2239 Wohnungen: Zahl der Zwangsräumungen weiter hoch

Im Jahr 2024 gab es in Berlin etwas weniger Zwangsräumungen als im Vorjahr.

Zwangsräumungen werden teilweise von der Polizei begleitet, nicht nur wenn es Protest gibt.
Zwangsräumungen werden teilweise von der Polizei begleitet, nicht nur wenn es Protest gibt.

Gründe, deretwegen es zu Zwangsräumungen kommt, gibt es viele. Denn hinter Mietschulden steckt eigentlich nie böser Wille. Jobverlust, bürokratische Überforderung, Krankheit – all das kann dazu führen, dass Menschen ihre Miete nicht mehr zahlen oder zahlen können. Und das ist meist Auslöser dafür, dass Gerichte die Räumung von Haushalten anordnen. 2024 gab es 2239 Zwangsräumungen in der Hauptstadt. Das hat die Senatsverwaltung für Justiz den Grünen-Abgeordneten Katrin Schmidberger und Taylan Kurt auf eine Anfrage hin mitgeteilt.

Der Senat weist darauf hin, dass nicht alle im Jahr 2024 durchgeführten Räumungen aus Klagen und Urteilen aus dem gleichen Jahr resultieren. Im Jahresvergleich sinkt die Zahl der Haushalte, die mittels eines Gerichtsvollziehers aus ihrer Wohnung geschmissen werden leicht: 2023 waren es noch 2369. Allerdings ist das vor allem eine Stabilisierung auf einem hohen Niveau, denn die Zahl der Zwangsräumungen steigt seit Jahren. 2021 waren es noch 1668, 2022 schon 1931.

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Lokal gibt es dabei erhebliche Unterschiede: Im Amtsgerichtsbezirk Wedding, der den Bezirk Reinickendorf sowie die Ortsteile Wedding und Gesundbrunnen in Mitte umfasst, wurden mit 408 die meisten Räumungen vorgenommen. An zweiter Stelle liegt das Amtsgericht Kreuzberg, das für Friedrichshain-Kreuzberg und den ehemaligen Bezirk Tempelhof zuständig ist. Dort wurden 323 Räumungen vollzogen. Die wenigsten Räumungen wurden im Bereich des Amtsgerichts Pankow, zuständig für den gleichnamigen Bezirk ohne Prenzlauer Berg, vorgenommen: 110 Mal wurden dort Haushalte geräumt. Auffällig: 2023 wurde mit 538 Fällen noch in Lichtenberg am meisten geräumt. Vergangenes Jahr sank diese Zahl auf 217.

Sozialpolitisch besonders relevant ist die Frage, was denn mit den Menschen passiert, die geräumt wurden. Auf dem sowieso katastrophalen Wohnungsmarkt mit Mietschulden eine Wohnung zu finden, dürfte extrem schwierig sein. Wichtiges Instrument zu Unterstützung ist das sogenannte geschützte Marktsegment (GMS) zur Versorgung wohnungsloser Menschen. Das sieht auch der Senat so: Im Zusammenhang mit nicht abwendbaren Räumungen habe das GMS seit Jahren eine wichtige Steuerungsfunktion bei der Vermeidung von Wohnungslosigkeit. Aber der Bedarf übersteigt das Angebot. Die Landesregierung scheitert aber fortlaufend daran, das selbst gesteckte Ziel von 2500 Wohnungen zu erreichen. Auch angesichts dessen sei es ein »vordringliches Ziel« des Senats, die Prävention von Wohnraumverlust zu verbessern, damit ein Verbleib im eigenen Wohnraum zum Regelfall werde, so die Justizverwaltung.

Grünen-Wohnungspolitikerin Schmidberger fordert angesichts der hohen Zahl an Zwangsräumungen das Land Berlin auf, die Gerichte anzuweisen, keine Zwangsräumungen mehr durchzuführen, wie sie »nd« sagt. »Wir brauchen in der aktuellen Wohnungskrise ein klares Signal vom Senat, dass Menschen Schutz erfahren, die auf ihren Wohnraum angewiesen sind.« Sie erlebe tagtäglich, dass Menschen keinen Ersatzwohnraum fänden und in die unfreiwillige Obdachlosigkeit gerieten. Zwangsräumungen seien definitiv nicht der Weg, das von Europarlament und Bundestag ausgegebene Ziel zu erreichen, Obdachlosigkeit bis 2030 zu beenden.

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