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Die WM in Saalbach-Hinterglemm: Kurze Wege, hohe Kosten
Die alpinen Ski-Weltmeisterschaften könnten für Gastgeber Österreich eine Enttäuschung werden
Nach dem Ortsschild Hinterglemm geht es schnell rein in einen kurzen Tunnel. Die Umfahrung des kleinen Zentrums war im Zuge der ersten Ski-Weltmeisterschaften im Glemmtal vor 34 Jahren gebaut worden. Kommt man nach ein paar Hundert Metern wieder raus aus dem Dunkeln, fällt der erste Blick auf eine riesige Tribüne. Sie steht im Zielstadion am Fuße des Zwölferkogels, einerseits. Andererseits ist sie eben auch mittendrin in Hinterglemm und dominiert in diesen Tagen das Bild des kleineren Ortsteils der Gemeinde Saalbach-Hinterglemm.
Überdimensioniert
Es ist nicht das einzige überdimensionierte Gebäude, das extra für die alpinen Titelkämpfe errichtet worden war. Die meisten werden hinterher, wie die Tribüne, schnell wieder abgebaut – so wie die große Bühne auf der Medal Plaza, das VIP-Zelt dahinter oder das »Home of Snow«. Die traditionelle österreichische Partylocation bei alpinen Ski-Weltmeisterschaften darf dieses Mal nicht wie sonst »Tirolberg« heißen, weil die WM ja nicht im Bundesland Tirol, sondern im Salzburger Land stattfindet.
Die Beeinträchtigungen, die die WM mit sich bringt, nimmt die skiaffine Bevölkerung ebenso hin wie die Kosten, die so eine Veranstaltung verursacht. Seefeld hatte sich 2019 mit Austragung der nordischen Titelkämpfe übernommen, nach Schladming im Jahr 2013 trat der Rechnungshof auf den Plan, weil die Alpin-WM mit zu viel öffentlichem Geld subventioniert worden war. Wenn es um Ski geht, denken die Österreicher eben groß. Man wolle mit den Weltmeisterschaften in Saalbach-Hinterglemm »eine neue Benchmark« setzen, sagte der Geschäftsführer des Österreichischen Skiverbandes ÖSV, Christian Scherer.
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Frustbewältigung
Die Veranstalter haben es geschafft, eine WM der sehr kurzen Wege zu organisieren. Das haben sich die Organisatoren, die Sponsoren und der ÖSV so schön ausgemalt: Die rot-weiß-roten Skihelden kommen zu Fuß in zwei, drei Minuten von der Siegerehrung zum »Home of Snow«, um sich dort mit ihren Medaillen feiern zu lassen. Das Problem ist nur, die Österreicher befürchten, dass ihre Athleten und Athletinnen dort eher zur Frustbewältigung vorbeischauen könnten. Bis zur WM gab es nur zwei Saisonsiege, die holte Cornelia Hütter. Die Männer haben es im Weltcup gerade einmal auf acht Podestplätze gebracht. ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober hatte am Wochenende die Gastgeber als »gefährliche Außenseiter« bezeichnet – und da schwang mehr Hoffnung als Überzeugung mit.
Nach der verpassten Medaille zum Auftakt beim Teamevent am Dienstag sind Überzeugung und Hoffnung nicht größer geworden. Als »Höchststrafe« bezeichneten die »Salzburger Nachrichten« das Aus im Viertelfinale gegen den späteren Bronzemedaillengewinner Schweden. Dabei war im Lande der Berge dieser Wettbewerb bisher stets belächelt worden, dieses Mal aber hätte er ein »Stimmungsmacher« sein sollen, wie Alpinchef Herbert Mandl sagte.
Eine Schmach
Tagelang schon war der Geist von 1991 beschworen worden. Es war ja auch zu schön gewesen damals bei der WM. Gleich im ersten Wettbewerb hatte es Silber gegeben für Österreich – der Beginn eines rot-weiß-roten Siegeszuges mit fünf Goldmedaillen und insgesamt elfmal Edelmetall. Petra Kronberger und Stephan Eberharter wurden rauf- und runter interviewt. Immer wieder zeigte der ORF die Bilder der wegen des anhaltend schönen Wetters als »Sonnen-WM« in die alpine Geschichte eingegangenen Titelkämpfe.
Und dann das: Österreichs Mixed-Team landete in der Endabrechnung auf Platz sechs sogar noch hinter Deutschland, das in der Runde der letzten acht knapp am späteren Vizeweltmeister Schweiz gescheitert war. Welch Schmach! Die »Kronenzeitung«, als Medienpartner eng mit dem ÖSV verbandelt und deshalb traditionell etwas sanfter bei Kritik, titelte: »Fehlstart«.
Der ORF hatte noch am Abend stundenlang analysiert – und am Ende den Zuschauern das Gefühl vermittelt, dass diese WM kaum mehr zu retten sein dürfte für Österreich. Mittendrin hatte Alpinchef Mandl tapfer versucht, der Schwarzmalerei entgegenzutreten: »Das Potenzial ist nach wie vor da. Das müssen wir jetzt wegstecken.« Dann sprach er von einem »gelungenen Start in die WM« und meinte freilich die »großartige Stimmung«, für die die rund 15 000 Zuschauer auch nach dem Aus der eigenen Skihelden gesorgt hatten. Außerdem überzeugte das Konzept, den Teamevent in die Eröffnungsfeier einzubinden, die Rennpausen für Showacts zu nutzen.
Es gehört zum Naturell der Österreicher, dass sie, speziell, wenn es um Ski geht, zur Übertreibung neigen, sowohl in die eine als auch in die andere Richtung – und sich bei Misserfolgen selbst bemitleiden. Als Miriam Puchner das zweite Abfahrtstraining dominierte, vollzog der ORF eine 180-Grad-Wende. Die 32-Jährige aus dem Pongau wurde gleich in die Favoritenrolle für die Abfahrt am Sonnabend gehievt. Am Ende wird die Wahrheit irgendwo zwischen den fast schon historisch erfolgreichen Titelkämpfen von 1991 und dem überzogenen Pessimismus dieser WM liegen.
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