Was hat die Kulturbranche Trump entgegenzusetzen?

Die USA wurden von einer gesellschaftspolitischen Utopie zum rechten Albtraum – was macht jetzt der US-Kulturbetrieb?

  • Florian Schmid
  • Lesedauer: 6 Min.
Was ist mit Dir passiert, Amerika?
Was ist mit Dir passiert, Amerika?

Letzte Nacht träumte ich, dass der grönländische Geheimdienst Donald Trump kurz vor der Amtseinführung entführt hatte. Der amerikanische Präsident wurde erst tiefgefroren und dann in Häppchen an niedliche Robben-Babys verfüttert, die alle Sticker mit der Aufschrift »Save the Planet« trugen. Und dann erwachte ich plötzlich im realen Albtraum, in dem Donald Trump längst zum Präsidenten der USA geworden war.

Was passiert nun mit Dir, Amerika? Ich hatte von jeher ein enges und emotionales Verhältnis zu Dir, das vor allem durch die Kultur geprägt war. Zu Beginn meiner Teenager-Zeit legte ich meine ersten Tanzeinlagen mit meinem Kumpel Martin im Keller zum damals in die Charts gestürmten Gassenhauer »Kids in America« hin. Wir sangen lauthals mit. Wir waren die »Kids in America«, Mitglieder eines kulturellen Imperiums, wie Dietmar Dath sinngemäß schon mal vor Jahren so schön beschrieb. Zuvor hatten wir schon ganz treu vor der Glotze jede Woche die Detectives Mike Stone und Steve Heller in der Krimiserie »Die Straßen von San Francisco« auf ihren Fahrten durch die Bay Area begleitet.

Einige Jahre später drehte der Wind und ich frönte der damals gängigen und eher platten US-Kritik, wie sie auch die Band »Slime« von sich gab und Anfang der 90er Jahre auch in einem, in der linken Szene kursierenden Spanisch-Lehrbuch zu finden war, das von den USA handelte als »El enemigo numero uno«. Aber von dieser sicher auch mal notwendigen und doch allzu holzschnittartigen Kritik erholte ich mich spielend mithilfe der Lektüre von Thomas Pynchon, E.L. Doctorow, Jonathan Lethem und Ursula LeGuin und später mit den Texten von Silvia Federici und David Harvey.

Die USA, so kam es mir in den letzten Jahren immer wieder vor, waren irgendwie sogar die bessere gesellschaftspolitische Gegenwart. Konnte das sein? Was hat dann Trump dort zu suchen? Erst hatten Aktivist*innen während der Finanzkrise mit globaler Medienwirkung ein Zeltcamp in der Nähe der Wall Street aufgeschlagen, und mit Black Lives Matter brandete eine bewegungspolitische Welle durch die USA, die in ihrer Heftigkeit viele mit der Anti-Vietnam-Kriegsbewegung verglichen. In den USA schien in den vergangenen Jahren vieles möglich.

Bahnte sich da eigentlich ein emanzipatorischer gesellschaftlicher Aufbruch an, von dem man hier nur träumen konnte? Und auch im Parlament war es in den USA aufregender. Während hier die Linkspartei hilflos schwächelnd von einer Krise in die nächste stolperte und die Grünen schon seit Ewigkeiten ein staatstragender Verein geworden sind, rollten die »Democratic Socialists of America« die piefige Demokratische Partei in den USA von hinten auf. Die Wahlwerbevideos von Alexandria Octavio Cortez (AOC), die ein Kollektiv bastelte, das später die linke Medien-Streamingplattform »Means TV« gründete, warben mit einem verheißungsvollen Working-Class-Standpunkt, der mit popkulturellem Witz daherkam. Bei mir vor der Haustür hängen bundestagswahlkampfbedingt nur lahme Sprüche über Heizungspreise, während AOC ihren demokratischen Mitbewerber in der Bronx aus dem Rennen warf, indem sie ihm vorwarf, dass er weder seine Kinder auf die Einzugsschule schickt, noch das Leitungswasser trinkt. Das wäre doch undenkbar hier!

