Bundestagswahl 2025: Schwarz-rote Baustellen

Klima und Energie spielten im Wahlkampf eine Nebenrolle. Was von der künftigen Koalition zu erwarten ist

Der Ausbau der Erneuerbaren steht weiter auf der Tagesordnung.
Der Ausbau der Erneuerbaren steht weiter auf der Tagesordnung.

Bis Ostern will CDU-Chef Friedrich Merz die neue Bundesregierung gezimmert haben. Große klimapolitische Maßnahmen sind von Union und SPD kaum zu erwarten, dem Thema ausweichen können sie aber auch nicht. Am Horizont schimmert schon das Startjahr 2027 für den neuen europäischen Emissionshandel auf. Und der Baustellen gibt es viele.

Strompreis

Seit Jahren bewegt sich Deutschland beim Strompreis für Haushalte im europäischen Spitzenfeld. Familien, die jährlich 3500 Kilowattstunden (kWh) verbrauchen, bezahlten nach Branchenangaben 2022 rund 38 Cent je kWh und 2023 rekordverdächtige 45 Cent. 2024 war es mit 41 Cent nur etwas weniger.

Langfristig sollen vor allem die Erneuerbaren für preiswerten Strom sorgen. Davon kann schon profitieren, wer ein Solardach oder eine Balkonanlage sein Eigen nennt. Doch was ist mit Haushalten, die ihren Strom vom Versorger übers Netz beziehen? Kurzfristig würde da nur helfen, den Strompreis zu stützen, meinen Experten. Die Union schlägt dafür im Wahlprogramm einen Klimabonus vor – für Privatverbraucher und Unternehmen. Mit den Einnahmen aus der CO2-Bepreisung soll die Stromsteuer auf das europäische Minimum gesenkt und die Netzentgelte sollen mindestens halbiert werden.

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Die Stromsteuer für private Verbraucher liegt derzeit bei 2,05 Cent je kWh. Würde sie auf das europäische Mindestmaß von 0,1 Cent gedrückt, könnte das die Haushalte um 3 Milliarden Euro entlasten, hat das Preisportal Verivox errechnet.

Das Netzentgelt beläuft sich dieses Jahr – bei regionalen Schwankungen – auf durchschnittlich 6,65 Cent pro kWh. Was eine Halbierung kostet, dazu ist keine öffentliche Schätzung bekannt. Allerdings fordert auch die SPD die Halbierung und die Einführung eines festen Deckels von 3 Cent pro kWh. Da können sich die künftigen Koalitionäre also leicht einigen.

Preiswerter Strom wäre auch für den Klimaschutz wichtig, denn die Dekarbonisierung von Bereichen wie Verkehr und Gebäude läuft vor allem über den Einsatz von grünem Strom. Laut einer Analyse der staatlichen Förderbank KfW würde sich bei einem halbierten Strompreis der Absatz von Wärmepumpen nahezu verdoppeln. »Das Verhältnis von Strom- zu Gaspreis ist ein relevanter Hebel, um die Verbreitung von Wärmepumpen voranzutreiben«, erläuterte Mitautor Johannes Rode. Der Ökonom weist darauf hin, dass besonders einkommensschwache Haushalte häufig in energetisch ineffizienten Gebäuden wohnen. Daher seien Zuschüsse oder zinsgünstige Kredite nötig, um die Energiewende fair zu gestalten.

Gebäudeenergiegesetz

CDU und CSU hatten sich in der Opposition auf das im Gebäudebereich maßgebliche Heizungsgesetz eingeschossen. Dass eine gänzliche Abschaffung unklug wäre, hat sich aber inzwischen auch bei ihnen herumgesprochen. Zum einen könnte Deutschland seine Klimapflichten dann gleich aufgeben, zum anderen droht ab 2027 mit der Einführung des zweiten EU-Emissionshandels für Gebäude und Verkehr eine weitere Kostenexplosion bei fossilen Brennstoffen. Laut Berechnungen des neuen Thinktanks »Zukunft Klimasozial« drohen dann bei Eigenheimen, die noch mit Öl oder Gas heizen, Steigerungen von 100 bis 400 Euro pro Jahr sowie bei der Pkw-Nutzung von 100 bis 200 Euro. Zur Abhilfe wird ein sozial gestaffeltes Klimageld vorgeschlagen, je nach Rückzahlungsmodell 50 bis 270 Euro pro Kopf und Jahr. Dazu sollen spezielle Förderprogramme für arme Haushalte kommen.

