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Drohnensichtungen jetzt auch an »Patriot«-Standort
Bundeswehr von Geisterflügen überfordert. Unklar, ob russische Spionage dahintersteckt, CDUler ist sich aber sicher
Seit Monaten ist die Bundeswehr mit mysteriösen Überflügen von Drohnen konfrontiert. Im Januar soll davon auch der Standort Schwesing am Fliegerhorst nahe Husum betroffen gewesen sein, berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ) unter Berufung auf einen eingestuften Bericht. In keinem der insgesamt sechs dokumentierten Fälle konnten die Drohnenbediener*innen identifiziert werden.
In dieser Kaserne an der Nordseeküste ist das Ausbildungszentrum für die Flugabwehr und die bodengebundene Luftverteidigung untergebracht. Zudem werden in Schwesing ukrainische Soldaten für die Verteidigung gegen den russischen Angriffskrieg an Patriot-Systemen ausgebildet. Deshalb wird vermutet, dass die Regierung in Moskau hinter den Überflügen steckt. So könnte etwa versucht werden, Mobilfunkdaten ukrainischer Soldaten abzuschöpfen, um diese später in gegnerischen Stellungen lokalisieren zu können.
Belege für eine aus Russland gesteuerte Spionage gibt es jedoch weiterhin nicht. Der CDU-Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter ist sich dessen aber sicher und sagte der SZ, dass die Überflüge »in zweifacher Weise im Rahmen der bestehenden Kriegsführung gegen Deutschland dienen«. Russland gewinne damit ein Lagebild, außerdem dienten sie der Einschüchterung.
Aus Sicherheitskreisen will die SZ erfahren haben, dass es sich bei den Eindringlingen in Schwesing nicht um handelsübliche Drohnen handelte, sondern um »spezialisierte, mit anderen Spezifikationen ausgestattete Objekte«. In Bundeswehrkreisen wird vermutet, dass sie von Schiffen in der Nord- oder Ostsee gestartet sein könnten. So wurde es auch nach Überflügen über den Chem-Coast-Park in Brunsbüttel angenommen. Diese hatten im August begonnen, Sichtungen erfolgten laut einer Lokalzeitung »nahezu jede Nacht«.
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Offenbar wird die Bundeswehr von den Drohnen regelrecht genarrt: Die in Schwesing gesichteten »Mehrflügler« seien mit eingeschalteten Positionslichtern minutenlang auf der Stelle geschwebt, »was eine visuelle/akustische Ortung deutlich erleichterte«, zitiert die Zeitung aus dem Bericht.
Laut der SZ versuchten die Soldat*innen, die unerwünschten Eindringlinge abzuwehren. Dazu hatte die Bundeswehr verschiedene Wirkmittel beschafft. Mit dem HP-47-System kann die Bordelektronik der Fluggeräte aus der Ferne lahmgelegt werden, jedoch habe es aufgrund mangelnder Reichweite nicht eingesetzt werden können. Auch die zur Detektion genutzten Systeme hätten sich als völlig ineffektiv erwiesen.
Ein komplexes Zuständigkeitsproblem erschwert angeblich die Aufklärung in derartigen Fällen. Außerhalb von Kasernen ist die Landespolizei federführend, an internationalen Flughäfen die Bundespolizei, innerhalb militärischer Einrichtungen die Bundeswehr. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) bezeichnete die Drohnenabwehr deshalb jüngst als große Herausforderung. »Ich bin noch nicht zufrieden mit den Fortschritten bei Konzepten und Fähigkeiten für den Einsatz und die Abwehr von Drohnen«, erklärte er Mitte Januar der SZ.
Das Kabinett der übrig gebliebenen rot-grünen Regierung hat eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes beschlossen. Künftig soll die Bundeswehr die Erlaubnis erhalten, bei einem drohenden schweren Unglücksfall Drohnen abzuschießen. Allerdings verzögert die vorgezogene Bundestagswahl am 23. Februar den Beschluss dieser Neufassung.
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