Überdüngung im Regenwald

Tropenwäldern droht Artenschwund durch zu viele Nährstoffe

  • Norbert Suchanek, Rio de Janeiro
  • Lesedauer: 3 Min.
Dünger aus der Landwirtschaft kann benachbarten Wäldern schaden.
Dünger aus der Landwirtschaft kann benachbarten Wäldern schaden.

Tropenwälder gehören zu den wichtigsten und an Arten reichsten Ökosystemen unseres Planeten. Sie spielen zudem eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des globalen Klimas. Doch Holzeinschlag, Gewinnung landwirtschaftlicher Nutzflächen, Rinderzucht, Rohstoffabbau, Straßenbau, Megastaudämme und Zersiedelung lassen sie weltweit schrumpfen. Nun enthüllen neuere Forschungsergebnisse eine weitere Bedrohung dieser tropischen Regenwälder und Savannen: der vom Menschen verursachte Eintrag von Pflanzennährstoffen wie Stickstoff, Phosphat und Kalium.

Menschliche Aktivitäten haben seit der industriellen Revolution die natürlichen Nährstoffkreisläufe dramatisch verändert. Zusätzlich zu den natürlichen Prozessen wie Vulkanausbrüchen und Waldbränden transportieren Winde seit Jahrzehnten die in der Landwirtschaft versprühten Pflanzendünger, die durch Bergbau wie Phosphatminen freigesetzten Stäube und die nährstoffhaltigen Abgase der Verbrennung fossiler Kraftstoffe rund um den Globus und erreichen selbst weit entfernte Waldökosysteme wie den Amazonas-Regenwald. Doch welche Auswirkungen hat dies für die Wälder und deren Pflanzenvielfalt?

Ein internationales Wissenschaftlerteam der Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU), der HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim/Holzminden/Göttingen und des HUN-REN-Zentrums für ökologische Forschung in Ungarn hat sich nun dieser Frage gestellt und 59 Studien ausgewertet, die in tropischen Regionen weltweit durchgeführt wurden. Die von der Fachplattform »Current Forestry Reports« veröffentlichte Forschungsarbeit »Nutrient enrichment: an emerging threat to tropical forests« kommt zu dem Schluss, dass der verstärkte Eintrag von Nährstoffen die Produktivität, Struktur und Funktion der tropischen Vegetation erheblich verändern könne.

Konkurrenzstarke Arten profitieren

Vor allem die Kombination von Stickstoff (N), Phosphor (P) und Kalium (K) hatte die deutlichsten Auswirkungen und führte zu einer Steigerung der Wachstumsrate bestimmter Baumarten um bis zu 27 Prozent. »NPK sind grundlegende Nährstoffe für das Pflanzenwachstum. Viele tropische Böden sind jedoch nährstoffarm, und die Zugabe dieser Nährstoffe begünstigt vor allem schnell wachsende, konkurrenzstarke Arten, wodurch sich die Zusammensetzung des Waldes verändern kann«, erklärt Studienhauptautorin Daisy Cárate Tandalla von der RPTU. Diese zusätzlichen Nährstoffeinträge könnten deshalb langfristig zu homogenisierten Tropenwäldern mit deutlich reduzierter Artenvielfalt führen. Dieser Trend bedrohe die Stabilität dieser Ökosysteme.

»Diese Veränderungen können die Artenvielfalt in ganzen Nahrungsketten verringern und die Widerstandsfähigkeit der Wälder gegenüber dem Klimawandel schwächen«, so Mithauptautor Péter Batáry vom HUN-REN-Zentrum. Eine verringerte Artenvielfalt reduziere auch die Fähigkeit der Wälder, sich an Umweltstressoren anzupassen, was letztlich ihr Überleben und ihre Funktionalität bedrohe.

Problem auch für europäische Wälder

»Obwohl sich unsere Studie auf tropische Wälder konzentrierte, ist dieses Problem nicht auf entfernte Ökosysteme beschränkt«, fügt Péter Batáry hinzu. »Langfristig können ähnliche Verschiebungen auch in weniger artenreichen europäischen und ungarischen Wäldern auftreten.« Eine zusätzliche Nährstoffbelastung könnte beispielsweise schnell wachsende Arten wie etwa die aus Nordamerika eingeführte Robinie begünstigen und heimische, europäische Baumarten verdrängen.

Die Ergebnisse der Studie unterstreichen letztlich, dass dem Nährstoffmanagement gerade in tropischen Regionen, so die Forscher, dringend mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müsse: »Die Nährstoffbelastung mag zwar wie ein lokales Problem erscheinen, sie wirkt sich jedoch auf die globalen Ökosysteme aus und beeinträchtigt die biologische Vielfalt, die Kohlenstoffspeicherung und die allgemeine Gesundheit des Planeten. Die Tropenwälder sind ein Eckpfeiler des Lebens auf der Erde, und die Erhaltung ihrer Komplexität und Widerstandsfähigkeit ist von entscheidender Bedeutung.«

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