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Scholz im Bundestag: »Wir kommen da durch«
Scholz und Merz plädieren bei der letzten Bundestagsdebatte für Mehrheiten in der »Mitte«
Am Dienstagvormittag kam der Bundestag zu seiner voraussichtlich letzten Sitzung vor der Bundestagswahl am übernächsten Sonntag zusammen. In einer Debatte zur aktuellen Situation in Deutschland sprachen die Spitzenkandidat*innen aller Parteien. Den Anfang machte Bundeskanzler Olaf Scholz.
Der Sozialdemokrat zitierte aus der Rede, die er in der letzten Sitzung der vergangenen Legislaturperiode vor dreieinhalb Jahren gehalten hat. Dort sprach Scholz mit Blick auf die Corona-Pandemie von historischen Herausforderungen. Er könne diese Rede wiederholen, die gegenwärtige Herausforderung sei der Krieg in der Ukraine. Scholz ist der Meinung, dass er Deutschland gut durch den Krieg geführt habe. Friedrich Merz hingegen ist dazu nicht in der Lage, wenn man dem Bundeskanzler folgt. In der Frage von Taurus-Lieferungen habe Merz »ständige Kehrtwenden« vollführt. Der von Merz geforderte Stopp von Gasimporten hätte zu Kälte und Elend geführt. Merz fehle es an »Besonnenheit und Erfahrung«, so Scholz. Der Kanzler selbst verspreche »nicht das Blaue vom Himmel«, was er aber versprechen könne: »Wir kommen da durch.« Eine Formulierung, die an Merkels »Wir schaffen das« erinnert, aber deutlich weniger positiv und entschlossen klingt.
An Merkel erinnert auch die Strategie, Friedrich Merz als unerfahren, unbedacht und impulsiv darzustellen. Scholz stellt sich selbst als Stabilitätsanker dagegen. Eine »Made in Germany«-Prämie für Unternehmen und Entlastungen »für die breite Mitte« sind sein Programm. Merz habe hingegen ein nicht durchgerechnetes Programm, dass nur die Reichen entlaste. Da seien sich CDU, FDP und AfD einig. Außerdem lege Merz mit seinen Grenzschließungsplänen die »Axt an die europäische Zusammenarbeit«. Bei der gemeinsamen Abstimmung mit der AfD habe sich Merz von »Affekten« treiben lassen. Bei der Bundestagswahl gehe es darum, eine schwarz-blaue Mehrheit zu verhindern. Deutschland müsse aus der Mitte regiert werden.
Friedrich Merz wird seine Rede wenig später ganz ähnlich beenden. Erst mal schaltet der Oppositionsführer aber in den Angriffsmodus: »Was war das denn? 25 Minuten abgelesene Empörung über den Oppositionsführer. Herzlichen Glückwunsch, Herr Scholz, aber sie verwechseln den Bundestag offenbar mit einem Juso-Bundeskongress«, spottet Merz über die Rede von Olaf Scholz. Danach versucht er sich an einem Vergleich »aus dem normalen Leben«. Olaf Scholz und Robert Habeck seien wie angestellte Geschäftsführer eines Unternehmens, und nachdem sie dieses »vor die Wand« gefahren hätten, würden sie nun um einen neuen Vertrag bitten. So was gebe es in der Wirtschaft nicht, so Merz.
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Die Bilanz der Ampel – für Merz ein Desaster. 400 000 Arbeitslose mehr als 2021, viele Insolvenzen und ein »Kapitalabfluss« in Höhe von 100 Milliarden Euro. Die Unternehmer*innen stimmten mit den Füßen ab. In der Wirtschafts- und Sozialpolitik brauche es eine grundlegende Kurskorrektur. Merz spricht über das Bürgergeld und meint, dass sich Arbeit wegen dessen Höhe nicht lohne.
Über die AfD sagt der christdemokratische Kanzlerkandidat, begleitet von vielen Zwischenrufen, dass eine Zusammenarbeit nicht infrage komme. Klar sei: Nach der Bundestagswahl werde es keine Mehrheit mehr für »linke Politik« geben. Die Legislaturperiode bis 2029 sei aber möglicherweise die letzte Chance für demokratische Parteien. Bis zum 23. Februar sei Wahlkampf, dann gehe es um Mehrheiten aus der Mitte. »Das ist eine Verantwortung, der können Sie sich nicht entziehen. Und der werden wir uns auch nicht entziehen. Vor der Aufgabe stehen wir spätestens in der übernächsten Woche«, sagte Merz abschließend und blickte in die Reihen von SPD und Grünen.
Der Grüne Spitzenkandidat Robert Habeck nutzte seine Redezeit, um darauf zu verweisen, dass bei Scholz und Merz die »Zukunft« fehle. So sprächen sie nicht über den Klimawandel. Er hingegen wolle für die »Freiheitsrechte kommender Generationen« kämpfen. Alice Weidel warnte, Merz’ Rede habe gezeigt, dass er keine »Wende« einleiten könne, weil er auf eine Zusammenarbeit mit den »Linksgrünen« setze. Echte Veränderungen gebe es erst mit der AfD in der Regierung. Christian Lindner erzählte vor allem, was in der Ampel alles besser gelaufen wäre, wenn SPD und Grüne auf ihn gehört hätten.
Heidi Reichinnek reklamierte, dass Die Linke aus Hunderttausenden Haustürgesprächen wisse, dass es die »sozialen Fragen« seien, die die Menschen umtreiben. Vor allem das Thema Mieten. Die Bilanz der Ampel sei »katastrophal«. Reichinnek forderte: »Wir brauchen endlich einen Mietendeckel.« Auch erneuerte sie die Forderung, die Steuern auf Lebensmittel abzuschaffen. Bei dem Thema würden CDU und FDP zwar regelmäßig den Robin Hood in sich entdecken und darauf verweisen, dass auch Reiche von dieser Streichung profitieren. Reichinneks Entgegnung darauf: »Umverteilung findet nicht beim Essen statt, sondern beim Steuersystem.« Die Linke habe dafür Pläne: Milliardärsabgabe und Erbschaftsteuer. Für die breite Masse sei Die Linke die »Steuersenkungspartei«. Reichinnek erklärte zum Schluss, ihre Partei sei auch nach der Wahl die »laute Stimme für Gerechtigkeit« im Bundestag.
Als letzte Spitzenkandidatin sprach Sahra Wagenknecht. Sie warnte, die Debatte über eine Zusammenarbeit von AfD und CDU in Deutschland habe die steigende Kriegsgefahr verschleiert. Fast unbemerkt habe der Nato-Generalsekretär davon gesprochen, dass man sich auf einen Krieg vorbereiten müsse. Das sei das wirkliche »Tor zur Hölle«, das gerade aufgestoßen werde. Ein neuer Hitler drohe in Deutschland hingegen nicht.
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