wofür Australien stehen will: Fairness, Zusammenhalt und Kameradschaft – das sogenannte »Mateship« – und Multikulturalismus. Nicht umsonst leben Menschen aus aller Welt friedlich auf dem fünften Kontinent zusammen, darunter auch rund eine Million mit deutscher Abstammung und etwa 100 000 Menschen, die in Deutschland geboren wurden und entweder ausgewandert sind oder zeitweise in Australien leben.

Eine dieser Deutschen, Ina Petersen, berichtet dann auch, wie sie den Australia Day gerne mit einem Grillabend mit Freunden oder einem Camping-Wochenende begeht. Nicht fehlen dürfen die beliebten Lamingtons, ein landestypisches Gebäck, ein in Schokolade und Kokosraspeln gehüllter Biskuitkuchen.

Der 26. Januar markiert auch den Tag vor 237 Jahren, an dem die »Erste Flotte«, die britische Sträflinge nach Australien brachte, in der Sydney Cove landete und Kapitän Arthur Phillip den britischen Union Jack hisste. Vor allem die indigene Bevölkerung nimmt Anstoß an diesem Datum, das in ihren Augen die Invasion der Briten in ihrem Land markiert und damit den Beginn von Tod, Rassismus und Zerstörung. Deswegen wird seit Jahren eine Debatte um dieses Datum geführt, und traditionell finden am 26. Januar auch Kundgebungen und Proteste statt.

Ton verschärft sich

Vor allem in den vergangenen Jahren schien dann auch ein Umdenken einzusetzen. Deutlich mehr Firmen und Institutionen zeigten offen ihre Solidarität mit den sogenannten First Nations, also den Menschen, die den Kontinent als Erstes bevölkerten. Etliche gaben ihrem Personal die Möglichkeit, am 26. Januar zu arbeiten, statt den Tag als Feiertag zu nehmen, da es für die indigenen Menschen des Landes kein Tag zum Feiern ist. Einzelhändler wie Woolworths kündigten an, weniger Australia-Day-Merchandise zu verkaufen. Die Nachfrage nach Australia-Day-Waren sei in den Geschäften »zurückgegangen«, hieß es in einer Erklärung des Unternehmens.

Auch in früheren Jahren störten sich vor allem rechtspopulistische Stimmen bereits an diesen Entwicklungen, doch in diesem Jahr scheint sich der Ton deutlich verschärft zu haben. Rassistische Aussagen gegenüber der indigenen Bevölkerung des Landes nehmen zu, angefacht auch vom liberalkonservativen Oppositionsführer Peter Dutton, der ankündigte, bei Pressekonferenzen künftig die indigenen Flaggen entfernen und den 26. Januar per Gesetz als Australia Day verankern zu wollen.

Wie eine vom »Daily Telegraph« veröffentlichte Umfrage zeigte, sind inzwischen 69 Prozent der Befragten der Meinung, dass das aktuelle Datum beibehalten werden sollte. Bei einer Ipsos-Umfrage aus dem vergangenen Jahr waren es nur 48 Prozent gewesen. Viele Historiker*innen sehen in einem anderen Datum für den Nationalfeiertag jedoch die einzige Lösung, um die Spannungen zwischen den Lagern zu lösen. Angela Woollacott von der Australian National University sagte gegenüber lokalen Medien, es habe »eine symbolische Bedeutung«, den Tag »Invasion Day« zu nennen. Damit die Debatte nicht ewig weitergehe, sei eine Datumsänderung die einzige Möglichkeit.

Interessanterweise sehen dies auch viele Internetnutzerinnen und -nutzer der Plattform Bluesky so, die sich derzeit als Gegenstück zu X formiert. »Der 26. Januar ist als nationaler Feiertag ungeeignet«, schreibt ein Nutzer dort. Es sei zweifellos ein bedeutsames Datum, sollte aber als das bezeichnet werden, was es ist: »Erster Flottentag«. Da nicht alle Australier den Tag feiern könnten, sollte ein anderer Tag gewählt werden.

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