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BSW: Jetzt soll der Volkszorn helfen
Wolfgang Hübner über den Wagenknecht-Vorschlag einer Volksabstimmung zu Migration und Asyl
Sahra Wagenknecht hat ein Problem. Ihre Partei, die im Frühjahr und Sommer einen heftigen, aber kurzen Aufschwung erlebte, befindet sich vor der Bundestagswahl im Sinkflug. Neben der albernen Jammerei von BSW-Funktionären darüber, dass Umfragen manipuliert sein könnten, verlegt sich die Parteigründerin verstärkt auf das Thema, mit dem sie schon in der Linkspartei seit Jahren Stimmung gemacht hat: die Migrations- und Asylpolitik. Weil sie mit ihren quasisrassistischen Positionen, Migranten für alle Probleme im Land verantwortlich zu machen, neben AfD, CSU und CDU kaum noch auffällt, muss Wagenknecht immer noch eins draufsetzen.
Die jüngste, nun ja, Idee: eine Volksabstimmung über den Kurs Deutschlands in der Migrationspolitik. Vermutlich ist man darauf in der AfD-Führung neidisch. Denn so etwas stammt aus dem Handbuch für Rechtspopulisten – aufgeheizte Mehrheitsstimmungen über das Schicksal von Minderheiten entscheiden zu lassen. Wenn es einem schon nicht der menschliche Anstand sagt: Ein Blick in die deutsche Geschichte müsste genügen, um solche Vorschläge zu disqualifizieren. Ganz nebenbei versucht Wagenknecht das Ergebnis einer solchen Volksabstimmung gleich vorzugeben: Die Einwanderung müsse künftig deutlich unter den jetzigen Zahlen liegen. Wozu dann noch das Volk befragen?
In welche Richtung sich ihrer Meinung nach Deutschland entwickeln soll, haben sie und die anderen BSW-Abgeordneten in der letzten Woche demonstriert. Einem Fünf-Punkte-Plan von Friedrich Merz zur drastischen Einschränkung des Asylrechts verhalf das BSW durch Enthaltung zu einer Mehrheit aus Union, AfD und FDP. Und beim gescheiterten Zustrombegrenzungsgesetz stimmte das BSW mit Union, AfD und FDP. Eine neue Allianz für Deutschland.
In der Bundestagsdebatte dazu bettelte Wagenknecht regelrecht um Stimmen von AfD-Wählern. Währenddessen traf sich nach ihrem TV-Disput mit AfD-Chefin Alice Weidel Wagenknechts Ehemann Oskar Lafontaine bei einem österreichischen Privatsender (»Das Duell zur Wahl in Deutschland«) mit dem AfD-Kovorsitzenden Tino Chrupalla. Dabei adelte Lafontaine, der im BSW wie ein Ehrenvorsitzender behandelt wird, die AfD mit dem Bekenntnis, die CDU hätte auf Landesebene längst mit der Rechtsaußen-Partei koalieren müssen. So wie er als Sozialdemokrat einst Regierungen mit den Grünen und der PDS befürwortete.
Diese beim BSW zum Programm erhobene Rechts-links-Blindheit ist nicht nur eine Unverschämtheit, sondern auch Ausweis dafür, dass dort die politischen Maßstäbe völlig verrutscht sind. Aus demselben Denken stammt der laut Wagenknecht beim BSW diskutierte Vorschlag, die Partei künftig Bündnis für Sicherheit und Wohlstand zu nennen. Dieses indifferente Label könnten sich problemlos auch die Abstimmungsgefährten CDU, CSU, AfD und FDP aufkleben.
Insofern ist es schon klar, dass Wagenknecht versucht, irgendwie Aufsehen zu erregen. Und sei es mit einer ausländerfeindlichen Volksabstimmung. Ihre Behauptung, damit könne man der AfD den Wind aus den Segeln nehmen, ist so naiv, dass es schon wieder lächerlich wirkt. Zumal das BSW bisher mit diesem Anspruch gescheitert ist. Bei einer solchen Volksabstimmung könnten sich alle Rechten und Ausländerfeinde austoben wie noch nie. Sie würden das Ereignis zum Kampf- und Feiertag erheben. Es ist nicht vorstellbar, dass Wagenknecht das nicht weiß. Sie liefert den rechten Brandstiftern das Brennholz und die Streichhölzer und spekuliert auf einen parteitaktischen Vorteil. Das ist politisch blind und verwerflich.
Natürlich muss über die Probleme bei Migration und Asyl weiter gesprochen und gestritten werden. Sachlich und an den Menschen orientiert. Aber nicht, indem man den deutschen Volkszorn mobilisiert.
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