Förderung erneuerbarer Energien

Zentraler Streitpunkt der neuen Koalition wird sicherlich die Finanzierung der Erneuerbaren-Förderung. 2024 musste der Bundeshaushalt für die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) garantierte Einspeisevergütung rund 18,5 Milliarden Euro aufs EEG-Konto überweisen, geplant waren nur etwas mehr als 10 Milliarden.

Für 2025 sind 16,5 Milliarden vorausgesagt. Ende Januar einigten sich Union, SPD und Grüne auf eine Reform der Bioenergie-Förderung, die noch einmal 1,5 Milliarden Euro kostet, verteilt über mehrere Jahre. Dazu kommen der Bestandsschutz für die laufende EEG-Förderung sowie der auch von der Union geplante weitere Ausbau der Erneuerbaren.

Bisherige Sparmaßnahmen sind eher kleinteilig. Solar-, Windkraft- und Biogasanlagen sollen auf dem Strommarkt mehr Einnahmen selbst erzielen, große Wind- und Solarparks mehr direkte Lieferverträge mit Großabnehmern abschließen und sich dort ihre Einnahmen holen.

Neue Kraftwerke

Energieexperten weisen ferner darauf hin, dass sich die neue Regierung dringend um die Stabilität des Stromnetzes kümmern muss. Schon jetzt werden angeblich drohende »Blackouts« zu Ostern heraufbeschworen. Das in der Ampel durchgefallene Kraftwerkssicherheitsgesetz hielt den Neubau von 12 500 Megawatt neuer flexibler Kraftwerke für nötig, anfangs mit Erdgas und irgendwann mit Wasserstoff betrieben.

CDU-Chef Friedrich Merz verkündete im Wahlkampf die Absicht, sofort 50 neue Gaskraftwerke bauen zu lassen. Die Zahl ist nicht neu. Mitte 2023 plante die Ampel selbst noch den Neubau in ähnlichem Umfang. Das war schon damals recht utopisch, denn so viel Wasserstoff ist auf Jahrzehnte in Deutschland für Kraftwerke nicht verfügbar. Auch nicht für einen reinen Back-up-Betrieb, wenn Wind, Sonne und Biogas nicht ausreichen, also wenige Hundert Stunden im Jahr. Ohne kräftige Subventionen rechnet sich das wiederum für die Betreiber nicht. Woher die Milliarden dafür kommen sollen, ist ziemlich unklar.

Klimaschutzprogramm

Ferner muss die Bundesregierung ein neues Klimaschutzprogramm vorlegen, wie es gesetzlich verlangt ist. Es soll alle Anstrengungen der neuen Koalition zum Erreichen der nationalen und europäischen Klimaziele bündeln. Das geltende Klimaschutzprogramm der Ampel von Oktober 2023 hatte mit Blick auf das Klimaziel für 2030 eine CO2-Einspar-Lücke von 200 Millionen Tonnen. Vor einem Jahr teilte das Umweltbundesamt mit, die Lücke könnte geschlossen werden, wenn alle Klimamaßnahmen der Ampel umgesetzt würden, einschließlich des umstrittenen Heizungsgesetzes oder eines Kohleausstiegs bis 2030 auch in den ostdeutschen Ländern. Beides ist bisher nicht geplant.

Wie die Lage beim Klimaziel 2030 aktuell aussieht, will das Umweltbundesamt Mitte März verkünden. Die neue Projektion wird dann vom Expertenrat für Klimafragen geprüft, der zwei Monate später sein Urteil fällt. Spätestens dann muss die künftige Regierung ein neues Klimaprogramm vorlegen.

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