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Kriegszerstörte Schatztruhe in der Ukraine
In der Ukraine liegen strategisch wichtige Rohstoffe im Boden – USA und EU hätten sie gerne
Grönland, Panamakanal, Handelskonflikte mit Mexiko, Kanada und China – Donald Trump jagt seine aggressiven Wortmeldungen gefühlt täglich in die weite Welt hinaus. In dem Trubel ging die Forderung des US-Präsidenten fast unter, die Ukraine möge im Gegenzug zur Militärhilfe US-Konzernen Zugriff auf ihre beträchtlichen Vorkommen an Industrierohstoffen ermöglichen. Dem Fernsehsender Fox News sagte Trump, er habe den Ukrainern gesagt: »Ich will Seltene Erden im Wert von 500 Milliarden Dollar, und sie haben zugestimmt, damit wir uns am Ende nicht dumm vorkommen.« Mittlerweile hat die ukrainische Regierung laut Medienberichten US-Beamten einen Vertragsentwurf vorgelegt, der den Vereinigten Staaten Zugang zu Bodenschätzen gewährt. Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte über X immerhin, dass die Mineralien nicht umsonst hergegeben würden.
Seltene Erden – der Begriff wird unterschiedlich definiert – werden in großen Mengen für Computer und Smartphones, Windkraftanlagen und Elektroautos benötigt. Wichtigster Lieferant vieler dieser Industrierohstoffe ist China. In einigen Fällen verfügen auch afrikanische Länder wie Niger oder Kongo über gewaltige Vorkommen.
Besonders reich an Lagerstätten ist auch die Ukraine. Von Nord nach Süd bis hinein in die russisch besetzten Gebiete durchzieht ein Rohstoff-Band das zweitgrößte Land Europas. Eisenerz, Nichteisenmetalle, Seltenerdminerale und Lithium, das für die Batterieproduktion wichtig ist, liegen dort in rauen Mengen unter der Erde. »Die Ukraine besitzt vielfältige Bodenschätze«, schreibt der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages. Gerade diese Vielfalt beschere der Ukraine weltweite Aufmerksamkeit. Der Rohstoffreichtum sei auf eine spezielle geologische Struktur des Landes zurückzuführen. Die Ukraine verfügt danach über rund fünf Prozent aller weltweiten Mineralressourcen. Viele dieser Vorkommen sind noch kaum oder gar nicht erschlossen.
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Dies hatte schon vor Trump II das Interesse der Europäischen Union geweckt. Mitte Juli 2021 schloss die EU mit der Ukraine eine »strategische Partnerschaft für Rohstoffe und Batterien«. Wenige Monate vorher hatte die EU-Kommission einen Aktionsplan zu »kritischen« Rohstoffen beschlossen. Ziel sei es, »die Abhängigkeit Europas von Drittländern zu verringern«. Das zielte auf China. In acht der 17 von der EU als strategische Rohstoffe eingeschätzten Bodenschätze ist die Ukraine bereits ein wichtiger Lieferant.
Darüber hinaus gilt das vom Krieg gebeutelte Land als potenzielle Supermacht bei der Produktion von weiteren wichtigen Industriemetallen. Sie verfügt in mehr als 8700 untersuchten Lagerstätten über kommerziell bedeutende Vorkommen von 117 der 120 meistgenutzten Minerale. So ist die Ukraine eines der wenigen Länder, in denen Titan bereits gewonnen wird. Das weiß-metallisch glänzende, ebenso leichte wie feste und dehnbare, korrosions- und temperaturbeständige Metall gilt vor allem in der Luft- und Raumfahrtindustrie als unverzichtbar. Der Gesamtwert der Vorkommen an Industriemetallen wird – je nach Weltmarktpreis – auf drei bis 11,5 Billionen(!) US-Dollar geschätzt.
Als Schlüsselminerale für die militärischen Fähigkeiten der Nato-Staaten werden Lithium, Titan und Seltenerdmetalle genannt.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Bodenschätze, sollten sie denn zukünftig gehoben werden, ist offensichtlich. Trotz schlechter Ernten machten 2024 Agrarprodukte über die Hälfte der mit dem Krieg massiv eingebrochenen Exporte der Ukraine von insgesamt rund 40 Milliarden Euro aus. Lediglich für rund sechs Milliarden Euro führte das wirtschaftlich angeschlagene Land Industrierohstoffe aus.
Zugleich liegt die militärische Bedeutung dieser Rohstoffvorkommen in einem europäischen Land auf der politischen Hand. Auch die Nato hat die militärstrategische Bedeutung erkannt. Vor einem Jahrzehnt wurde in Litauen das Nato Energy Security Centre of Excellence gegründet. 2021 veröffentlichte das Forschungsinstitut ein Strategiepapier zu dem Thema – es wurde mittlerweile im Internet gelöscht.
Als Schlüsselminerale für die militärischen Fähigkeiten der Nato-Staaten werden unter anderem Lithium, Titan und Seltenerdmetalle genannt. Zu den Seltenerdmetallen, die in der Rüstungsindustrie verwendet werden, gehören beispielsweise Lanthan für Nachtsichtgeräte, Neodym für Laserentfernungsmesser, Europium für Fluoreszenz- und Leuchtstoffe in Lampen und Bildschirmen, Erbium für Verstärker in der optischen Kommunikation und Samarium für hochtemperaturstabile Dauermagnete, präzisionsgesteuerte Waffen und Tarnkappentechnologie. Zukünftige Rohstoffgeschäfte mit der Ukraine könnten daher die Lieferketten für die Rüstungsindustrie in der EU und den USA vielfältiger, stabiler und preisgünstiger machen.
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