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IG Metall betont kämpferisch in dunklen Zeiten
IG Metall will Krise mit Maßnahmen gegen Deindustrialisierung und Arbeitsplatzabbau trotzen
»Unser Widerstand gegen eine Deindustrialisierung wird laut sein. Unser Einsatz für neue und nachhaltige Arbeitsplätze wird entschlossen sein«, zeigte sich die IG-Metall-Vorsitzende Christiane Benner am Montag auf der Jahrespressekonferenz der Gewerkschaft gewohnt kämpferisch. Zur vorgezogenen Bundestagswahl fordert die Industriegewerkschaft eine umfassende deutsche und europäische Industriepolitik, auch in Anbetracht zunehmender handels- und geopolitischer Konflikte.
Doch obwohl die Kassen gut gefüllt sind, ein Gefühl der Stärke kann die IG Metall aus dem letzten Jahr nicht unbedingt schöpfen. Neben der harten Tarifauseinandersetzung beim angeschlagenen Volkswagen-Konzern sah sich die Gewerkschaft in der Metall- und Elektroindustrie mit einer schwierigen Verhandlungsposition konfrontiert: In der Branche herrscht wegen sinkender Umsätze Krisenstimmung.
Primär aufgrund von Jobverlusten in der Branche verzeichnete die IG Metall im Jahr 2024 einen Mitgliederverlust von 1,9 Prozent. Damit setzt sich der langfristige Negativtrend fort: Zum Jahreswechsel zählte die Gewerkschaft nach eigenen Angaben knapp 2,1 Millionen Mitglieder. Vor zehn Jahren waren es noch annähernd 2,27 Millionen.
IG Metall will nach vorne
Dass die IG Metall damit geschwächt ins neue Tarifjahr startet, wies die Gewerkschaftsvorsitzende Benner auf nd-Nachfrage allerdings zurück. »Wir fühlen uns nicht geschwächt. Wir werden die Kräfte bündeln und sie auf die Politik richten«, unterstrich sie.
Damit soll auch der Druck für eine soziale Gestaltung der ökologischen Transformation erhöht werden. Denn eine Erneuerung des sozialstaatlichen Sicherungsversprechens sei notwendig, »sonst werden wir scheitern«, mahnte der Sozialvorstand der IG Metall, Hans-Jürgen Urban. »Es ist zu befürchten, dass nach der Bundestagswahl eine heftige Auseinandersetzung um die Zukunft des Sozialstaats entbrennen wird.« Denn bei den Unionsparteien, der FDP und der AfD werde unter Umbau des Sozialstaats ein Abbau verstanden, kritisierte Urban. »Diesen Konflikt nimmt die IG Metall an«, wechselte der Sozialvorstand in die kämpferische Rhetorik.
Statt eines Abbaus fordert die Gewerkschaft einen Um- und Aufbau des Sozialstaats. So trete man für die schrittweise Erhöhung des Rentenniveaus und eine Versicherung, in der alle Erwerbstätigen versichert sind, ein. Im Gesundheitssystem fordert die IG Metall eine solidarische Bürgerversicherung, wie sie auch von der Partei Die Linke vertreten wird. »Der größte Anschlag auf das Sicherheits- und Fairnessbedürfnis ist die Zweiklassenmedizin«, kritisierte Urban das aktuelle Modell.
Investitionen und günstige Energie
Mit Blick auf die Wirtschaftsflaute fordert die IG Metall dauerhaft wettbewerbsfähige Energiepreise und ein massives Investitionsprogramm in die öffentliche Infrastruktur. »Wir müssen staatliches und privates Kapital verbinden«, unterstrich Urban. Damit warb er für einen Investitionsfonds, den auch SPD und Grüne im Wahlkampf vorgebracht haben. Je nach Modell sieht er staatliche Förderungen für Investitionen in Höhe von zehn Prozent vor.
Aber auch Unternehmen sieht die IG Metall in der Verantwortung: Wer Fachkräfte will, müsse sie entsprechend ausbilden und qualifizieren. In der Rüstungsindustrie etwa stehe man mit Unternehmen in Kontakt und spreche darüber, wie Übergänge gestaltet werden können. Beim Zulieferbetrieb Continental würden schon Konzepte umgesetzt, die Beschäftigte für einen Wechsel in die Rüstungsbranche vorbereitet, erklärte Vorsitzende Benner auf Nachfrage. Das Geschäft mit Waffensystemen und Munition befindet sich als eine der wenigen Branchen, für die die IG Metall zuständig ist, derzeit auf Expansionskurs.
Übergeordnetes Ziel der IG Metall ist es, Standorte zu erhalten und gleichzeitig neue Arbeitsplätze und Industrien anzusiedeln. »Wir müssen alles tun, um Wertschöpfung im Land zu halten«, sagte Benner und unterstrich ihre Forderung nach einer Job-Offensive: »Für jeden wegfallenden Arbeitsplatz muss ein neuer entstehen.« Das Potenzial dafür sei bei Zukunftstechnologien wie Halbleiter, Batterierecycling und erneuerbaren Energien da. »Aber es fehlen die Voraussetzungen. Wichtig ist, dass wir einen europäischen industriepolitischen Plan entwickeln«, unterstrich sie.
Kommt die europäische Industriepolitik?
Mit Blick auf die teils aggressive Industriepolitik in China und den USA sei etwa auf EU-Ebene eine sogenannte Local Content Strategie notwendig. »Für alle industriellen Produkte, die in Europa vermarktet werden, muss es einen verpflichtenden Anteil europäischer Komponenten geben«, erklärte dazu der zweite Vorsitzende der IG Metall, Jürgen Kerner. Auf die Frage, ob eine solche Vorgabe nicht zu Vergeltungsaktionen seitens des neuen US-Präsidenten Donald Trump führen könnte, äußerte sich Kerner ausweichend.
Auf die Frage, wie hoch die Quote sein soll, teilt die Gewerkschaft auch Nachfrage mit, »zunächst mit eher niedrigen Vorgaben von etwa 30 bis 40 Prozent zu starten«. Zu einem späteren Zeitpunkt könne der Anteil noch erhöht werden. Gegenüber »nd« hatte Benner bereits eine Quote von 75 Prozent ins Spiel gebracht. Einen prozentualen Anteil für Deutschland lehnt die IG Metall ab. »Wir wollen, dass die industrielle Wertschöpfung in Europa insgesamt wächst«, hieß es.
Ansätze hierfür dürften am Donnerstag bei einem europäischen Autogipfel diskutiert werden, zu dem die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eingeladen hat. Am Mittwoch stellt sie zudem ein neues Strategiepapier der EU vor. Darin wird es auch um die Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit gehen, etwa bei Strompreisen, in der industriellen Fertigung oder bei der Technologieentwicklung. Laut Medienberichten sind dazu Einschnitte bei der EU-Lieferkettenrichtlinie sowie bei der geltenden Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen geplant.
Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, mobilisiert die IG Metall für den 15. März zu einem bundesweiten Aktionstag.
Der Artikel wurde am 28. Januar aktualisiert.
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