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PCK-Raffinerie keinen Schritt weiter
Traditionsreicher Betrieb in Schwedt hängt nach Einfuhrverbot für russisches Erdöl in der Schwebe
»Ohne Industrie läuft nicht viel. Deswegen erfüllt einen der Blick in die Gegenwart und Zukunft der Industrie in Brandenburg mit Sorge.« So heißt es in der Einladung einer Ausstellung, die am 17. Februar im Potsdamer Landtag eröffnet werden soll. Bis zum 25. April will die BSW-Fraktion auf ihrem Flur Grafiken und Fotos von Künstlern wie Franz Nölde, Heidi Petzerlin-Galle und Johannes Hansky zeigen – Grafiken und Fotos von der PCK-Raffinerie in Schwedt. Die Arbeiten stammen aus den Beständen des Stadtmuseums.
»Die Entscheidung, Bilder einer prägenden Industrieanlage zu zeigen, haben wir sehr bewusst getroffen«, erklärt BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders. »Zum einen wollen wir damit die Beschäftigten in der Industrie und ihre Bedeutung für die Gesellschaft würdigen. Zum anderen erinnern die ausgestellten Bilder daran, wie sehr einst Künstler und Gesellschaft von den technischen Errungenschaften der Moderne fasziniert waren«, sagt Lüders. Das BSW werde nicht akzeptieren, »dass wegen einer schädlichen und undurchdachten Bundespolitik unsere Industrie, die einen Grundpfeiler unseres gesellschaftlichen Reichtums ausmacht, den Bach runtergeht«.
Von den 14 BSW-Landtagsabgeordneten ist Reinhard Simon der Stadt Schwedt und der Kunst verbunden. Er wirkte von 1990 bis 2019 als Intendant der Uckermärkischen Bühnen Schwedt. Als er nach der Landtagswahl vom 22. September im Oktober 2024 die konstituierende Sitzung des Parlaments als Alterspräsident eröffnete, gestand Simon, dass er ursprünglich nicht noch mit 73 Jahren Politiker werden wollte. Doch in seiner Heimatstadt bangen die Menschen um die Arbeitsplätze in der PCK-Raffinerie »als Folge undurchdachter Politik, die uns schadet«, sagte Simon. Damit begründete er seinen Entschluss, nicht mehr abseits zu stehen, sondern sich einzumischen.
»Da sich der Miteigentümer Shell offenkundig verweigert und seine Anteile zu einem überschaubaren Preis auf dem Markt angeboten werden, müssen Land und Bund endlich Farbe bekennen und die 37 Prozent übernehmen.«
Christian Görke Bundestagsabgeordneter
In große Schwierigkeiten geriet die Raffinerie durch den Krieg in der Ukraine. Seit 1. Januar 2023 gilt als Sanktion gegen Russland ein Einfuhrverbot für russisches Erdöl. Die PCK Raffinerie GmbH hängt aber an der Erdölleitung Druschba und erhielt über diese seit den 60er Jahren sibirisches Öl. Das wurde zu Benzin, Diesel und Kerosin verarbeitet. Seit nunmehr zwei Jahren muss die Raffinerie sich aus anderen Quellen versorgen. Öl kommt per Tanker, die an den Ostseehäfen Rostock und Gdańsk festmachen, und außerdem auf dem gewohnten Weg per Pipeline, allerdings nun nicht mehr aus Sibirien, sondern aus Kasachstan.
Mit dem Schock des Importverbots betrug der Auslastungsgrad der Raffinerie im Jahr 2023 nur noch 68,5 Prozent. Mit den Lieferungen aus Kasachstan ist er gestiegen und liegt derzeit bei fast 80 Prozent. 17 Prozent gehen auf das Konto von Kasachstan. 1,6 Millionen Tonnen sind 2024 von dort nach Schwedt geflossen. Im September ist eine Aufstockung um 50 000 Tonnen pro Monat vereinbart worden, die Verlängerung der kasachischen Lieferungen bis Ende 2025.
»Die Rohölversorgung der PCK ist weiter stabil.« Das sei »angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen ein großer Erfolg«, sagt Michael Kellner, Staatssekretär von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Kellner arbeitet in der sogenannten Task Force mit, die den Standort sichern soll und sich zuletzt am Mittwoch getroffen hat. Es geht um die rund 1200 Köpfe zählende Belegschaft, die vom Bund eine Beschäftigungsgarantie bis Ende Juni erhalten hat. Es hängen an dem Betrieb aber auch noch weitere Jobs in der Stadt und im Landkreis.
Zwei deutsche Tochterfirmen des russischen Staatskonzerns Rosneft halten zusammen die Mehrheit der Anteile an der PCK-Raffinerie. Diese Anteile hat der Bund bis vorerst 10. März unter Treuhandverwaltung gestellt und will diese Kontrolle nun verlängern. Auch der Shell-Konzern, der seinen Hauptsitz in London hat, ist an der Raffinerie beteiligt, will seine Anteile jedoch verkaufen.
Zahlreiche kluge Köpfe arbeiten an Projekten für eine gute Zukunft der Region, versichert Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Er bedauert zugleich: »Die noch immer durch den Bund ungeklärte Eigentümerfrage ist aber nach wie vor Dreh- und Angelpunkt und bremst die weitere Entwicklung der PCK.«
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Der Bundestagsabgeordnete Christian Görke (Linke) kommentiert, es wäre an der Zeit, »mal eine ehrliche Bilanz zu ziehen, dass Land und Bund fast nichts auf die Rolle bekommen haben«. Zweieinhalb Jahre stünden die Rosneft-Anteile nun schon unter Treuhandverwaltung. Seitdem sei man bei der Eigentumsfrage der Raffinerie oder bei den Zukunftsinvestitionen in eine grüne Raffinerie mit Wasserstofftechnologie keinen Schritt weiter. »Da hilft es auch nicht, sich damit zu trösten, dass die Auslastung der PCK bei fast 80 Prozent liegt, mit einem Öl-Cocktail, der zu erheblichen technischen Problemen führt.«
Denn nur das kasachische Erdöl ist in seiner hohen Qualität mit dem sibirischen zu vergleichen. Für andere Sorten Öl war die Raffinerie ursprünglich gar nicht ausgelegt. Sie musste umständlich umgerüstet werden, um es verarbeiten zu können.
»Da sich der Miteigentümer Shell offenkundig verweigert und seine Anteile zu einem überschaubaren Preis auf dem Markt angeboten werden, müssen Land und Bund endlich Farbe bekennen und die 37 Prozent übernehmen«, fordert der Bundestagsabgeordnete Görke. Er erwartet »endlich Taten statt folgenloser Ankündigungen«.
Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD) weist darauf hin, dass ihre Kommune trotz schwieriger Haushaltslage »sehr viel Fördergeld und erhebliche städtische Eigenmittel« in Projekte investiere, damit die Raffinerie erhalten bleibe und die Stadt auch künftig zuverlässig mit Fernwärme versorgt sei. PCK-Chef Rolf Schairer merkt zusätzlich an: »Wir müssen uns in einem harten internationalen Wettbewerb behaupten.«
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