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Europas Linke spürt Rückenwind
Auf die Krise der europäischen Linkspartei folgt der Mitgliederzuwachs. Suche nach politischem Mehrwert
Es ist eine kaum zu unterschätzende Erfolgsmeldung für die Partei der Europäischen Linken (EL): Am Montag verkündete die EL-Spitze in Brüssel, dass die belgische Partei der Arbeit (PTB) künftig Mitglied des europäischen »Dachverbands« linker Kräfte sein wird. Die PTB, mitunter nach ihrer niederländischen Schreibweise auch PVDA abgekürzt, gewinnt seit Jahren an Einfluss in Belgien, ist in allen wichtigen nationalen und regionalen Parlamenten vertreten und entsendet seit der Europawahl 2024 auch zwei Abgeordnete ins EU-Parlament.
»Die Aufnahme der PTB eröffnet uns natürlich Dialogperspektiven mit anderen Linksparteien«, erklärt EL-Präsident Walter Baier im Gespräch mit »nd«. Baiers Optimismus speist sich auch daraus, dass in den vergangenen Wochen weitere Parteien Interesse an einer EL-Mitgliedschaft signalisiert haben: So wird mit der Nea Aristera (Neue Linke) neben Syriza eine zweite griechische Linkspartei in der EL vertreten sein; auch die Zahl der individuellen Mitglieder wächst wieder.
Zwei europäische Linksparteien
Dabei sah es vor einem guten halben Jahr alles andere als rosig für die Europäische Linke aus. Praktisch seit vergangenem Sommer existiert mit der »Allianz der Europäischen Linken für die Menschen und den Planeten« (ELA) eine weitere europäische Linkspartei, in der sich »Abtrünnige« der EL gesammelt haben. Mitglieder sind La France Insoumise, Bloco de Esquerda aus Portugal, die dänische Rot-Grüne-Allianz, die finnische Linksallianz, der spanischen Podemos sowie die polnische Razem und die schwedische Linkspartei, die beide weder Mitglied noch Beobachter in der EL waren.
Die meisten dieser Parteien sind mit Abgeordneten im Europaparlament vertreten – und sitzen in der Linksfraktion neben Parlamentarier*innen aus den EL-Parteien. Moniert hatten die ELA-Parteien – neben politischen Differenzen wie in der Ukraine-Frage und im Verhältnis zur Nato – vor allem überkommene Strukturen und Arbeitsmechanismen in der EL, beispielsweise das Einstimmigkeitsprinzip oder die Überrepräsentanz kommunistischer Parteien in den Entscheidungsgremien.
Gemeinsame europäische Kampagnen
Vor diesem Hintergrund hatte der EL-Vorstand im vergangenen Oktober einen Reformprozess eingeleitet, der vor zwei Wochen bei einer Tagung des Gremiums in Berlin weiter vorangebracht wurde. Zentral dabei ist, strukturelle Aspekte mit einer politischen Profilierung der EL zu verknüpfen. »Wir müssen auf europäischer politischer Ebene sichtbar werden«, hatte EL-Chef Baier der Tagung mit auf den Weg gegeben – und damit explizit die Erkennbarkeit in den einzelnen Ländern angemahnt. Geschehen soll dies vor allem über gemeinsame Kampagnen, die zu Themen geführt werden, die in allen EU-Staaten relevant sind – wie das Recht auf bezahlbaren Wohnraum oder der Kampf gegen die von der EU-Kommission unter Ursula von der Leyen neu angefachte Austeritätspolitik.
Zudem wolle die EL eine internationale Friedenskonferenz organisieren, gegebenenfalls gemeinsam mit der Linksfraktion im Europaparlament. »Im Europawahlkampf war die EL die einzige europäische Partei, die sich für ein sofortiges Ende des Völkermordkrieges Israels in Gaza und für einen Waffenstillstand in der Ukraine eingesetzt hat«, betont Baier und kritisiert, dass die nordeuropäischen ELA-Parteien im Europaparlament den Aufrüstungskurs der Nato und in der Ukraine mittragen.
Helmut Scholz, der 2004 zu den Mitgründer*innen der Europäischen Linken gehörte und die Entwicklung des Parteienbündnisses über die Jahre intensiv verfolgt hat, begrüßt gegenüber »nd« die »neue Qualität der Bereitschaft zur Neustrukturierung« der EL. »Die Europäische Linke will sich weiter als europäische Partei aufstellen und Politik entwickeln. Das ist ein wichtiger Ansatz, der in Berlin von praktisch sehr vielen Vorstandsmitgliedern mitgetragen wurde.« Wie der langjährige frühere Europaabgeordnete betonte, sei mit dem »Bezugspunkt zur EU-Politik« die Chance gegeben, die EL tatsächlich kampagnenfähig zu machen. »Entscheidend für die Zukunft der EL ist die Frage, welchen politischen Mehrwert sie sowohl für ihre Mitglieder bietet, vor allem aber, wie sie in breiten Bevölkerungskreisen sichtbar und überzeugungsfähig wird.«
Reformprozess muss fortgesetzt werden
Zugleich formuliert Scholz durchaus kritische Anmerkungen zum Reformprozess der EL. Die Zahl der Parteien, die schon einen tatsächlichen Beitrag zur Erneuerung der EL geleistet hätten, sei »überschaubar«, sagt er gegenüber »die-zukunft.eu«. Im Dezember hatte der Parteivorstand der deutschen Linkspartei Scholz beauftragt, an Verhandlungsprozessen zur Reform der Europäischen Linken als Mitglied im EL-Vorstand und seinem Sekretariat teilzunehmen und für Die Linke zu sprechen. Ihm zur Seite gestellt wurde eine Arbeitsgruppe, die die Entwicklungen in EL und ELA begleiten und ein Meinungsbild für den kommenden Parteitag im Mai erarbeiten soll – als Vorlage für Entscheidungen, wie sich Die Linke in diesem Zusammenhang künftig positionieren wird.
Mit all dem ist auch die Frage der Finanzierung der EL verbunden, was faktisch auch für die ELA zutrifft. Europäische politische Parteien werden nach einem komplizierten Schlüssel von Mitgliedschaft und parlamentarischer Vertretung durch das Europäische Parlament unterstützt. Letztlich kannibalisieren sich beide Parteienbündnisse gegenseitig, was zu Löchern in der Kasse führt. »Entscheidend sind die Mitgliedsbeiträge. Erhöhen sich die Eigenmittel, erhöht sich auch die Unterstützung aus dem EU-Haushalt«, konstatiert Scholz. »Angesichts dessen ist es eine wichtige Frage, welche und wie viele Aktivitäten die EL angesichts der knappen Finanzen in diesem Jahr stemmen kann.« Denn neben den genannten Kampagnen sowie der Generalversammlung im Frühjahr stehen auch 2025 wieder zwei Klassiker auf dem Arbeitsplan: die Sommeruniversität und das European Forum zum Jahresende.
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