Propaganda und Gewalt

Ein aktuelles Buch von Joseph Croitoru über die Hisbollah als »Irans Schattenarmee« im Libanon

  • Harald Loch
  • Lesedauer: 4 Min.
Masseneinfluss: Beerdigung der von Israel getöteten Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und Haschem Safi al-Din im größten Stadion von Beirut
Masseneinfluss: Beerdigung der von Israel getöteten Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah und Haschem Safi al-Din im größten Stadion von Beirut

So wird nichts daraus! Zwischen der Hisbollah und Israel ist weiterhin kein Frieden in Sicht, weil die Voraussetzungen dafür fehlen. Der 1960 in Haifa geborene deutsche Historiker und Nahost-Experte Joseph Croitoru hat in seiner neuen, weit in die Geschichte zurückgehenden Analyse »Die Hisbollah. Irans Schattenarmee vor den Toren Israels« die Ursachen für diese düstere Prognose herausgearbeitet.

Die Hisbollah ist eine schiitische Organisation, die im Libanon über militärische Macht und bestimmenden politischen Einfluss verfügt. Croitoru hebt noch einmal die immer wieder auch gewaltsam eskalierende Rivalität zwischen den sunnitischen und schiitischen Richtungen des Islam hervor. Der Libanon ist historisch ein multikonfessioneller Staat mit einer Proporzverfassung, die das Machtgefüge zwischen den orthodoxen und katholischen Christen sowie den konkurrierenden sunnitischen und schiitischen Muslimen immer wieder neu und nie nachhaltig genug austariert.

Das Zentrum der aggressiven schiitischen Machtentfaltung in Nahost ist der Iran, Schutzmacht und Finanzier der Hisbollah im Libanon. Mit großem finanziellen Aufwand, der an den Marshallplan der USA für das westliche Nachkriegseuropa erinnert, unterstützt das iranische Regime die Hisbollah und bezahlt deren soziale, militärische und religiöse Aktivitäten, die sie für die Bevölkerung attraktiv erscheinen lassen.

60 Prozent der libanesischen Bevölkerung sind Moslems, davon etwas mehr als die Hälfte Schiiten. Wie tief in deren Bewusstsein die 1982 im Libanon-Krieg der Israelis gegen die PLO und Syrien ursprünglich als Miliz entstandene Hisbollah mittlerweile verankert ist, zeigt Croitoru anhand der erschreckenden Indoktrinierung der Jugend in den vom Iran finanzierten Schulen. In diesen sind der Hass auf Israel und die USA, eine Propagierung der Gewalt und die Heroisierung von Märtyrern ideologische Grundlage des Unterrichts. Die Vernichtung Israels, die Rückeroberung Jerusalems und der Hass auf Juden sind zentrale Lehrinhalte in diesen Schulen, die häufig die einzigen noch funktionierenden pädagogischen Einrichtungen dieses von finanziellen und politischen Krisen ruinierten Landes sind.

Befeuert wird diese mörderische Ideologie durch die Vergeltungsschläge Israels vor allem im grenznahen Süden Libanons. Mit nüchterner Objektivität zählt Croitoru die Opfer und die zerstörten Gebäude und beschreibt die innerlibanesischen Fluchtbewegungen von Hunderttausenden in den Norden des Landes, verursacht durch diese gezielten israelischen Angriffe. Sie führen regelmäßig zu Gegenattacken der Hisbollah, mit begrenzter militärischer, aber großer politischer Wirkung, immer begleitet von Propagandalawinen Irans. Seit dem Kampf Israels gegen die Hamas in Gaza zeichnet sich immer stärker ein Schulterschluss der schiitischen Hisbollah sowohl mit den mehrheitlich sunnitischen Palästinensern als auch den Sunniten des Libanon ab.

Der Machtwechsel in Syrien hat die strategische Lage bis auf Weiteres verändert, weil nun der Zustrom iranischer und russischer Waffen über Syrien zur Hisbollah im Libanon unterbunden wurde. Die Angriffe Israels auf die Kommandostruktur der Hisbollah haben deren militärische Kapazitäten vorerst stark dezimiert. Aber das ist keine Voraussetzung für Frieden, sondern eine Quelle für Rache-Ideologien, die schon der nächsten Generation in den schiitischen Schulen eingeimpft werden.

Ende November trat nach wochenlangen Verhandlungen unter amerikanischer und französischer Vermittlung ein Waffenstillstand zwischen Libanon und Israel in Kraft, dem auch die Hisbollah zustimmte. Ein internationales Gremium unter Führung der USA und Frankreichs soll diesen überwachen – die libanesische Regierung soll nicht nur die »Wiederherstellung und Aufrüstung nichtstaatlicher bewaffneter Gruppen im Libanon« verhindern, sondern auch allgemein den Verkauf, die Lieferung und Produktion von Waffen im Land kontrollieren. Dass die libanesische Armee dazu in der Lage ist, wird stark bezweifelt. »Dass das Abkommen keine ausdrückliche Forderung nach einer Entwaffnung der Schiiten-Miliz, die sich wieder einmal als Kriegsgewinnerin inszenierte, enthielt, wurde von ihr als Sieg gefeiert«, schreibt Croitoru. Nach dem Abkommen soll Israel sich aus dem Südlibanon zurückziehen, was bislang nur teilweise geschehen ist.

Die Waffenstillstandsvereinbarung wurde in Israel skeptisch aufgenommen, »weshalb sich Ministerpräsident Benjamin Netanjahu veranlasst sah, sie in seiner einschlägigen Erklärung in auffallender Ausführlichkeit zu rechtfertigen. Seine gleichzeitige Drohung, Israel werde auf jede Nichteinhaltung der Feuerpause ›energisch reagieren‹, wurde denn auch rasch in den folgenden Tagen und Wochen mit zahlreichen Luftangriffen in die Tat umgesetzt.«

Wenn Iran und die Hisbollah nicht die Vernichtung Israels von ihrer To-do-Liste nehmen, wird aus dem brüchigen Waffenstillstand kein Frieden entstehen.

Joseph Croitoru: Die Hisbollah. Irans Schattenarmee vor den Toren Israels. C. H. Beck, 183 S., br., 18 €.

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