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Kunst ist immer noch Waffe
Mit einer geschichtsbewussten wie humorbegabten Neuauflage der »Revue Roter Rummel« wird in Berlin das bevorstehende Wahldebakel verhandelt
Ein wenig ist man der historischen Vergleicherei ja bereits überdrüssig. Da werden allenthalben die Weimarer Jahre herangezogen, um uns die kaputte Gegenwart zu erklären und um zu warnen vor dem, was da noch kommen kann. Sicher gibt es einige Parallelen: Die Faschisten sind wieder auf dem Vormarsch; so ganz genau weiß man nicht, ob noch die Vorbereitungen für den nächsten Krieg getroffen werden oder ob man bereits mittendrin steckt; und je lauter die einen Demokratie rufen, desto heftiger wenden sich die anderen bereits ab. Offensichtlich sind aber auch die Unterschiede.
Da braucht es schon ein bisschen Witz und den richtigen Griff, mit dem man Gestern und Heute zusammen auch wirklich gepackt bekommt. Keine schlechte Idee, sich Erwin Piscators »Revue Roter Rummel«, die im kollektiven Gedächtnis etwas verschüttgegangen ist, noch mal vorzunehmen.
Wir erinnern uns: Erwin Piscator, das war in der Zwischenkriegszeit jener Theatermacher, der – zeitweise mit Brecht Schritt haltend – die darstellende Kunst ins Hier und Jetzt beförderte. Eines seiner vielen skandalisierten Spektakel trug den Titel »Revue Roter Rummel«, erstmals im November 1924 aufgeführt. Für diese Abende zwischen Kabarett und Agitprop, Gesang und schnellen Szenen kamen Arbeiter und Schauspieler zusammen auf die Bühne. Die Musik hatte Edmund Maisel geschrieben, den Text Felix Gasbarra besorgt.
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Gerade war die Koalition aus Zentrumspartei und Deutschnationaler Volkspartei unter Duldung der rechten Sozialdemokratie geplatzt und Neuwahlen standen an. Das war der richtige Augenblick für die Künstler, dem vom Kapital gestützten Politzirkus eine Absage zu erteilen und nach den eigentlichen Interessen des Wahlvolks zu fragen. So entstand die erste »proletarische Revue«, wie es in der zeitgenössischen Presse hieß. Arbeiter standen nicht nur auf der Bühne, die Aufführungen fanden nicht nur draußen in den Arbeitervierteln Berlins statt, die Protagonisten dieser bunten Abende waren ebenfalls Arbeiter. Mit reichlich Humor und wenig zimperlich hat man die Verhältnisse auf die Anklagebank gesetzt und von der großen Veränderung geträumt. Das künstlerische Prinzip hat Schule gemacht: Bald gab es »rote Revuen« landauf, landab.
Zur Jahrtausendwende hat man sich an der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, maßgeblich auf Initiative des damaligen Chefbühnenbildners Bert Neumann, schon einmal an diese Kunstform erinnert und mit der »Rollenden Road Schau« eine aktualisierende Aneignung des Originals in die Berliner Randbezirke gebracht.
Mag es im vergangenen Vierteljahrhundert auch nicht gemütlicher geworden sein, gewählt wird noch immer. Darum wird in Berlin auch wieder zu einer »Revue Roter Rummel« mit dem Untertitel »Ein multimediales Wahltheater« geladen. Vielleicht mangelt es heutzutage an einer kommunistischen Massenbewegung und ein neuer Piscator ist am Theaterhimmel auch noch nicht gesichtet worden, aber über die Herrschenden zu lachen, ist auch heute noch der erste entscheidende Schritt, um die Macht anzutasten.
Am 14. Februar um 19 Uhr findet ein Politspektakel als Neuauflage der »Revue Roter Rummel« im Münzenberg-Saal am Franz-Mehring-Platz 1 in Berlin-Friedrichshain statt.
www.roterrummel.berlin
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