Gesetzespaket: Puigdemont einigt sich mit Sánchez

Kataloniens Unabhängigkeitspolitiker stützt Spaniens Ministerpräsidenten weiter gegen Zugeständnisse

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.
Spaniens Ministerpräsident Sánchez verkündet während einer Pressekonferenz am 28. Januar die Einigung mit der Partei von Puigdemont.
Spaniens Ministerpräsident Sánchez verkündet während einer Pressekonferenz am 28. Januar die Einigung mit der Partei von Puigdemont.

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez konnte sein Waterloo noch einmal abwenden. Seine Emissäre haben es geschafft, sich mit dem im belgischen Waterloo residierenden katalanischen Ex-Präsidenten Carles Puigdemont zu einigen. »Es gab natürlich gegenseitige Zugeständnisse, wie in jedem Abkommen«, heißt es aus der Regierung von Sánchez, nachdem sie einen Pakt mit der Puigdemont-Partei Junts per Catalunya (JxCat) am Dienstag unter Dach und Fach bekommen hat.

Der Pakt zwischen der sozialdemokratischen Regierung und der katalanischen Unabhängigkeitspartei ermöglicht es, dass am Donnerstag wichtige soziale Maßnahmen in Spanien doch noch in Kraft treten können, nachdem sie am Mittwoch im Gesetzesblatt veröffentlicht worden sind. Noch vergangene Woche sah es nicht danach aus. Das von der Minderheitsregierung eingebrachte »Omnibus-Dekret« (bunter Mix wie die Fahrgäste in einem Omnibus, d. Red.) bekam im Parlament keine Mehrheit, weil JxCat die Zustimmung verweigert hatte. Die im Dekret zusammengefassten mehr als 80 unterschiedlichen Maßnahmen waren damit als Paket vom Tisch. Die schwache Minderheits-Koalitionsregierung der sozialdemokratischen PSOE mit der linken Partei Sumar (Summieren) ist auf Unterstützung diverser Parteien für eine Mehrheit angewiesen, um Gesetze zu beschließen oder Dekrete zu bestätigen. Die müssen innerhalb von 30 Tagen nach Verabschiedung durch die Regierung vom Parlament abgesegnet werden und dabei fiel der »Omnibus« durch.

Ohne Pakt hätte die Rentenerhöhung, schon im Januar durchgeführt, genauso wieder zurückgenommen werden müssen wie die Erhöhung des Sozialgelds. Auch Zuschüsse waren schon verlängert worden, um Fahrten im öffentlichen Verkehr zu verbilligen. Sie waren als Ausgleich für hohe Inflationsraten eingeführt worden. Auch dringende Hilfsgelder für Opfer der Flutkatastrophe in Valencia hingen in der Luft. Ebenso das Räumungsverbot bei Mietrückständen im Fall von besonders vulnerablen Menschen, denen ohne Dekret-Bestätigung wieder Strom, Gas oder Wasser hätten abgestellt werden können.

Sánchez pokerte wie üblich hoch. Er glaubte, die Puigdemont-Partei würde das erste Paket nicht gemeinsam mit der rechten Volkspartei (PP) und der rechtsradikalen Vox ablehnen. Danach versuchte er, JxCat als rechte antisoziale Partei zu brandmarken. Dabei hatten Puigdemont und Co. stets klargestellt, dass sie sozialen Verbesserungen zustimmen würden. »Wir haben immer gesagt, dass wir damit einverstanden sind«, erklärte Puigdemont. Die Regierung »schert sich einen Dreck« um Rentner. JxCat warf Sánchez »Wahltaktik« vor. JxCat wollte aber kein Paket mit »mehr als 80 Maßnahmen« durchwinken, die zum Teil alles andere als sozial waren. Die JxCat-Sprecherin Miriam Nogueras erklärte bei der Debatte im Parlament vergangene Woche, Sánchez regiere so, als verfüge er über eine absolute Mehrheit, und präsentiere Dekrete ohne jegliche Verhandlungen. »Seine Piratenpolitik teilen wir nicht und unterstützen wir nicht«, erklärte sie. Man werde der »Erpressung« nicht nachgeben, zitierte sie Sánchez. Der hatte 2018 damals noch aus der Opposition der rechten PP-Regierung »Erpressung in Reinkultur« vorgeworfen, als diese eine Rentenerhöhung mit der Zustimmung zum Haushalt verknüpfte.

Letztlich wurde der Vorgang zum Rohrkrepierer für Sánchez. Zunächst erklärte dieser halsstarrig, er werde das gesamte Paket erneut zur Abstimmung stellen. Dann lenkte er ein und schnürte in Verhandlungen mit JxCat das Paket auf. So wurde ein Sozialpaket mit 29 Maßnahmen beschlossen. Umstrittene Subventionen zum Kauf von teuren E-Autos für Gutverdiener bleiben zum Beispiel ausgesetzt. Das gilt auch für Steuervergünstigungen für Banken. Sánchez wollte »Belastungen« für eine eingeführte Bankenabgabe mildern. Dabei schreiben Banken Rekordgewinne und wurden nach der Finanzkrise 2008 mit vielen Milliarden gerettet, die nie zurückgezahlt wurden. Auch Subventionen für »stromintensive« Betriebe wurden nicht verlängert, mit denen sich Spanien Vorteile auch gegenüber Deutschland geschaffen hatte.

»Wir haben die Nase voll, dass die Leute ständig betrogen und Abkommen nicht eingehalten werden«, erklärte Nogueras mit Blick auf Versprechen von Sánchez. Deswegen ließ JxCat immer wieder Sánchez-Vorhaben scheitern und brach auch die Haushaltsverhandlungen ab, die nun wieder aufleben können. Andere Parteien ließen sich erpressen, sagte die JxCat-Sprecherin auch mit Blick auf die Republikanische Linke Kataloniens (ERC). Vergangene Woche beschloss diese sogar mit PSOE, Sumar und der rechten PP eine versteckte Erhöhung des Rentenalters auf 72 Jahre. Dafür war die Zustimmung des Oppositionsführers PP nötig, da diverse Unterstützer der Minderheitsregierung das nicht mittragen wollten, auch nicht die JxCat von Puigdemont.

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