Was wird jetzt aus AOC und ihrer Squad, die in den letzten Jahren zum ultimativen Feindbild der an die Macht gekommenen Neo-Faschisten wurden? Hoffentlich passiert ihnen nichts. Wie den Abertausenden oder vielleicht sogar Millionen Menschen, die wegen ihrer Papiere, ihrer politischen Gesinnung oder ihrer sexuellen Orientierung darum bangen müssen, ob ihr Alltag von einer aggressiven Exekutive gesprengt wird, die in den Startlöchern sitzt, um präsidentielle Dekrete umzusetzen.

Die USA, so kam es mir in den letzten Jahren immer wieder vor, waren irgendwie sogar die bessere gesellschaftspolitische Gegenwart. Konnte das sein?

Philip Roth spielte die Machtübernahme der Faschisten schon vor 21 Jahren in seinem auch von HBO verfilmten Roman »The Plot against America« durch, in dem Charles Lindbergh zusammen mit Henry Ford die Demokratie schleift und es zu antisemitischen Pogromen kommt. »Scheiß American Firsters!«, sagt die weibliche Hauptdarstellerin in der Serie und verweist darauf, dass diese Parole schon vor 90 Jahren von den isolationistischen Nazis in den USA benutzt wurde. Dass die im Roman beschriebene und dort für den parlamentarischen Erfolg so wichtige Macht-Kombination des Präsidenten und eines Unternehmers derart prophetisch sein würde, konnte damals niemand ahnen. Aber auch jene fiktionalen Geschichten wirkten damals in meiner Jugend so weit weg, die einen Bürgerkrieg an die Wand malen, wie im Roman »American War« (2017) des Kanadiers Omar El Akkad, in dem der Süden gegen den Norden kämpft wegen des Verbots von Verbrennungsmotoren. Oder die rechten Todesschwadronen, die im Film »Bushwick« (2017) marodierend durch Brooklyn ziehen und dort mit feurigen Riots begrüßt werden. Und zuletzt Alan Garlands »Civil War« (2024), in dem die Western Forces gegen den rechten Präsidenten zu Felde ziehen und ihn am Ende im Weißen Haus exekutieren.

Seit Jahr und Tag legt sich Hollywood derart gegen Trump ins Zeug, aber geholfen hat es nichts. Der wundervolle Zukunftsentwurf in der Serie »Watchmen« (2019), in der Robert Redford Präsident eines aufgeklärten Amerika ist, es Reparationszahlungen für afroamerikanische Bürger gibt und Tulsa eine Gedenkstätte gegen den Rassismus wird, bleibt reine Utopie. Wo die Reise vielmehr hingeht, zeigt indes der Disney-Konzern, der gerade wie viele Firmen in den USA seine Diversity-Richtlinien geändert hat im allgemein ausgerufenen Kampf gegen die Wokeness. Trump führt vor allem auch einen Kulturkampf von rechts. Der zu feministisch geratene Star Wars-Serien-Ableger »Acolyte« wurde nach einer Staffel mit dem Vorschlaghammer eingestampft, weil sich rechte Internet-Trolle in einem Review-Bombing darüber beschwert hatten, dass Drehbuchautoren zu kreativ mit dem Stoff umgingen.

Bleibt Netflix weiterhin die Adresse, um die Schwarze Geschichte der USA kritisch aufzuarbeiten, wie das bisher geschehen ist in Serien wie »When they see us« (wo Donald Trump wirklich schlecht wegkommt)? Und was macht die Qualitäts-TV Marke HBO, die gerne gegen die amerikanische Rechte austeilt wie in der genannten Philip-Roth-Verfilmung?

Was machen die Schriftsteller jetzt? Jonathan Lethem brachte 2019 mit »Der wilde Detektiv« einen eher lahmen Anti-Trump-Roman heraus, der mehr vom Eskapismus des linksliberalen Bürgertums erzählt, als eine Position gegen den autoritären Horror der amerikanischen Rechten zu formulieren. Salman Rushdie drosch 2017 in »Golden House« ganz offensichtlich, aber auch arg künstlerisch verklausuliert, auf Trump ein. Und auch Thomas Pynchon warnte 2013 in »Bleeding Edge« eindringlich vor dem großen kommenden Rechtsruck.

Die US-Kulturindustrie muss sich jetzt mächtig anstrengen gegen Trump und seinen Kulturkrieg. Sonst bleibt nicht mehr viel. Dann kann nicht einmal mehr im Traum der grönländische Geheimdienst mit seinen Robben-Babys helfen.

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