Stolperstein für Anarchosyndikalisten Walter Schwalba verlegt

Mit Walter Schwalba wurde am Freitag an einen Antifaschisten erinnert, der lange Jahre aktiv in der anarchosyndikalistischen Bewegung war

Kommunist, Anarchosyndikalist, Antifaschist: Gedenken an Walter Schwalba
Kommunist, Anarchosyndikalist, Antifaschist: Gedenken an Walter Schwalba

Etwa 40 Menschen versammelten sich am Freitag vor dem Eingang der Bänschstraße 30 im Berliner Ortsteil Friedrichshain, darunter Schüler*innen eines Gymnasiums in der Nachbarschaft. Anlass war die Verlegung eines Stolpersteins für den Antifaschisten Walter Schwalba, der einst hier wohnte.

Zwei Fahnen, die während der Gedenkveranstaltung vor dem Hauseingang hingen, passten dazu, dass der Geehrte in seinem Leben in sehr unterschiedlichen Organisationen der politischen Linken aktiv war: Neben der Fahne der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) hing dort auch das schwarz-rote Banner der anarchosyndikalistischen Basisgewerkschaft Freie Arbeiter*innen-Union (FAU).

Jochen Gester von der Berliner VVN-BdA ging in seiner Rede auf die Biografie von Schwalba ein, die das erklärt. Der 1916 in Kreuzberg in eine Arbeiter*innenfamilie geborene Mann politisierte sich im Ersten Weltkrieg. Weil er genug vom Morden hatte, desertierte er in der Endphase des Kriegs und lebte illegal bei seiner Schwester in Berlin. Er wurde Mitglied des Spartakusbundes und der frisch gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Doch die verließ er bereits 1920 wieder und schloss sich der anarchosyndikalistischen Freien Arbeiter-Union Deutschlands (FAUD) an. Heute gibt es keine schriftlichen Zeugnisse, die über die Gründe dieser Umorientierung Aufschluss geben.

Doch Gester benannte in seiner Rede einige Anhaltspunkte. »Im März 1920 gelang es Schwalba, Arbeit in seinem erlernten Beruf als Klaviermacher zu finden. Im neuen Betrieb waren die Libertären der FAUD stark vertreten. Ihre Arbeitsweise imponierte ihm offensichtlich und führte zu einer langjährigen politischen Bindung an diese Strömung der Arbeiterbewegung.«

Schwalba war nicht nur bis zu ihrer Selbstauflösung angesichts des Naziterrors 1933 führendes Mitglied der FAUD. Ab dem Frühjahr 1934 beteiligte er sich in der Illegalität am antifaschistischen Widerstandskampf der Anarchosyndikalist*innen. Walter Schwalba übernahm die Leitung der Berliner Widerstandsgruppe. Unter dem Tarnnamen »Esst deutsche Früchte und bleibt gesund« publizierten die Illegalen eine Broschüre, die zum gewaltsamen Sturz des Naziregimes aufrief.

»Im neuen Betrieb waren die Libertären der FAUD stark vertreten. Ihre Arbeitsweise imponierte ihm offensichtlich und führte zu einer langjährigen politischen Bindung an diese Strömung der Arbeiterbewegung.«

Jochen Gester Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

Hansi Oostinga, der für die FAU Berlin das Wort ergriff und über das Leben von Schwalba recherchiert hat, erinnerte an jüngere Forschungsergebnisse zur Widerstandsarbeit von Anarchosyndikalist*innen. Mindestens 600 von ihnen waren aktiv im Widerstand, darunter auch Schwalba. Er wurde 1937 mit anderen FAUD-Mitgliedern verhaftet und zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Im Anschluss wurde er ins KZ Sachsenhausen deportiert und 1945 von der Roten Armee befreit.

Schwalba trat der KPD bei, die sich 1946 mit der SPD zur SED vereinigte. Er arbeitete bei der Volkspolizei und erhielt mehrere Auszeichnungen. Er starb 1984. Sein Engagement in der FAUD erklärte Schwalba später als Irrweg, den er beschritten habe, weil er damals zu wenig marxistisches Lehrmaterial gehabt habe.

»Ob dies nun eine Entscheidung war, die er traf, weil ihm klar war, dass es dafür keine lebbaren Alternativen in der DDR gab, oder ob er sich von seinen Freiheitsräumen wirklich verabschiedet hatte, bleibt wohl unbeantwortet«, sagte Gester. Auch die anwesenden FAU-Mitglieder erklärten, dass es natürlich kritische Diskussionen bei ihnen gab, dass ein ehemaliger Anarchosyndikalist später bei der Volkspolizei arbeitete. Doch man gedenke Schwalba als eines aktiven Nazigegners und Deserteurs im Ersten Weltkrieg.

Am Schluss der Veranstaltung kündigte Timo Steinke von der Initiative »Wem gehört der Laskerkiez?« eine Gedenkveranstaltung für Paul Schiller am 23. April um 18 Uhr am Rudolfplatz an. Mit Schiller soll dort an einen Antifaschisten erinnert werden, der als Teil der wenig bekannten Kampfgruppe Osthafen wenige Wochen vor der Befreiung vom Faschismus Soldaten zum Desertieren aufforderte und SS-Männer entwaffnete. Er wurde am 23. April 1945 erschossen.

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