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Donald Trump: Frontalangriff auf Selenskyj
US-Präsident feuert mit Falschaussagen Debatte um Wahlen in der Ukraine und den Rückhalt für den Präsidenten in der Bevölkerung erneut an
Wladimir Putin sieht das russisch-us-amerikanische Verhältnis auf einem guten Weg. Man sei dabei, die Beziehungen zu reanimieren, lobte der russische Präsident das Treffen in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad. Das Näherkommen Moskaus und Washingtons ist vor allem für die Ukraine ein weiteres Alarmsignal, dass Donald Trump nur wenig Sympathie für das angegriffene Land zeigen wird.
In Florida sorgte Trump jetzt mit einem Auftritt voller Falschnachrichten für Entsetzung und Empörung in der Ukraine. Dabei gab er dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj eine Mitschuld daran, dass der Krieg noch nicht beendet sei. »Ich habe heute gehört: Oh, wir waren nicht eingeladen«, regierte der Republikaner auf Kiews Beschwerde, nicht zu Friedensverhandlungen eingeladen worden zu sein – und schob nach: »Nun, ihr seid seit drei Jahren dabei«, spottete der Republikaner.
Trump gibt Selenskyj Mitschuld am Krieg
Mehr noch, indirekt gab Trump der Ukraine sogar eine Mitschuld am Krieg: »Ihr hättet es nie anfangen sollen. Ihr hättet einen Deal machen können.« Russland hätte ukrainische Städte komplett vernichten können, und nicht nur zu 20 Prozent. Doch Moskau habe daran kein Interesse, schwadronierte Trump.
Auch gegen Selenskyj selbst feuerte Trump aus allen Fake-News-Rohren. Ich mag ihn persönlich, er ist in Ordnung.» Es gehe aber nicht um persönliche Sympathien, sondern darum, «dass der Job erledigt wird». Aus Trumps Sicht wird er nicht erledigt. Deswegen, behauptete der US-Präsident unbewiesen, lägen Selenskyjs Zustimmungswerte nur noch bei vier Prozent. Trump verwies zudem darauf, dass die vorgesehene Präsidentschaftswahl nicht abgehalten wurde. Der US-Präsident, so der Vorwurf insbesondere aus der EU, wiederhole damit die Forderungen Moskaus. Der Kreml bestreitet Selenskyjs Legitimität und behauptet, mit der Ukraine über ein Kriegsende reden zu wollen, wenn denn gewählt wird.
Kiew sieht Moskau hinter den Wahlforderungen
Selenskyjs Unterstützer glauben, Moskau wolle bei einer Wahl einen kremltreuen Kandidaten durchdrücken. Die Menschenrechtsorganisation Gulagu.net streute am Dienstagabend sogar das Gerücht, Russlands Inlandsgeheimdienst bereite einen neuen Maidan zum Sturz Selenskyjs vor. Beweise dafür gibt es nicht. Ebenso wie für die Absetzung durch einen moskautreuen Kandidaten. Den gibt es in der Ukraine schlicht nicht mehr, merken Beobachter an.
Selenskyj denkt nicht daran, seinen Posten zu räumen, auch wenn Trump bekräftigte, dies sei die einzige Möglichkeit für die Ukraine, einen Platz am Verhandlungstisch zu bekommen. «Wenn man uns morgen in EU und Nato aufnimmt, werde ich nicht mehr gebraucht. Aber solange wir das nicht haben, werde ich mein Land verteidigen», sagte Selenskyj in der ARD-Sendung Maischberger. Selenskyj verwies zuletzt auch immer wieder auf das im Land geltende Kriegsrecht, das keine Wahlen vorsieht.
Selenskyjs Zustimmungswerte werfen Fragen auf
Auf Trumps Falschaussage, seine Zustimmung liege nur noch bei vier Prozent, holte Selenskyj zum Gegenschlag aus. Am Mittwochmorgen veröffentlichte die wichtigste ukrainische Meinungsforschungseinrichtung, das Kiewer Internationale Institut für Soziologe (KMIS), neue Zahlen, laut denen 57 Prozent der Ukrainer ihrem Präsidenten vertrauen. «Wenn mich jemand jetzt sofort austauschen will, wird es jetzt gelingen», kommentierte Selenskyj die Veröffentlichung. Trumps vier Prozent sei hingegen eine Zahl, die Russland und die USA diskutieren. «Trump lebt leider in diesem Desinformationsraum», so Selenskyj.
Die neuen Zahlen des KMIS stoßen jedoch in der Ukraine selbst auf Skepsis. Tatsächlich hatte Selenskyj mit 52 Prozent im Dezember noch die minimalsten Zustimmungswerte seit Kriegsbeginn verzeichnet. Dass der Präsident nur wenige Stunden nach Trumps Tirade erstmals wieder zulegen konnte und das gleich um fünf Prozent, führt zu Zweifeln am Ergebnis. Zumal laut Selenskyj-kritischen Telegram-Kanälen geheime Umfragen für die westlichen Partner eher 20 Prozent Zustimmung zeigen sollen. Das KMIS werde immer mehr zu einem politischen PR-Instrument, so die Befürchtung.
Politische Gegner üben heftige Kritik an Selenskyj
Heftige Kritik am Präsidenten übte auch erneut dessen ehemaliger Berater Oleksij Arestowytsch, dem bei einer möglichen Wahl durchaus Chancen ausgerechnet werden. In seinem Telegram-Kanal warf er Selenskyj eine Reihe von Fehlern vor, die zur verschlechterten Lage des Landes beigetragen hätten. Mit seiner Kriegsführung würde Selenskyj das Land im selben Tempo ruinieren, wie Putin. Das beste, was der Präsident machen könne, sei, sich freiwillig zurückzuziehen, so Arestowytsch.
Statt in Wahlen sieht die ukrainische Führung die Lösung in weiteren Waffenlieferungen. «Die Ukraine braucht Patronen und keine Wahlzettel», sagte Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk. Im Gespräch mit dem Nachrichtenportal «New Voice» bekräftigte Ex-Armeechef Walerij Saluschnyj erneut die Kampfbereitschaft der Ukraine. Für die Verteidigung der noch verbliebenen Gebiete reiche die Hälfte der Mobilisierten aus. «Das Wichtigste ist, viele gut ausgebildete Leute für einen langen Krieg zu haben, den wir jetzt sehen», so Saluschnyj.
Kellogg bei der Ankunft in Kiew: «Wir werden zuhören, das ist Teil meiner Mission. Wir verstehen die Notwendigkeit von Sicherheitsgarantien», sagte Kellogg bei seiner Ankunft in der ukrainischen Hauptstadt. Selenskyjs Präsidialamtsleiter Andrij Jermak drückte beim Treffen mit Kellogg den Wunsch nach weiter offenen Beziehungen zu den USA und gegenseitigem Verständnis aus. Selenskyj hatte im Vorfeld der Kellogg-Reise angekündigt, mit ihm an die Front zu fahren und mit Soldaten sprechen zu wollen.
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