Sachsens Zivilgesellschaft bröckelt

Immer mehr Projekte müssen Angebote beschränken oder geben ganz auf

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 3 Min.
Schülerinnen bei einem Projekttag in der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig, die ihre Angebote jetzt drastisch einschränken muss.
Schülerinnen bei einem Projekttag in der Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig, die ihre Angebote jetzt drastisch einschränken muss.

Die Gedenkstätte für Zwangsarbeit in Leipzig ist eine von wenigen Einrichtungen in der Bundesrepublik und die einzige in Sachsen, die sich mit der Ausbeutung von Arbeitssklaven im NS-Staat beschäftigt. Am ehemaligen Firmensitz der Hasag, des größten sächsischen Rüstungsbetriebes, zeigt sie Ausstellungen, zudem erklären Ehrenamtliche bei Stadtspaziergängen, wie allgegenwärtig Zwangsarbeit in der NS-Zeit war.

Solche Spaziergänge finden ab sofort nur noch sehr eingeschränkt statt, ebenso wie pädagogische Angebote. Die Ausstellung ist nur noch an drei statt fünf Wochentagen geöffnet. Man sehe sich zu »drastischen Einschränkungen« gezwungen, sagt Jonas Kühne vom Trägerverein und fügt an, es sei »ein alarmierendes Zeichen, wenn historisch-politische Bildung heruntergefahren werden muss«.

Auslöser für den »schmerzhaften« Schritt ist der Umstand, dass sowohl die Stadt als auch der Freistaat keinen beschlossenen Etat für 2025 haben und sich in der vorläufigen Haushaltsführung befinden. Fördergelder werden nur in sehr reduziertem Umfang ausgereicht. Der Gedenkstätte sind 150 000 Euro vom Land in Aussicht gestellt, aber ob und wann das Geld wirklich fließt, wisse man erst, wenn der Etat beschlossen sei, womit frühestens im Juli gerechnet wird. Bis dahin, sagt Kühne, lebe man mit »hoher Planungsunsicherheit«.

»Jetzt rächt es sich, dass es weder im Bund noch im Land ein Demokratiefördergesetz gibt.«

Benjamin Winkler Sprecher Tolerantes Sachsen

Immerhin: Die Leipziger Gedenkstätte kann den Betrieb mehr schlecht als recht aufrechterhalten. Etliche Jugend- und Demokratieprojekte in Ostsachsen stehen derweil vor dem Aus. In der Region Bautzen beendet der Landkreis die »Partnerschaft für Demokratie«, die Kultur und Jugendbeteiligung im ländlichen Raum förderte. Die »Partnerschaft« wäre in den nächsten acht Jahren mit 1,6 Millionen Euro aus dem Bundesprogramm »Demokratie leben« gefördert worden. Der Landkreis hätte 50 000 Euro pro Jahr zuschießen müssen, zog diese Förderung aber zurück. Im Haushalt für 2025/26 klaffe ein Millionenloch, alle freiwilligen Leistungen stünden auf dem Prüfstand, hieß es.

Eine ähnliche Gemengelage hat im benachbarten Landkreis Görlitz kürzlich den Jugendring Oberlausitz in die Insolvenz getrieben. Man habe drei Jahrzehnte lang »Unermessliches für die Jugendarbeit im Landkreis geleistet«, sagte Geschäftsführerin Jana Lübeck. Dass man jetzt aufgibt, führt sie auch auf Unsicherheit über Förderzusagen sowie den fehlenden Landesetat und Kürzungen des Landkreises in der Jugendarbeit zurück: »Die finanzielle Last und die Unsicherheiten der Finanzierung unserer Arbeit haben uns zu diesem Entschluss gezwungen.«

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Die Liste der Beispiele ließe sich fortsetzen. Beim Netzwerk Tolerantes Sachsen, in dem rund 150 Initiativen und Vereine zusammenarbeiten, ist von einer »Zitterpartie« für viele der Mitglieder die Rede. »Es herrscht große Unsicherheit bezüglich der Finanzierung«, sagt Benjamin Winkler von der Amadeu-Antonio-Stiftung, einer der Netzwerk-Sprecher. Es räche sich, dass es weder im Bund noch im Freistaat ein Demokratiefördergesetz gebe, das eine verbindliche Finanzierung garantiere. »Aktuell gilt das, was wir machen, als freiwillige Leistung, und dort wird in Zeiten knapper Kassen zuerst gekürzt«, sagt Winkler und fügt hinzu: »Das spielt Kräften in die Hände, die unsere Arbeit ohnehin bekämpfen.« Das Netzwerk hatte bereits im November vor einem »drastischen Kahlschlag« bei zivilgesellschaftlichen Projekten gewarnt und gefordert, bestehende Förderrichtlinien für Demokratie-, Gleichstellungs- und Integrationsarbeit zu verstetigen und finanziell abzusichern, »um angesichts rechtsextremer Bedrohungen langfristig handlungsfähig zu bleiben«. Das sei auf Landesebene versäumt worden, sagt Winkler: »Es gab gute Worte, aber wenig Konkretes.«

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