Werbung

Bekifft im Straßenverkehr

Unfallbilanz: Zahl der Zusammenstöße unter Einfluss von Cannabis am stärksten gestiegen

  • Matthias Krauß
  • Lesedauer: 4 Min.
Auf der Bundesstraße 1 nahe Rüdersdorf bei Berlin sind im März vergangenen Jahres mehrere Menschen ums Leben gekommen.
Auf der Bundesstraße 1 nahe Rüdersdorf bei Berlin sind im März vergangenen Jahres mehrere Menschen ums Leben gekommen.

Seit der Legalisierung des Konsums von Cannabis am 1. April 2024 nahmen in Brandenburg die Verkehrsunfälle unter dem Einfluss dieser Droge um ein Viertel zu. »Bei keiner anderen Unfallursache mussten wir einen solchen Anstieg erleben«, sagte Innenministerin Katrin Lange (SPD) am Donnerstag, als sie die Verkehrsunfallbilanz für das vergangene Jahr präsentierte. Kritiker und Skeptiker, darunter die Polizei, die vor der Legalisierung gewarnt hatten, müssten sich bestätigt fühlen. Sie selbst sei kein Freund dieser Entscheidung gewesen, sagte Lange. »Die Ampel-Regierung hätte besser daran getan, sich um andere Dinge zu kümmern.«

Geringfügig weniger Unfälle, aber 114 Verkehrstote statt zuvor 108 hat es im vergangenen Jahr gegeben. Wieder spielten Geschwindigkeitsüberschreitung, Missachten der Vorfahrt und das Führen eines Kraftfahrzeugs unter Alkoholeinfluss eine erhebliche Rolle. Laut Ministerin Lange gingen 90 Prozent der ermittelten Trunkenheitsfahrten auf das Konto von Männern. »Frauen nehmen substanziell weniger besoffen am Straßenverkehr teil«, unterstrich die für ihre mitunter hemdsärmeligen Formulierungen bekannte SPD-Politikerin. »Das spricht sehr für das weibliche Geschlecht.«

Von besonderen Überraschungen sei die Unfallbilanz verschont geblieben. Doch kommen nach wie vor im Straßenverkehr viele Menschen ums Leben. Brandenburg sei ein großes Bundesland mit viel Verkehr, erläuterte die Ministerin. Glücklicherweise sei es in 90 Prozent der Unfälle bei Sachschäden geblieben. Zwei Drittel aller Unfälle ereignen sich innerhalb von Ortschaften. Zumeist blieb es dort bei Blechschäden. Außerorts werden – bedingt durch die höhere Geschwindigkeit – die Unfälle gefährlicher.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Dass 2024 weder ein Kind noch ein Jugendlicher im Straßenverkehr sterben musste, sei eine gute Nachricht, sagte Lange. Zugenommen habe die Opferzahl allerdings bei jungen Erwachsenen und Senioren. Polizeipräsident Jan Müller ergänzte, den Senioren müsse eine besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Schon heute machten die über 65-Jährigen ein Viertel der Gesamtbevölkerung aus und ihr Anteil werde kurz- und mittelfristig noch einmal stark zunehmen. Bei jedem zweiten Unfall, an dem Senioren beteiligt waren, haben sie den Unfall selbst verursacht. Die Polizei habe einen Whatsapp-Kanal zur Verkehrssicherheit eingerichtet, der sich speziell an Rentner wendet, sagte Müller.

Wenn es an Busverbindungen auf dem Lande mangelt, zwingt das alte Menschen, sich auch gebrechlich aufs Fahrrad zu schwingen oder ins Auto zu setzen, wenn sie einkaufen oder zum Arzt müssen. Die Landkreise bemühen sich, dem mit einem Rufbus-System entgegenzuwirken, erklärte Infrastrukturminister Deflef Tabbert (BSW). Er riet zu Wiederauffrischungs-Lehrgängen und zu einem Fahrsicherheitstraining für Kraftfahrer. Am eigenen Leibe habe er dabei erfahren, »wie viel man schon wieder verlernt hat«. Nicht zuletzt das sensible Problem des Toten Winkels beim Rechtsabbiegen werde dabei bewusst gemacht.

Innenministerin Lange setzte hinzu, sie halte nichts von verpflichtenden Tauglichkeitsuntersuchungen für betagte Menschen. Ihr gehe es um Aufklärung, Wissensvermittlung und Überzeugungsarbeit.

3829 Radfahrer erlitten einen Verkehrsunfall, mehr als 3000 von ihnen verletzten sich dabei und damit vier Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Elf Radfahrer verunglückten tödlich. Die Hälfte der Unfälle, an denen Radfahrer beteiligt sind, haben sie selbst verschuldet.

Die Zahl der von Bäumen gesäumten Alleen in Brandenburg schwindet zwar, doch noch immer spielen sie in der Unfallbilanz eine bedeutende Rolle. Rund 1300-mal krachten Fahrzeuge an Bäume. Das waren immerhin elf Prozent weniger als ein Jahr zuvor. Nach Auskunft des Polizeipräsidenten sind die Folgen solcher Zusammenstöße »dramatisch«. 32 Menschen verloren dabei ihr Leben. Ablenkung, eventuell durch ein Mobiltelefon und zu hohes Tempo seien die Hauptursachen dafür. 

Aus der Verkehrsunfallbilanz 2024
  • Die Zahl der Verkehrsunfälle in Brandenburg ist im vergangenen Jahr von 74 250 auf 73 543 gesunken. Im Jahr 2000 hatte es im Bundesland noch rund 100 000 Unfälle gegeben.
  • 1991 kamen auf den Straßen Brandenburgs fast 1000 Menschen ums Leben.
  • Unter Einfluss von Cannabis ereigneten sich im vergangenen Jahr 120 Unfälle, 2023 waren es 96. Die Zahl der Verkehrsunfälle unter Alkoholeinfluss sank von 1182 auf 1126.
  • Die Zahl der Motorradunfälle stieg von 1237 auf 1291. Es kamen 16 Motorradfahrer ums Leben.
  • 50 000 Verstöße gegen die Straßenverkehrsregeln stellte die Polizei fest. Dabei sind die 1,5 Millionen Überschreitungen des Tempolimits nicht mitgezählt. krauß

    Infrastrukturminister Tabbert erinnerte an die frühen 90er Jahre, als auf Brandenburgs Straßen fast achtmal mehr Menschen starben als heute. Mit etwas über 110 Verkehrstoten pro Jahr sei inzwischen ein Sockel erreicht, der sich seit 2016 nur noch unwesentlich verändere. Viele Jahre lang lag Brandenburg deutschlandweit an der Spitze, was die Zahl der Verkehrstoten je 100 000 Einwohner betraf. »Heute liegen wir im Mittelfeld.«

    Baustellen als Gefahrenquelle haben 2024 eine geringere Rolle gespielt als in früheren Jahren. Auch wenn es mitunter für Ärger sorge: Man gehe beim Straßenbau zur Vollsperrung über, weil das halbseitige Befahren ein höheres Risiko berge, sagte Tabbert.

    Die Bußgeldeinnahmen haben sich im vergangenen Jahr auf 61 Millionen Euro belaufen, 2021 waren es noch 43 Millionen Euro. Die Steigerung wird auf verstärkte Kontrollen zurückgeführt, aber auch auf einen verschärften Bußgeldkatalog.

    - Anzeige -

    Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

    Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

    Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

    Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

    Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


    → Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
    → Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
    → Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
    → Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
    → Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

    Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

    - Anzeige -
    - Anzeige -