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Wo die Sonne dem nächsten Kanzler nicht scheint
Andreas Koristka weiß, wie Friedrich Merz den neuen US-Präsidenten bei Laune halten könnte
Die Wiederwahl Donald Trumps stellt die deutsche Politik vor größere Probleme. Schaut man Richtung Amerika, zeichnet sich ein Trend deutlich ab: Da das mit dem Erschießen nicht geklappt hat, scheint es nun eine recht beliebte Strategie zu sein, dem selbstbewusst auftretenden US-Präsidenten nach dem Munde zu reden. Nur diejenigen, die den größten, wunderbarsten Präsidenten für seinen gesunden orangen Teint loben und für die extravagante Form seiner Pilzkappen-Penisspitze (letzteres tat die Stripperin Stormy Daniels), haben die Chance, mit ihren Anliegen bei ihm durchzudringen.
Wer Narzissten nach dem Munde redet, hat es einfacher im Leben. Das gilt es im Falle Trump zu beherzigen. Auch wenn der Wahlkampf hierzulande spannend ist, sollte der nächste Bundeskanzler Friedrich Merz schon heute darüber nachdenken, wie er sich beim US-Präsidenten lieb Kind machen kann.
Fest steht, dass der Machthaber in Amerika ein Faible für die Annexion unwirtlicher Inseln hat. Etwas wie Grönland besitzt Deutschland zwar nicht, aber vielleicht würde sich Trump auch über Rügen als Antrittsgeschenk des nächsten Bundeskanzlers freuen. Die vielen FKK-Strände könnten zwar leicht verstörend auf unsere prüden amerikanischen Freunde wirken, aber der gute Wille zählt. Vielleicht ist auf Rügen sogar Fracking möglich oder den Amerikanern schmecken die lieblos zusammengemanschten Fischbrötchen und Trump lässt sich auf 3,5 Prozent für Militärausgaben herunterhandeln.
Andreas Koristka ist Redakteur der Satirezeitschrift »Eulenspiegel«. Für »nd.DieWoche« schreibt er alle zwei Wochen die Kolumne »Betreutes Lesen«. Alle Texte unter dasnd.de/koristka.
Merz’ Aufgabe als Kanzler wird es sein, Trump ordentlich Chloroquin ums Maul zu schmieren. Dem Erlöser der Massen von Milliardären, die man unter dem Joch staatlicher Regulierung gängelte und zur Einhaltung von Arbeitsschutzstandards zwang, muss Merz huldigen. Er muss Trump klarmachen, für welch fantastischen Staatsmann, Golfspieler und Analog-TV-Konsumenten er ihn hält.
Diese Schmeicheleien sollten Merz nicht schwerfallen, denn seine Ziele decken sich mit denen des größten und stabilsten Genies: Ausländer raus und späte Rache an Angela Merkel. Doch als früherer Blackrock-Aufsichtsrat und tollkühner Pilot war Merz oft auf sich allein gestellt und kann sich deshalb nicht in die Gefühlswelten anderer Narzissten hineindenken. Das beweist auch sein schwieriges Verhältnis zu Markus Söder.
Doch bald wird Merz applaudieren müssen, sollte er zufällig zugegen sein, wenn Trump nach einem Locker-Room-Spruch Giorgia Meloni zwischen die Beine fasst. Denn täte Merz es nicht, käme es einem Fiasko der deutschen Diplomatie gleich. Schnell wäre Deutschland international isoliert und dürfte der US-Armee beim Einmarsch in Kanada keine logistische Hilfe leisten. Schauermärchen über die Bundesrepublik auf X und Truth Social wären die schreckliche Folge.
Bei seiner Vereidigung als Kanzler wird Merz schwören, dass er seine »Kraft dem Wohle des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden« wird. Wo er Trump zur Erfüllung dieser Aufgabe reinkriechen muss, sollte selbst dem begriffsstutzigsten Sauerländer klar sein.
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