Energie in Berlin: Kommt die Gasag doch noch heim?

Linke und SPD erwägen Vergesellschaftung der Gasversorgung über Umwege

Zwischen Kooperation und Übernahme: Die Zukunft der Gasag ist weiter offen.
Zwischen Kooperation und Übernahme: Die Zukunft der Gasag ist weiter offen.

Schwarz-Rot will erklärtermaßen die Abhängigkeit der Hauptstadt von privaten Energieversorgern überwinden und Berlin klimaneutral umbauen. Hierbei galt neben der Rekommunalisierung der Fernwärmesparte von Vattenfall der Erwerb von Mehrheitsanteilen der Gasag als wichtiger Zwischenschritt. Doch während die Fernwärme im Mai vergangenen Jahres wieder in die Berlin Energie und Wärme AG (BEW) und damit in Landeshand gelangen konnte, musste der Senat im November das Scheitern des Vorhabens mit der Gasag verkünden. Seitdem ist weitgehend offen, wie der Senat nun weiter vorgehen will.

Bis zum 30. November 2025 hat das Land Berlin Zeit, einer automatischen Verlängerung des Konzessionsvertrages zu widersprechen, mit dem der Versorgungsauftrag an die Gasag vergeben wird. Tut es das nicht, so endet der Vertrag nicht Ende 2027, sondern Ende 2034. Die Vertragsvereinbarungen würden weiter gelten.

Eine Verlängerung der Konzession will sich zumindest die SPD gründlich überlegen. »Das anstehende Konzessionsverfahren wird kein einfacher Ritt«, sagte Jörg Stroedter am Montag im Wirtschaftsausschuss des Abgeordnetenhauses. Es seien verschiedene Alternativen der Beteiligung zu prüfen. Stroedter brachte auch die Bewerbung einer landeseigenen Gesellschaft ins Spiel, als er an die am Ende untersagte Vergabe an die landeseigene Berlin Energie im Jahr 2014 erinnerte. »Ich gehe davon aus, dass der Senat besser präpariert sein wird, als er das war«, sagte Stroedter. Damals hatte der Senat der Berlin Energie den Versorgungsauftrag erteilt. Gerichte hatten die Vergabe wegen zahlreicher Rechtsverstöße jedoch als unrechtmäßig beurteilt. Am Ende kam wieder die Gasag zum Zug.

Der CDU-Abgeordnete Christian Gräff sagte nun, es sei nicht Sinn der Sache, Mitarbeiter*innen mit irgendwelchen Drohungen zu verunsichern. Der Versuch, den Betrieb der Gasnetze selbst zu übernehmen, sei schon einmal »inhaltlich, organisatorisch und juristisch« gescheitert, verwies Gräff mit Blick auf Stroedter auf die negativen Erfahrungen von 2014.

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Vielleicht auch gerade wegen der zwischen den Koalitionspartnern hervorgetretenen Differenzen ließ Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) eine Tendenz des Senats offen. Sie wolle nicht irgendetwas »in den Raum pusten«, was nicht abgestimmt sei und am Ende die Beschäftigten verunsichere.

»Wir müssen die künftige Rolle der Gasag und des Gasnetzes in Berlin zügig klären«, erklärt der ehemalige, inzwischen aus der Linken ausgetretene Stadtentwicklungssenator Sebastian Scheel im Gespräch mit »nd«. Es gelte insbesondere für die kommunale Wärmeplanung »eine Konkurrenz der landeseigenen BEW mit der GASAG aufzulösen und eine reibungslose Transformation der Wärmeversorgung umzusetzen«, sagt Scheel. Hierfür sei die Rekommunalisierung der Gasag nach wie vor das Wunschszenario der Linksfraktion.

Ähnlich wie der SPD-Abgeordnete Stroedter bringt Scheel die Gründung einer neuen Landesgesellschaft ins Spiel. Diese sollte sich auf die auslaufende Konzession bewerben. Das Land Berlin könne so »mittelbar Einigungsdruck auf die weiteren Anteilseigner« aufbauen, sagt Scheel. Anders als Vattenfall und Eon hatte die französische Engie den Verkauf ihrer Anteile abgelehnt. Eine Mehrheit der Anteile, wie laut Koalitionsvertrag erwünscht, war damit für das Land Berlin zumindest in absehbarer Zeit nicht zu erreichen.

Doch eine Landesgesellschaft könne nicht nur für Druck auf die Gasag-Eigner hin zu einem Verkauf sorgen, sagt Scheel. Im Zweifel könne ihr auch die Konzession übertragen werden. Sorge um die Beschäftigten lässt der Ex-Senator nicht gelten. Das Land müsste im Sinne der Beschäftigten dann eben einen geordneten Betriebsübergang gewährleisten. Doch für die Linksfraktion wie für die Beschäftigten sei das nur die zweitbeste Lösung.

»Die Entscheidung des Senats, die Anteile von Vattenfall nicht zu kaufen, war eine strategische Fehlentscheidung.«

Sebastian Scheel (parteilos)

Eine Gasag in Landeshand, das hätten sich die Betriebsräte immer gewünscht, sagt auch SPD-Politiker Stroedter, und das sei auch immer noch der Wunsch der Mitarbeiter*innen. Im Übrigen, verrät Stroedter, sei eine Minderheitenbeteiligung – über den Kauf von 31,75 Prozent der Anteile an der Gasag von Vattenfall – für die SPD immer denkbar gewesen.

»Die Entscheidung des Senats, die Anteile von Vattenfall nicht zu kaufen, war eine strategische Fehlentscheidung«, sagt Sebastian Scheel. Mit den Anteilen hätte das Land eine Sperrminorität erhalten, worüber eine begrenzte Mitbestimmung hergestellt wäre. »Der Erwerb der Vattenfall-Anteile wäre zudem ein wichtiger Zwischenschritt auf dem Weg zur Rekommunalisierung gewesen.«

Engie wollte sich auf nd-Anfrage nicht zu den Gründen des gescheiterten Verkaufs äußern. Gespräche mit dem Land Berlin würden vertraulich behandelt. Es habe aber nicht am Geld gelegen, das der Finanzsenator geboten habe, berichtet der »Tagesspiegel« unter Berufung auf politische Beobachter. Stattdessen beteilige sich der französische Energieversorger aus Prinzip nicht an Geschäften mit fossilen Kraftstoffen. Dazu wäre es laut »Tagesspiegel« aber über Umwege wohl gekommen. Denn die Koalition habe geplant, die Gasag und die BEW in einem neuen landeseigenen Unternehmen zusammenzuführen. Vattenfall hatte seine Fernwärme auch aufgrund der eigenen angestrebten Klimaneutralität verkauft. Die Umrüstungskosten der Fernwärme gelten als immens. Im Koalitionsvertrag ist der integrative Netzbetrieb von Gas und Wärme ein langfristiges Ziel.

»Dass die Gespräche mit den Anteilseignern geplatzt waren«, sagt Sebastian Scheel, »lag offenbar an den Senatsplänen, auf Drängen der CDU ohne Not eine Verschmelzung von Fernwärme und Gasag vorzunehmen.« Das wäre einer fatalen Teilprivatisierung des gerade erst erreichten Rückkaufs der Fernwärme gleich gekommen.

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