Berufsverbot für Lisa Poettinger: »Skandalöse Entscheidung«

Bayerisches Kultusministerium verbietet der Klima­aktivistin, ihr Lehramts­referendariat zu beginnen

Möchte gegen das Berufsverbot klagen: Lisa Poettinger.
Möchte gegen das Berufsverbot klagen: Lisa Poettinger.

Nun steht es fest: Die Klimaaktivistin Lisa Poettinger darf ihr Referendariat im Lehramt nicht antreten. Das teilte das bayerische Kultusministerium am Montag mit, nur eine Woche vor dem Beginn des Vorbereitungsdienstes, für den Poettinger möglicherweise in eine andere Stadt hätte ziehen müssen.

Spätestens seit einem »Ankündigungsschreiben« des Ministeriums aus dem November hatte Poettinger mit einem – so von ihr bezeichneten – Berufsverbot gerechnet. Die Begründungen beider Schreiben sind laut dem Unterstützer*innenkreis »Lasst Lisa Lehren« im Wesentlichen identisch: Das Staatsministerium zweifelt an Poettingers Verfassungstreue und argumentiert, sie komme der besonderen politischen Treuepflicht für Beamt*innen gegenüber dem Staat und seiner Verfassung nicht nach; außerdem spricht es Poettinger ihre »charakterliche Eignung als Lehrkraft« ab.

Hauptgrund dafür: Ihre »Tätigkeit und Mitgliedschaft in extremistischen Organisationen«, gemeint ist das »Offene Antikapitalistische Klimatreffen München«, das vom bayerischen Verfassungsschutz als linksextremistisch eingestuft wird. Auch Poettingers Auftritt in den sozialen Medien ist dem Staatsministerium ein Dorn im Auge: Dort bezeichnete sie »Sabotage an überdimensionierten Stadtpanzern« als »angebracht« und sagte, es sei »legitim«, »die Adressen von Nazis, Klimafaschos und Konzerneigentümer*innen zu veröffentlichen«. Außerdem teilte Poettinger Aussagen, die das Kultusministerium als unvereinbar mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung betrachtet. Beispiele dafür sind die allesamt in der Klimabewegung verbreiteten Sprüche »Klimaschutz ist Klassenkampf«, »Let’s burn down Capitalism« und »System Change! Not Climate Change!«.

»Eine Ablehnung des Kapitalismus muss mindestens in Teilen unter Achtung des Grundgesetzes möglich sein.«

Lisa Poettinger Klimaaktivistin

Poettinger reagierte auf die Vorwürfe mit dem Einwand, dass Kapitalismus und Demokratie nicht gleichzusetzen seien. Dabei berief sie sich auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, wonach das Grundgesetz selbst »keine unmittelbare Festlegung und Gewährleistung einer bestimmten Wirtschaftsordnung« vornehme. »Folglich muss eine Ablehnung des Kapitalismus mindestens in Teilen unter Achtung des Grundgesetzes möglich sein«, so Poettinger. Dass sich die Lehramtsstudentin dabei nicht von ihrer antikapitalistischen Denkweise distanziert, wertete das Ministerium wiederum als weiteren Hinweis gegen ihre Verfassungstreue.

Auch zwei noch nicht entschiedene Strafverfahren gegen Lisa Poettinger spielen in der Begründung eine Rolle: Im Zusammenhang mit den Anti-Kohle-Protesten in Lützerath Anfang 2023 wird ihr Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte vorgeworfen; außerdem soll sie ein AfD-Plakat beschädigt haben. »Wo bleibt die Unschuldsvermutung?«, schreibt Poettinger dazu beim Kurznachrichtendienst Bluesky.

Auf »nd«-Nachfrage erklärt ihre Anwältin Adelheid Rupp: »Die Unschuldsvermutung ist ein Begriff aus dem Strafrecht, sie gilt im Beamtenrecht nicht.« Laut Beamtenstatusgesetz müssen sich Beamt*innen »durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlich demokratischen Grundordnung« bekennen und »bei politischer Betätigung (...) Mäßigung und Zurückhaltung« wahren. Dennoch sollte auch im Beamtenrecht der Ausgang eines Strafverfahrens eine Rolle spielen, meint Rupp. Schließlich könnten sich die Vorwürfe auch als vollkommen falsch herausstellen.

»Jetzt ist es also amtlich: Wer sich in seiner Freizeit für Klimaschutz und Demokratie engagiert und dabei auch noch Begriffe verwendet, die der Staatsregierung nicht gefallen, kann in Bayern für charakterlich ungeeignet erklärt werden, Kindern Englisch beizubringen«, reagiert Poettinger auf die Entscheidung des Kultusministeriums, sie nicht zum Referendariat zuzulassen. »Mir wird damit nicht nur eine spätere Anstellung an einer staatlichen oder städtischen Schule verweigert, sondern sogar, überhaupt nur meine Lehramtsausbildung abzuschließen.« Wie das Staatsministerium selbst schreibt, ist die erfolgreiche Absolvierung des Vorbereitungsdienstes in Bayern nicht nur Voraussetzung für den Eintritt in den öffentlichen Dienst, »sondern auch für den Zugang zu einer Tätigkeit als Lehrkraft an Privatschulen«. Poettingers Anwältin Adelheid Rupp sagt dem »nd« dazu: »Es ist davon auszugehen, dass Lisa Poettinger mit diesem Urteil nicht an einer bayerischen Schule Lehrerin werden kann.«

Poettinger kündigte an, in Kürze Klage beim Verwaltungsgericht gegen den Bescheid einzureichen, »um diese skandalöse Entscheidung zu kippen und Poettinger und anderen potenziell Betroffenen das Recht zu erstreiten, ihre Ausbildung trotz gesellschaftlichen Engagements abzuschließen«, wie es in einer Erklärung ihres Unterstützer*innenkreises heißt.

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