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»Wohnst Du noch?«: Neue Solidarität in den Städten
Die Ausstellung in Berlin »Wohnst Du noch?« macht Mut, sich gegen Verdrängung zu wehren
»Alles geht vor die Hunde« und »Wir scheißen auf Verdrängung« steht auf den Schildern, die im März 2024 von Demonstrant*innen in Berlin-Kreuzberg getragen wurden. Sie protestierten gegen die Verdrängung des Hundefutterladens Hundekuss 36 in der Wrangelstraße. Die Fotografin Vanessa Kleinwächter hatte die Protestaktion mit der Kamera begleitet. Ihre Fotos dieser Nachbarschaftsaktion mit Witz und Wut sind jetzt in der Fotogalerie Friedrichshain zu sehen. Insgesamt zehn Fotograf*innen haben in der sehenswerten Exposition unter dem Obertitel »Wohnst Du noch?« Beispiele für neue Solidarität in den Städten dokumentiert.
Der Hundefutterladen fand ein neues Domizil in Kreuzberg. Aber nicht immer waren die Kämpfe so erfolgreich. Peter Ulrich dokumentierte mit der Kamera den letztlich erfolglosen Kampf der Bewohner*innen des Kreativzentrums Heikonaut in einem Plattenbau in Lichtenberg. Auf einem Foto ist zu sehen, wie sich die Bewohner*innen nach 20 Jahren von ihren Nachbar*innen verabschieden.
Die Fotografien der Ausstellung stammen von Teilnehmer*innen der Projektklasse Reportagefotographie unter der Leitung von Ann-Christine Jansson. Allerdings zeigt sie nicht nur »Reportagen über Verdrängung«, wie es in der Ausstellungsankündigung heißt. Die Fotos sind Zeugnisse vom Selbstbewusstsein der Stadtbewohner*innen, die sich eben nicht widerstandslos verdrängen lassen. Manche Bilder zeigen Mieter*innenkämpfe, die schon vergessen sind. Dazu gehört das Foto eines Mannes, der eine Fahne trägt, auf der »Mediaspree versenken« steht. Es erinnert an den langen Kampf um freien Zugang zum Berliner Spreeufer, an dem heute diverse Luxusprojekte stehen.
Gleich am Eingang der Ausstellung nimmt der erfolgreiche Kampf um den Erhalt des Tuntenhauses in der Kastanienstraße einen großen Raum ein. Die fantasievollen Protestaktionen wurden von der Fotografin Britta Brugger eingefangen. Tom Sauer liefert Fotos vom Kampf der Bewohner*innen des Hafenplatzes, die für den Erhalt von preiswertem Wohnraum kämpfen. Auf einem Foto dazu ist der Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, bei einer Bewohner*innenversammlung zu sehen.
Schmidt sollte auch bei der Ausstellungseröffnung sprechen, war aber krankheitsbedingt verhindert. Doch er schickte eine Mut machende Grußadresse. Nicht nur das Tuntenhaus, auch die Filmarche, eine selbstorganisierte Schule von Fotokünstler*innen, konnte vor der Verdrängung gerettet werden, betonte er. »So entstehen kleine Inseln, die den Menschen dauerhaft existenzielle Sicherheit geben.« Der Hafenplatz hingegen sei mitten im Aufbegehren. »Hier ziehen Bezirksamt, Mieterschaft und hoffentlich landeseigene Wohnungsbaugesellschaft und Genossenschaften an einem Strang, um den Wohnkomplex dem Strudel der Verwertung und Vernachlässigung zu entreißen«, erklärt Florian Schmidt. Dazu braucht es Mietrebell*innen, die für ihre Rechte streiten. Wie der Kampf dafür aussehen kann, wird bei der Podiumsdiskussion »Was tun gegen Wohnungsnot und Verdrängung?« diskutiert, die am Mittwoch, dem 5. Februar ab 19 Uhr in der Fotogalerie stattfindet.
Die Ausstellung ist bis zum 21.2.2025 in der Fotogalerie Friedrichshain, Helsingforser Platz 1, zu sehen. Geöffnet ist sie Dienstag bis Samstag von 14 bis 18 Uhr und Donnerstag von 10 bis 20 Uhr. Der Eintritt ist frei.
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